Der Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi hat die Spannungen um die Insel Taiwan angeheizt. Seit der Ankunft der Spitzenpolitikerin hat China nicht nur mit wirtschaftlichen, sondern auch mit militärischen Massnahmen reagiert. Was ist der Sinn dahinter? Das sind die wichtigsten Punkte.
China hat angekündigt, die Übungen an sechs verschiedenen Orten rund um Taiwan durchzuführen. Damit ist die Insel quasi eingekesselt. Bei den Manövern wird auch die von Taiwan gezogene Mittellinie in dem Meeresweg überschritten. Diese «höre auf zu existieren», schrieben die chinesischen Staatsmedien dazu. Gemäss der «Global Times» wird zudem erwartet, dass China Raketen über Taiwan abfeuern könnte.
China’s military has said it would conduct a series of live-fire drills circling Taiwan beginning on Thursday, a day after Speaker Nancy Pelosi departs.
— The New York Times (@nytimes) August 3, 2022
Here's a look at where China plans military exercises.https://t.co/nE3meIiydo pic.twitter.com/eDnYYmmyTZ
Konkret werden bei vor Taiwan derzeit Schiessübungen und Raketentests durchgeführt. Erstere will die Artillerie des Landes auch in der Meerenge der Taiwanstrasse, die das Festland von Taiwan trennt, durchführen. Offizieller Start der Aktion ist am Donnerstag, zu Ende ist sie erst am Sonntag.
Artillery launched from Pingtan Island, Fujian, less than 80 miles from Taiwan. A small show of strength in the massive military offensive China launched today that has Taiwan surrounded by warships, tracking fighter jets and monitoring for missile launches. pic.twitter.com/3KKiWiT5yK
— Debi Edward (@debiedwarditv) August 4, 2022
Die Manöver seien grösser als in der «Raketenkrise» 1995 und 1996, als China zur Einschüchterung auch Raketen im Norden und Süden über Taiwans Hoheitsgewässer geschickt hatte, berichteten chinesische Militärexperten. Schon damals wollte Peking mit dem Anheizen der Spannungen die Unabhängigkeitskräfte in Taiwan abschrecken. Die USA hatten damals zwei Flugzeugträger entsandt.
Die chinesischen Manöver rund um Taiwan zielen nach Angaben in Staatsmedien auf eine See- und Luftblockade der demokratischen Inselrepublik. Auch werde damit eine mögliche militärische Eroberung Taiwans geübt.
Offiziell wird die Übung als «Probe der Operation Wiedervereinigung» bezeichnet. Man wolle damit eine Blockade der Insel, Angriffe von See, Landungen und die Kontrolle des Luftraums proben, gab Gu Zhong, der Vizestabschefs des östlichen Kommandos, zu Protokoll.
Chinesische Staatsmedien sprechen von einer Aktion, durch welche «Taiwan bis Sonntagnachmittag effektiv blockiert» werde. Konkret dürfte dies die Schiffahrt sowie den Flugverkehr beeinflussen. Gemäss chinesischen Angaben soll die Regierung die Militäraktionen bereits am Dienstagabend angekündigt haben, um zivilen Schiffen und Airlines genügend Zeit gegeben werden, die Manövergebiete zu verlassen oder Flugrouten zu ändern.
Wie die Zeitung «South China Morning Post» Experten zitiert, sei dies womöglich nur der Anfang von Massnahmen, welche der Besuch Pelosis zur Folge haben wird. Auch die Taiwan-Expertin Simona Grano erwartet weitere Schritte der chinesischen Regierung. «Die schärfste Reaktion ist aber in den kommenden Wochen zu erwarten», sagt sie gegenüber SRF. Dabei könne es sich um weitere Militärmanöver, aber auch Kommunikationsunterbrechungen, Wirtschaftssanktionen, Handelsaussetzungen und Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen oder sogar die Blockade von Taiwans Häfen handeln.
Davon ist derzeit nicht auszugehen. Die meisten Expertinnen und Experten sind der Ansicht, dass es vorerst bei den Übungen bleiben wird. «Wenn es zu einem Angriff von China auf Taiwan kommt, wird das meines Erachtens erst nach dem Parteikongress im Herbst sein», so Simona Grano gegenüber SRF. So habe Staatspräsident Xi Jinping derzeit vor allem Interesse daran, die Lage im Land ruhig zu halten – zuletzt hatte China mit der Null-Covid-Politik schwere Zeiten durchgemacht.
Ähnlich sehen auch Mitglieder der US-Behörden die Situation gegenüber der «New York Times». Man gehe nicht davon aus, dass China Taiwan vom Rest der Welt abschneiden wolle – auch hier wird die wirtschaftlich problematische Lage als Grund angegeben. Dennoch ist man in den USA etwas besorgt, dass die Übung zu einer Konfrontation zwischen China und Taiwan sorgen könne – vor allem dann, wenn tatsächlich Raketen abgefeuert werden.
Nancy Pelosi war am Dienstag nach Taiwan gereist und hatte bei ihrem Treffen mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen am Vortag hatte die US-Spitzenpolitikerin Pelosi auch die Unterstützung der USA zugesagt. «Wir bleiben eisern in unserem Einsatz zur Verteidigung der Demokratie in der Welt und in Taiwan.» Der Besuch ihrer Kongress-Delegation zeige, «dass wir unsere Verpflichtungen gegenüber Taiwan nicht aufgeben werden».
Der Besuch der US-Spitzenpolitikerin, die ihre Asienreise am Donnerstag in Südkorea fortsetzte, hatte die Spannungen um Taiwan angeheizt. Es war die ranghöchste Visite aus den USA seit einem Vierteljahrhundert. Peking reagierte empört, da es die Insel für sich beansprucht. Taiwan wird von der kommunistischen Führung nur als Teil der Volksrepublik angesehen. Peking lehnt offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh strikt ab und hatte vehement vor dem Besuch gewarnt. Taiwan versteht sich hingegen schon längst als unabhängig.
Eine Auseinandersetzung könnte die USA militärisch in den Konflikt ziehen. Experten warnten in der gegenwärtigen Lage auch vor gefährlichen Zwischenfällen durch Fehlkalkulationen der Streitkräfte auf beiden Seiten. Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was bisher meist die Lieferung von Waffen bedeutete. US-Präsident Joe Biden hatte aber wiederholt gesagt, die USA hätten eine Verpflichtung, Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs zu verteidigen.
(dab/sda)