Australiens Premierminister Anthony Albanese hat in einem emotionalen Statement ein Referendum angekündigt, das den australischen Ureinwohnern, den Aborigines, ein Mitspracherecht im australischen Parlament einräumen und eine Erwähnung in der Verfassung des Landes ermöglichen soll.
Konkret geht es in der Verfassungsänderung darum, dass künftig ein Gremium indigener Australier die Regierung beraten soll, wenn es um Fragen zu den Ureinwohnern geht. Die Mitglieder sollen von Vertretern der Aborigines benannt werden und nicht von der Regierung. Noch in diesem Jahr wird die australische Bevölkerung voraussichtlich über das Vorhaben abstimmen.
Der Plan für die Volksabstimmung unter dem Slogan «Voice to Parliament» ist schon länger bekannt – nun machte Premierminister Anthony Albanese bei einer emotionalen Pressekonferenz Details und die konkrete Fragestellung öffentlich:
Bei seiner Rede sprach er teilweise mit tränenerstickter Stimme. Auch viele anwesende Vertreter der Ureinwohner weinten. «Viele warten schon sehr lange auf diesen Moment», sagte Albanese.
Labor-Politiker Albanese hatte nach seinem Wahlsieg im Mai 2022 das «Voice Referendum» vorangetrieben. Zuletzt hiess es, die Befragung werde irgendwann zwischen Oktober und Dezember 2023 durchgeführt. Ob das Referendum angenommen wird, ist derweil fraglich. In Umfragen schwankte der Zuspruch für das Anliegen in den vergangenen Monaten zwischen 45 und 55 Prozent.
Allerdings gilt die australische Bevölkerung als sehr konservativ, was Verfassungsänderungen anbelangt, und nur in Ausnahmefällen werden Referenden angenommen. Hinzu kommt, dass die Vorlage in allen Staaten des Landes angenommen werden muss, was ebenfalls ein Problem darstellen könnte, da die Sensibilität für die Situation der Aborigines nicht in allen Landesregionen gleich gross ist.
Das Verhältnis der Australier zur indigenen Bevölkerung ist in Down Under ein sehr sensibles Thema. Aborigines haben den roten Kontinent nach Angaben des Nationalmuseums schon vor 65'000 Jahren besiedelt.
Nach der Ankunft der «First Fleet» (ersten Flotte) in Sydney Cove am 26. Januar 1788 und der darauffolgenden Kolonisierung wurden viele Jahrzehnte lang Aborigine-Kinder ihren Eltern entrissen. Sie mussten in Heimen oder bei weissen Familien aufwachsen. Die Betroffenen werden in Australien als «gestohlene Generation» bezeichnet.
Für das Leid der Ureinwohner gab es erst 2008 eine offizielle Entschuldigung durch den damaligen Premier Kevin Rudd. Bis heute leiden die Aborigines unter den Folgen der Vergangenheit, in Teilen des Landes sind sie auch in der Gegenwart noch schlecht in die Gesellschaft integriert und haben mit Diskriminierung zu kämpfen. In der 1901 verabschiedeten Verfassung des Landes werden sie zudem nach wie vor nicht erwähnt. Und erst 1967 wurden ihnen überhaupt Bürgerrechte eingeräumt – davor hatten sie denselben rechtlichen Status wie Tiere.
Erst seit einigen Jahren findet in der australischen Bevölkerung ein richtiger Sinneswandel statt und die Sensibilität für die Situation und die Anliegen der Ureinwohner wächst, wie am Beispiels des Nationalfeiertags am 26. Januar zu erkennen ist. So erfährt der «Australia Day», der Tag, an dem die «First Fleet» in Sydney ankam, einen Bedeutungswandel.
Galt der Tag in der Vergangenheit als Nationalfeiertag, der zelebriert wurde wie der 1. August in der Schweiz, kommt es in verschiedenen Regionen des Landes nun jeweils zu Protesten, die eine Änderung des Nationalfeiertags auf ein anderes Datum fordern. Die Stadt Perth, wo bis 2019 das grösste Fest des Landes stattfand, hat den Anlass beispielsweise mittlerweile ganz eingestellt. Die Aborigines bezeichnen den «Australia Day» seit jeher als «Invasion Day».
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.