Die Grünen wollen an diesem Samstag bei einem Parteitag (11.00 Uhr) den weiteren Kurs in den Beratungen über eine Regierungsbildung für Deutschland erörtern. Mit den Gesprächen sollen die etwa 100 Delegierten in Berlin die zehnköpfige engere Sondierungsgruppe um die beiden Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck betrauen. Der Parteitag soll ferner das 14 weitere Grüne umfassende, erweiterte Sondierungsteam einsetzen. Nach Friedrich Merz meldete sich derweil mit Norbert Röttgen der zweite prominente CDU-Politiker mit Kritik zu Wort, unter anderem an der Besetzung des sogenannten «Zukunftsteams» des Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet.
Die engeren Sondierungsteams von Grünen und FDP hatten bereits am Freitag über eine gemeinsame Beteiligung an der neuen Bundesregierung beraten. Anschliessend demonstrierten Vertreter beider Parteien Einigkeit. Am Wochenende stehen für sie Gespräche mit der SPD, stärkste Kraft nach der Bundestagswahl vom vergangenen Sonntag, und der zweitplatzierten Union an. Diese streben jeweils ein Bündnis mit Grünen und FDP an – also entweder eine sogenannte Ampelkoalition unter Führung der SPD oder ein sogenanntes Jamaika-Bündnis unter Führung der Union. Die Grünen waren bei der Abstimmung drittstärkste Kraft geworden, die FDP landete auf Platz vier. Neben der SPD hatten auch die beiden letzteren an Zustimmung gewonnen.
«Wir leiten aus dem Wahlergebnis einen klaren Auftrag ab, Verantwortung für die Gestaltung des Landes zu übernehmen und eine progressive Regierung zu bilden», heisst es im Leitantrag des Grünen-Bundesvorstands zum Parteitag. «Ein Weiter-so können wir nicht zulassen. Die nächste Bundesregierung muss eine Klimaregierung sein.»
FDP-Chef Christian Lindner hatte am Freitag nach dem Treffen mit den Grünen-Sondierern gesagt: «Wir fühlen uns gemeinsam beauftragt, in Deutschland einen neuen Aufbruch zu organisieren.» Zu Inhalten äusserten sich beide Seiten nach dem Treffen nicht konkret. Lindner sagte allerdings, dass es in den Bereichen Klimaschutz und Finanzen «zweifelsohne Unterschiede» gebe. In den Gesprächen gehe es nun darum, «wie das gemeinsam Trennende überwunden werden kann, welche Brücken gebaut werden können».
Die Gespräche über eine Regierungsbildung gehen am Wochenende weiter: Am Sonntag wollen erst SPD und FDP miteinander sprechen, dann SPD und Grüne. Die Union hat sich für Sonntagabend mit der FDP und für kommenden Dienstag mit den Grünen zu Sondierungsgesprächen verabredet.
Vor dem Beginn ihrer Gespräche betonte die SPD ihren Willen zu zügigen Resultaten. «Ich glaube, es kann gelingen, schnell zu guten Ergebnissen zu kommen», sagte Fraktionschef Rolf Mützenich der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er gehe mit Zuversicht in die Gespräche. «Wir werden uns alle auf Augenhöhe begegnen», sagte er. «Deutschland braucht jetzt Fortschritt.» Mützenich ist im sechsköpfigen Verhandlungsteam um Kanzlerkandidat Olaf Scholz dabei.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) mahnte derweil Geschlossenheit in der Union an. «Rund ein Viertel der Menschen im Land haben uns gewählt. Sie erwarten zu Recht, dass wir das in uns gesetzte Vertrauen rechtfertigen», sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). «Von Ränkespielen hat am Ende niemand etwas.»
Der CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz war zuvor in den Funke-Zeitungen hart mit seiner Partei ins Gericht gegangen. Er hielt ihr unter anderem vor, denkfaul geworden zu sein. Die «Bild» berichtete zudem, er halte sich unter bestimmten Bedingungen eine erneute Kandidatur für den Vorsitz seiner Partei offen. Merz war Laschet im Rennen um den CDU-Vorsitz unterlegen.
Im «Tagesspiegel» legte nun der Aussenexperte Norbert Röttgen nach. Er kritisierte unter anderem Laschets Auswahl für dessen sogenanntes «Zukunftsteam» und inhaltliche Schwächen im Unionswahlkampf. Röttgen mahnte eine umfassende Aufarbeitung der Wahlniederlage an, gleich ob die Union eine neue Regierung anführt oder in die Opposition geht.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstag): Sei die Frage der Regierungskoalition entschieden und die Union müsse in die Opposition, dann sei die Situation eine andere. «Dann – und da sind sich alle einig – kommt alles auf den Prüfstand.» Aber diese Reihenfolge müsse eingehalten werden. (sda/dpa)