Die Fallzahlen in China sind derzeit am Explodieren. Am Donnerstag meldete die nationale Gesundheitsbehörde 31'444 Fälle für den vorangehenden Tag. Damit wurde der Fallzahlenrekord vom April geknackt – damals wurden 29'411 Fälle registriert. Nachdem die Kurve durch knallharte Massnahmen bis Ende Mai abgeflacht war, begann sie Ende Oktober wieder zu steigen.
Besonders betroffen sind die Städte Guangzhou und Chongqing. Im Versuch, den Ausbruch einzudämmen, verhängte die südchinesische Metropole Guangzhou einen Lockdown über den grössten Stadtbezirk Baiyun. Die 3,7 Millionen Bewohner durften ihre Wohnungen nur noch nach Vorlage eines negativen Coronatests verlassen. Auch wurde der öffentliche Nahverkehr ausgesetzt. Die Massnahmen sollten zunächst bis Freitag andauern.
Am 11. November führte die chinesische Regierung eigentlich eine etwas lockerere Covid-Politik ein. Dabei sollen die Massnahmen gezielter eingesetzt werden und für Wirtschaft und Gesellschaft weniger einschneidend sein. Gleichzeitig wurden die lokalen Regierungen dazu aufgerufen, die Impfungen voranzutreiben und die Krankenhäuser auf Covid-Kranke vorzubereiten. In China ist nämlich lediglich die Hälfte aller Menschen über 80 Jahren doppelt geimpft. Davon haben nur 20 Prozent eine Boosterimpfung erhalten.
Mit der leichten Lockerung der Coronamassnahmen sind die Zahlen aber wenig überraschend weiter angestiegen. Die Dunkelziffer dürfte dabei gross sein, da im Zuge der Lockerung auch die Coronatests zurückgefahren wurden. Für die Regierung eine beunruhigende Entwicklung, weshalb sie in einigen Regionen – wie Guangzhou – nun doch wieder zu strengeren Massnahmen gegriffen hat.
Die Metropole Shanghai kündigte demnach an, dass Reisende, die in die Stadt kommen, für fünf Tage nicht in Restaurants oder Geschäfte dürfen. Die Mega-Metropole Chongqing lässt ihre rund 30 Millionen Einwohner nur noch in dringenden Fällen und mit einem negativen Coronatest ausreisen. Es entwickelt sich ein Flickenteppich – die Corona-Lage im Land wirkt zunehmend unübersichtlich.
Peking kündigte zwar mit seinem jüngsten Massnahmenpaket an, die Impfkampagne vorantreiben zu wollen. Auch soll ein Vorrat von Corona-Medikamenten angelegt werden und es sollen zusätzliche Fieberkliniken zur Behandlung von Patienten entstehen. Doch von heute auf morgen lässt sich das eben nicht alles umsetzen.
Derzeit sind insgesamt 48 Städte von irgendeiner Form von Lockdown betroffen, was fast ein Fünftel der gesamten Wirtschaftsleistung Chinas betrifft, berichtet Bloomberg.
Die Märkte spekulierten seit Wochen darüber, wann China sich wohl von seiner strikten Null-Covid-Politik abkehren würde. Mit dem erneuten Anstieg der Coronazahlen dürfte dieses Szenario nun aber länger auf sich warten lassen. Analysten von Capital Economics zeichnen ein düsteres Bild: «Die nächsten Wochen könnten in China die schlimmsten seit den ersten Wochen der Pandemie sein, sowohl für die Wirtschaft als auch für das Gesundheitssystem». Die strikten Coronamassnahmen haben in der chinesischen Wirtschaft tiefe Spuren hinterlassen – auch mit Auswirkungen auf den globalen Handel.
In den vergangenen Monaten kam es in diversen chinesischen Städten zum Lockdown. Darunter auch in Shenzhen – einer Stadt mit 17,5 Millionen Einwohnern, welche das Zentrum des chinesischen Technologiesektors darstellt. Auch Shanghai, das Finanzzentrum Chinas, war von einem langen Lockdown betroffen. Dabei wurden Fabriken und Häfen für längere Zeit geschlossen, was sich auf die Produktion und Lieferung von Waren ausgewirkt hat.
Aktuell betroffen von einem Produktionsstopp ist auch eine der grössten iPhone-Fabriken. Die Anlage in Zhengzhou wurde wegen eines Coronaausbruchs abgeriegelt, weshalb nun ein weltweiter iPhone-Mangel drohen könnte. Über 200'000 Personen arbeiten dort und ein Grossteil lebt auch auf dem Gelände. In die Schlagzeilen geriet die Fabrik am Mittwoch aufgrund eines seltenen Protestes der Mitarbeitenden.
Diese gingen auf die Strasse, um gegen harte Coronabeschränkungen und schlechte Bezahlung zu protestieren. Dabei kam es zu gewaltsamen Scharmützeln mit Polizeibeamten, welche die Proteste in weissen Schutzanzügen eindämmen wollten.
Foxconn entschuldigte sich nun für einen «technischen Fehler» im Computersystem der Gehaltsbuchhaltung. Man werde künftig dafür sorgen, «dass die tatsächliche Bezahlung der vereinbarten entspricht». Im Gegensatz dazu reagierten die Behörden auf die Proteste keineswegs mit Lockerungen. Im Gegenteil: Seit Donnerstag steckt nun auch ganz Zhengzhou mit seinen rund 10 Millionen Einwohnern im Lockdown.
Ob China nun die steigenden Fallzahlen akzeptiert oder zu den bewährten Kontrollmassnahmen zurückkehrt, wird sich zeigen. (Ergänzt mit Material der sda)
Chinas rigide Politik war von Beginn weg zum Scheitern verurteilt und könnte (hoffentlich) auch Einfluss auf das zukünftige Wirtschaftswachstum haben. Diverse Konzerne reduzieren die Präsenz in China und ziehen nach Indien, Indonesien oder auch Vietnam - was ich voll unterstütze!