Chinesische Influencer generieren im E-Commerce Milliardenumsätze. In der Pandemie hat die Industrie weiter an Schwung gewonnen. Doch der kommunistischen Partei Chinas ist die Influencer-Ökonomie ein Dorn im Auge.
Die Regierung knöpft sich mittlerweile in regelmässigen Abständen die Internetstars vor. Wer seine Einnahmen nicht oder falsch deklariert, wird hart bestraft. Dies zeigt der Fall der Influencerin Huang Wei, die erst kürzlich zu einer himmelhohen Geldstrafe verurteilt wurde.
Kritiker sehen in dem Vorgehen vor allem eine «Säuberungskampagne» durch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, der die «grosse Erneuerung der chinesischen Nation» verfolgt. Da ist die wachsende Unterhaltungsbranche der kommunistischen Partei ein Dorn im Auge. Die Disziplinarkommission der Partei beklagte bereits früher eine «chaotische Fan-Kultur», Fehlverhalten von Promis und «negative Nachrichten» aus der Welt der Stars und Sternchen. Die Disziplinarkommission erliess sogar einen Zehn-Punkte-Plan gegen das «Chaos».
Huang Wei hat dies in Form einer Rekordstrafe zu spüren bekommen. Es ist aber nicht die erste drakonische Busse, die gegen eine berühmte Persönlichkeit in China ausgesprochen wurde – und eine steile Karriere jäh beendete.
Von Nudeln über Kosmetikprodukte bis hin zu einem Raketenstart: Huang Wei ist dafür bekannt, dass sie online alles Mögliche verkaufen kann. Der Raketenstart brachte ihr 40 Millionen Yuan (umgerechnet rund 6 Millionen Franken) ein. Dazu gehörte eine Trägerrakete, ein Handbuch und das Recht, die Rakete vor dem Start zu dekorieren.
Eine beachtliche Summer. Doch China hat die grösste Live-Streaming-Industrie der Welt. Produkte aller Art werden von mehr als 400 Millionen Vloggern in Echtzeit bereitgestellt. In der Pandemie hat die Industrie weiter an Schwung gewonnen. Die Umsätze sollen gemäss Schätzungen in diesem Jahr auf 1,2 Billionen Yuan (172 Milliarden Schweizer Franken) klettern. Noch vor der Pandemie waren es erst 19 Millionen Yuan.
Zu einer dieser vielen Vloggern gehört die Mitte-30-jährige Huang Wei, die online vor allem unter dem Namen Viya bekannt war. Über 80 Millionen Menschen erreichte sie über ihren Kanal auf der Online-Shopping-Plattform Taobao. Ihre Bekanntheit brachte ihr den Namen Livestream-Königin ein. 2021 wurde sie vom Time Magazine in die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres aufgenommen.
Doch Viyas Karriere scheint nun zu Ende zu sein. #ViyaCompletelyBlockedOnline wünscht sich die Gemeinschaft des Twitter-ähnlichen Mikroblogdiensts Weibo in China. Die Accounts der Livestreamerin sind aus den chinesischen Online-Netzwerken verschwunden.
Der Grund? Die Chinesin war in eine Art Razzia verwickelt, die sich gegen Tech-Monopole richtet und Personen des öffentlichen Lebens ins Visier nimmt. Dabei kam heraus, dass Huang Wei umgerechnet 93 Millionen Schweizer Franken hinterzogen haben soll, indem sie ihr Einkommen verschwiegen oder falsch deklariert habe. Huang Wei muss nun eine Geldstrafe von umgerechnet 194 Millionen Franken zahlen. Es ist die höchste Strafe, die chinesische Behörden jemals gegen einen Internetstar verhängt haben.
Die Livestreamerin, die während kurzer Zeit gigantische Umsätze erzielte, hat sich öffentlich entschuldigt. «Ich akzeptiere die von den Steuerbehörden verhängte Strafe voll und ganz», schrieb die 35-Jährige auf ihrem Weibo-Account, bevor er gesperrt wurde.
Ihre Karriere begann früh. Im Alter von acht Jahren spielte Zheng Shuang in einer chinesischen Fernsehserie mit. Die Drama-Serie war in China ein grosser Erfolg und verhalf Zheng zu sofortigem Ruhm. Als jüngste Schauspielerin wurde sie für ihre Rolle bei den «China TV Golden Eagle» als beste Schauspielerin nominiert. 2017 landete die Schauspielerin auf der Forbes-Liste der 30 einflussreichsten Personen Asiens unter 30.
Auf den steilen Aufstieg folgte der tiefe Fall. Gleich zwei Skandale beerdigten den guten Ruf der Schauspielerin und machten sie in China zur Persona non grata.
Beim ersten Skandal hatte die 30-Jährige gegen die chinesischen Moralvorstellungen verstossen. Mit ihrem damaligen Freund liess sie in den USA zwei Kinder von zwei Leihmüttern austragen. Als die Mütter schwanger waren, trennte sich das Paar. Ihr Ex-Freund blieb in den USA, um sich um die Babys zu kümmern. Shuang reiste zurück nach China.
Daraufhin wurde den Medien eine Aufzeichnung eines abgehörten Telefonats zugespielt, in dem das Paar über die Abtreibung sowie die Adoption der Kinder diskutierte. Für eine Abtreibung war es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät.
Nach Veröffentlichung des Gesprächs wurde die Schauspielerin sowohl von ihren Fans und Sponsoren als auch von der Regierung aufs Schärfste kritisiert. Praktisch über Nacht wurden jegliche Sponsorenverträge aufgelöst und ihre Filmpreise aberkannt.
«Leihmutterschaft ist in China verboten, weil dabei die Gebärmutter einer Frau als Instrument benutzt wird und Leben als kommerzielles Produkt verkauft wird», teilte die kommunistische Partei Chinas mit. Leihmutterschaften sind in China gesetzlich nicht offiziell verboten, aber aufgrund der damaligen Ein-Kind-Politik sehr emotional besetzt. Zu einer Verurteilung kam es bislang nicht.
Im August 2018 folgte jedoch der nächste Skandal. Wegen Steuerhinterziehung musste die Schauspielerin eine Geldstrafe von umgerechnet 40 Millionen Schweizer Franken zahlen.
Man warf ihr vor, Einkünfte aus Fernsehserien nicht deklariert und Steuern hinterzogen zu haben. Ihr Ex-Mann wurde wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu umgerechnet 5 Millionen Schweizer Franken verurteilt.
2015 stand sie auf der Forbes-Liste der bestbezahlten Schauspielerinnen und Sängerinnen an erster Stelle. Auch in international bekannten Filmen wie «X-Men: Zukunft ist Vergangenheit» und «Iron Man 3» wirkte Fan Bingbing mit.
2018 verschwand die Schauspielerin abrupt von der Bildfläche. Zahlreiche Gerüchte breiteten sich aus. Erst rund drei Monate später tauchte Bingbing wieder auf. Die Behörden hatten sie wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung unter eine Art Hausarrest gestellt.
Nach ihrer Rückkehr gestand die Schauspielerin, Steuern hinterzogen zu haben, indem sie nur einen Teil ihrer Honorare deklariert habe. Bingbing akzeptierte die Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 126 Millionen Franken. Seither ist es still um sie geworden. Auch über die Tatsache, dass Bingbing gegen ihren Willen festgehalten wurde, wurde in China kaum diskutiert.
Da stellt sich dann einfach die Frage, ob man als Beschuldigter nicht ohnehin zu allem Ja und Amen sagt, wenn die Sanktion rein finanziell bleibt bzw. ein Deal möglich ist. Ungeachtet davon, was man tatsächlich gemacht hat.