Gross war das Geschrei in der Schweiz, als Veranstaltungen mit über 1000 Besuchern verboten wurden. Von Hysterie war die Rede, von Überreaktion. Doch die Stimmung ist gekippt, das Geschrei verstummt. Kaum einer, der sich angesichts der raschen Ausbreitung von Covid-19 noch gegen drastische Massnahmen sträubt. Ein Blick über die südliche Grenze reicht, um abzuschätzen, was noch auf uns zukommt.
Doch wie sehen die Massnahmen aus von Ländern, die einen grossflächigen Ausbruch bisher verhindert haben? Was können wir von Singapur, Taiwan und Japan lernen?
Singapur hat die Lehren aus der Sars-Pandemie 2002/2003 und der Schweinegrippe 2009/2010 gezogen und ein nationales Epidemie-Zentrum und Quarantäne-Gebäude eingerichtet. Bei Ausbruch von Covid-19 sprach der Inselstaat bereits früh ein Einreiseverbot für Menschen aus Risikogebieten aus, Passagieren am Flughafen wurde die Temperatur gemessen und 700 potentielle Träger, welche aus der betroffenen Region einreisten, wurden gleich unter Quarantäne gesetzt. Doch die Massnahmen gehen entschieden weiter.
Taiwan begann bereits am 31. Dezember mit den Kontrollen von Flugpassagieren aus der betroffenen Region Wuhan. Zu diesem Zeitpunkt waren dort erst 27 Verdachtsfälle gemeldet worden. Wenige Tage später, am 5. Januar, begann die Überwachung sämtlicher Personen, welche sich in den letzten 14 Tage zuvor dort aufgehalten hatten. Im Januar wurde ein nationaler Epidemie-Stab (Central Epidemic Command Center – CECC) eingerichtet, der seither beinahe täglich informiert und Falschinformationen aus Social-Media-Kanälen berichtigt. Das CECC ordnete an, die Produktion von Gesichtsmasken hochzufahren. Das dazu benötigte Personal wurde vom Militär gestellt.
Doch auch hier gehen die Massnahmen weiter:
Japan und seine Regierung beweise im Umgang mit dem Corona-Virus seine komplette Unfähigkeit, schreibt der Politikwissenschaftler Koichi Nakano in einem Artikel in der «New York Times» vom 26. Februar. Und das ausgerechnet im Olympiajahr. Vor allem die öffentliche Aufklärung sei eine Katastrophe. Auch Südkorea kritisiert Japan für seine angebliche Passivität.
Die offiziellen Zahlen sprechen eine andere Sprache.
Here's the coronavirus data, overlayed with the dates offset by the amounts shown. One of these countries is not like the rest. Everyone else will be Italy in 9-14 days time. pic.twitter.com/VESY54X1gP
— Mark Handley (@MarkJHandley) March 9, 2020
Man kann Japan schlechte Kommunikation vorwerfen und auch der Umgang mit der Diamond Princess sorgte international für Stirnerunzeln. Passivität kann man Japan aber nicht vorwerfen.
Die getroffenen Massnahmen alleine können die tiefen Fallzahlen aber nicht erklären. Einerseits munkelt man, dass Japan es mit den Zahlen nicht so genau nimmt, andererseits gibt es weitere Gründe, weshalb Japans Anstieg an kranken Personen weniger steil verläuft.
Eine Untersuchung ergab, dass 80% der infizierten Japaner das Virus nicht weitergaben. Weltweit geht man aber davon aus, dass in der Frühphase jeder Patient im Durchschnitt 2,2 gesunde Menschen ansteckt (Basisreproduktionszahl R0 = 2,2). Weshalb Japan ein Sonderfall ist, ist noch unklar. Spekuliert wird, dass kulturelle Unterschiede, zum Beispiel der Verzicht aufs Händeschütteln, eine Rolle spielen.
Ganz anders als Japan betrieb Vietnam eine sehr offene Kommunikationspolitik. Ein Song der Gesundheitsbehörde, der zum Händewaschen aufruft, ging sogar viral.
Doch ausser lustigen Videos griff Vietnam auch schnell und rigoros durch.
Und bei uns in der Schweiz geben wir einfach auf. Die Züge von und nach Italien verkehren ungehindert. Nur noch schwere Fälle werden überhaupt erst getestet. Keine Gesundheitschecks an Flughäfen und den Grenzen. Ich hoffe es wird gut gehen, aber daran glaube ich persönlich nicht.