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Belgien

Entsetzen nach Festival-Ausladung von israelischem Dirigenten Shani

«Schande für Europa»: Entsetzen nach Festival-Ausladung von israelischem Dirigenten

11.09.2025, 17:0711.09.2025, 17:34

Nach der Absage eines Konzertes der Münchner Philharmoniker mit ihrem israelischen Dirigenten Lahav Shani im belgischen Gent zeigen sich deutsche Politiker entsetzt.

Deutschlands Kulturstaatsminister Wolfram Weimer spricht von einer «Schande für Europa», Bayerns Kunstminister Markus Blume von einem Antisemitismus-Skandal, die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, von einem der «krassesten Beispiele des aktuellen Judenhasses».

Das Flanders Festival Ghent hatte die kurzfristige Absage des für den 18. September geplanten Konzertes damit begründet, dass der in Tel Aviv geborene Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist.

epa12355407 Israeli conductor Lahav Shani (R) performs with the Rotterdam Philharmonic Orchestra the Intermezzi for string instruments op. 12 of George Enescu on stage at the Romanian Athenaeum concer ...
Lahav Shani.Bild: keystone

In einer Erklärung auf der Homepage des Festivals heisst es:

«Im Lichte seiner Rolle als Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestras sind wir nicht in der Lage, für die nötige Klarheit über seine Haltung dem genozidalen Regime in Tel Aviv gegenüber zu sorgen.»

Die rechtsreligiöse Regierung um Benjamin Netanjahu wird zwar auch im eigenen Land teilweise scharf kritisiert. Sie ist aber vor drei Jahren demokratisch gewählt worden. Ausserdem sitzt die israelische Regierung nicht in der Küstenstadt und Wirtschaftsmetropole Tel Aviv, sondern in Jerusalem.

Der Antisemitismusbeauftragte der deutschen Regierung, Felix Klein, verurteilte die Entscheidung des Musikfestivals scharf und forderte Widerspruch. Zur Deutschen Presse-Agentur sagte er:

«Ich halte die Absage unter der genannten Begründung für einen ganz und gar unsäglichen und zutiefst antisemitischen Vorgang.»

Auch Knobloch fand deutliche Worte für die Absage: «Wer in dieser Lage das historische Echo nicht hört, der stellt sich taub», sagte sie der dpa.

«In so einer Umgebung ist es für mich auch kein Wunder, dass immer mehr jüdische Menschen ihre Zukunft in Europa mit einem dicken Fragezeichen versehen.»
Shani dirigiert das Rotterdam Philharmonic Orchestra.Video: YouTube/Rotterdam Philharmonic Orchestra

Entsetzen in München und Berlin

Das Orchester und die Stadt München reagierten ebenfalls entsetzt auf die Ausladung. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter sagte, er könne «die Entscheidung des Veranstalters in keiner Weise nachvollziehen».

Das Festival betonte, Shani habe sich zwar in der Vergangenheit mehrfach «für Frieden und Versöhnung» ausgesprochen. In Übereinstimmung mit dem Aufruf des Kulturministers, des Stadtrats von Gent und des Kultursektors in Gent habe man sich aber entschieden, nicht mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich nicht eindeutig von «diesem Regime» distanziert haben.

«Aufgrund der Unmenschlichkeit der aktuellen Situation und der emotionalen Reaktionen auch in unserer Gesellschaft wollen wir das Konzert nicht stattfinden lassen», schreibt das Festival auf seiner Homepage.

«Wir haben uns entschieden, die Ruhe unseres Festivals zu wahren und das Konzerterlebnis für Besucher und Musiker zu schützen.»

In dem seit 2023 andauernden Gaza-Krieg mit einer hohen Zahl an zivilen Opfern weisen Israel und auch die deutsche Regierung den Genozid-Vorwurf, also den Vorwurf des Völkermordes, zurück.

Auslöser des Gaza-Krieges war der Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt worden waren, darunter auch Kinder. Israel spricht von Selbstverteidigung nach dem Terrorangriff.

«Rote Linie überschritten»

Für Kulturstaatsminister Weimer ist mit der Ausladung Shanis eine Grenze überschritten:

«Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik wird hier ein Kultur-Boykott betrieben. Das ist blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur. Wenn es akzeptabel wird, deutsche Orchester und jüdische Künstler kollektiv auszuladen, ist eine rote Linie überschritten.»

Europäische Bühnen dürfen nicht zu Orten werden, an denen Antisemiten den Spielplan diktieren. Das wird Deutschland nicht hinnehmen – wir werden das Thema auch in die europäische Kulturpolitik tragen.»​

Shani soll Nachfolger von Gergijew werden

Der 36 Jahre alte Shani ist seit 2020 als Nachfolger von Zubin Mehta Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra. Im Februar 2023 ernannten die Münchner Philharmoniker ihn zu ihrem neuen Chefdirigenten, sein Amt soll er im September 2026 antreten.

Shani wird damit Nachfolger des Russen Waleri Gergijew. Dieser war rausgeworfen worden, weil er sich aus Sicht des Münchner Stadtrats nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht hinreichend von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, als dessen Freund er gilt, distanziert hatte. (rbu/sda/dpa)

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82 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FACTS
11.09.2025 18:32registriert April 2020
"Sie ist aber vor drei Jahren demokratisch gewählt worden."

Also in meinen Augen macht dies die Sache eher schlimmer, weil es aufzeigt, dass eine Mehrheit der Israelis hinter den Kriegsverbrechern steht, die sie selbst gewählt haben.
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Steibocktschingg
11.09.2025 19:11registriert Januar 2018
Kann jemand erklären was dieser Dirigent für die Verbrechen der israelischen Regierung und wohl auch Armee kann? Nein?

Wie wäre es dann mit so peinlichen und potentiell rein antisemitischen Aktionen aufzuhören? Es gibt genug zu kritisieren an Netanjahu und seiner Band und auch strafrechtlich zu verfolgen, da muss man nicht noch wild auf Unschuldige einprügeln.
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Sakara
11.09.2025 20:28registriert Mai 2024
Er wurde eben nicht ausgeladen weil er Jude ist, er wurde ausgeladen, weil er sich als israelisches Aushängeschild nicht öffentlich von der Verbrechen seiner Regierung distanziert. Man kann das falsch finden, aber es ist nicht antisemitisch. Mit der gleichen Begründung wurden gerade in Deutschland viele russische Künstler gecancelt.

"Shani wird damit Nachfolger des Russen Waleri Gergijew. Dieser war rausgeworfen worden, weil er sich aus Sicht des Münchner Stadtrats nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht hinreichend von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, ..., distanziert hatte. "
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