In der autoritär geführten und ölreichen Südkaukasusrepublik Aserbaidschan haben die Menschen unter dem Eindruck der Rückeroberung der Konfliktregion Berg-Karabach bei einer vorgezogenen Präsidentenwahl abgestimmt. Es galt als sicher, dass der 62 Jahre alte Machthaber Ilham Aliyev, der das Amt in dem Land am Kaspischen Meer im Jahr 2003 von seinem Vater übernahm, sich auch nach Abstimmung am Mittwoch erneut zum Sieger erklären lassen wird. Menschenrechtler beklagten Manipulationsversuche und Repressionen. Aliyevs sechs Gegenkandidaten sind Beobachtern zufolge keine echten Rivalen. Die beiden grössten Oppositionsparteien boykottieren die als unfair kritisierte Wahl.
Menschenrechtler kritisieren zudem eine kürzliche Verhaftungswelle in dem Land am Kaspischen Meer, das insbesondere seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine für die EU zu einem wichtigen Gas- und Öllieferanten geworden ist. Aserbaidschan ist in diesem Jahr auch Gastgeber der Weltklimakonferenz COP29.
Die mehr als 6500 Wahllokale in Aserbaidschan hatten von 8.00 Uhr (5.00 Uhr MEZ) bis 19.00 Uhr (16.00 Uhr MEZ) geöffnet. Aufgerufen zum Urnengang waren mehr als sechs Millionen Menschen. Im Zentrum der Hauptstadt Baku bildeten sich bei sonnigem Winterwetter teils lange Schlangen vor den Wahllokalen. Kritische Beobachter verweisen allerdings darauf, dass gerade Angestellte des öffentlichen Dienstes häufig zum Urnengang gedrängt würden, um eine hohe Wahlbeteiligung zu sichern. Passanten in der Stadt erzählen oft, dass sie keinen Sinn darin sähen, ihre Stimme abzugeben.
Wahlbeobachter und Nationalrat Nik Gugger (EVP/ZH) darf weiterhin nicht zu den Wahlen nach Aserbaidschan einreisen. Der Botschafter des Kaukasus-Landes in der Schweiz habe die Einreise für ihn nicht regeln können, teilte Gugger am Mittwoch auf Anfrage mit.
Somit konnte Gugger auch am Mittwoch nicht in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku einreisen. Sein Angebot, über die Auswertung der Wahlresultate am Freitag vor Ort zu berichten, stehe aber weiterhin, sagte Gugger der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Gugger war am Wochenende als offizieller und akkreditierter Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) nach Aserbaidschan gereist und hätte über die am Mittwoch stattfindenden, vorgezogenen Präsidentschaftswahlen berichten sollen. Die Urnen sollen am Mittwoch um 16.00 Uhr (MEZ) schliessen.
Gugger wurde, kaum war er in der Hauptstadt Baku gelandet, am Diplomateneingang von der Polizei gestoppt. Diese habe seinen Pass beschlagnahmt und ihm die Einreise verweigert. Andere OSZE-Beobachter seien problemlos durchgelassen worden, auch die Schweizer Delegation.
Die Polizisten hielten den Nationalrat demnach knapp drei Stunden am Flughafen Baku fest und setzten ihn dann in einen Flieger nach Istanbul. Erst in der Türkei habe er seinen Pass zurückbekommen. Am vergangenen Samstag kehrte er in die Schweiz zurück.
Das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hatte wegen der Angelegenheit am vergangenen Montag in Bern den aserbaidschanischen Botschafter einberufen. Bei dieser Gelegenheit habe das EDA das Missfallen der Schweiz bezüglich der inakzeptablen Behandlung von Gugger zum Ausdruck gebracht, teilte das Departement mit.
Gugger ging am vergangenen Sonntag davon aus, dass das Ganze mit seiner Tätigkeit als Europarat zu tun hat, wie er auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Das habe sich am Montag im Gespräch mit dem aserbaidschanischen Botschafter bestätigt.
Zur Wahl aufgerufen waren zudem Bewohner der Konfliktregion Karabach, die Aserbaidschan in den Jahren 2020 und 2023 zurückeroberte. Auch Aliyev selbst gab seine Stimme Medien zufolge in einem Wahllokal in Berg-Karabachs Hauptstadt ab, die von den früheren armenischen Bewohnern Stepanakert genannt wurde und auf Aserbaidschanisch nun Khankendi heisst.
Offiziell hat Aliyev das Vorziehen der Präsidentenwahl damit erklärt, dass die territoriale Integrität Aserbaidschans wiederhergestellt sei und das Staatsoberhaupt deshalb jetzt eine neue Legitimation brauche. Politische Beobachter gehen jedoch eher davon, dass der autoritäre Präsident mit dem Karabach-Triumph im Rücken jetzt vor allem schnell seine Macht absichern wolle, bevor die Unzufriedenheit in der Gesellschaft über Probleme wie die hohe soziale Ungleichheit und grassierende Korruption weiter zunehmen.
Aserbaidschan hatte Berg-Karabach im vergangenen Herbst komplett erobert. Die Region liegt zwar auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wurde aber bis dahin mehrheitlich von ethnischen Armeniern bewohnt. Jahrzehntelang war Karabach zwischen den beiden benachbarten Ex-Sowjetrepubliken umkämpft. Durch die Angriffe der aserbaidschanischen Armee flüchteten mehr als 100'000 Karabach-Armenier. Armenien warf Aserbaidschan Vertreibung und «ethnische Säuberung» vor. (rbu/sda/dpa)