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QAnon-Anhänger in Kanada wollten Polizisten festnehmen

QAnon-Anhänger in Kanada wollten Polizisten festnehmen – das ging ziemlich schief

Die Anhänger der «Königin» Romana wollten am Samstag Polizisten in Kanada festnehmen. Für dieses Vorhaben versprach ihnen die «Königin» sogar die Unterstützung von einem UFO und Supersoldaten aus dem Kühllager. Doch nichts verlief nach Plan ...
16.08.2022, 16:1817.08.2022, 08:47
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Die Vorbereitung

Peterborough war am Wochenende in Aufruhr. Die kleine Stadt im kanadischen Bundesstaat Ontario wurde am Samstag Schauplatz eines denkwürdigen Ereignisses: Eine Gruppe von Menschen versuchte, die Polizei in der Polizeistation festzunehmen. Die Corona-Regelungen seien nicht rechtmässig gewesen, die Impfung habe Menschen getötet und zudem seien die Polizisten pädophil. So lauteten die Vorwürfe in klassischer QAnon-Manier.

Der Plan war während Monaten in Vorbereitung. Die Idee dafür stammte von der selbst-proklamierten Königin Kanadas und QAnon-Anhängerin Romana Didulo. Seit Monaten tourt sie in ihrem Wohnmobil mit der Aufschrift «mobile Regierung» durch Kanada, trifft sich dabei mit ihrer Anhängerschaft und teilt ihre Meinungen auf ihrem Telegram-Kanal, wo ihr fast 70'000 Leute folgen.

Einer ihrer engsten Vertrauten ist Frank Curtin. Sein Ziel war es, im Namen Romanas genug Leute für die Polizei-Festnahmen zu mobilisieren. So stand er vor drei Wochen – mit der Bierdose in der einen, mit dem offenen Regenschirm in der anderen Hand – vor die Anhängerschaft und berichtete von dem Plan:

«Wenn wir 1000 Leute sind, werden wir zur Polizeistation marschieren. Wir werden in die Station laufen, wir werden die Lobby füllen und die Ausgänge blockieren. Wir werden sagen: ‹Ihr werdet festgehalten und das Militär wird kommen, um euch abzuholen.›»​

Die Polizei wisse bereits Bescheid, versichert er den Zuhörenden, denn er habe bereits unzählige Videos dazu aufgenommen.

Wer ist Romana Didulo?
Romana Didulo ist die selbsternannte Königin Kanadas, Oberbefehlshaberin, Staats- und Regierungschefin und Häuptling der Ureinwohner des Königreichs Kanadas – zumindest behauptet sie das.

Des Weiteren soll sie übernatürliche Fähigkeiten besitzen. So könne sie beispielsweise «shapeshiften» – also andere Gestalten annehmen oder sich mithilfe eines Umhangs unsichtbar machen. Dies sei möglich, da sie kein Mensch sei, sondern einer weit entwickelten Alienrasse angehöre: den Arkturianern.

Informationen aus dritter Hand gibt es kaum. Im jungen Alter soll sie von den Philippinen in die USA ausgewandert sein. Ihr Alter wird auf zwischen 50 und 60 Jahre geschätzt. Vor etwa zwei Jahren ist sie als Anhängerin von QAnon in Erscheinung getreten und hat sich in Kanada während der Corona-Pandemie eine Anhängerschaft aufgebaut.

Einen Tag vor dem Ereignis wendet sich «Königin» Romana nochmals per Telegram an ihre Anhängerschaft:

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«An die ‹Wir, die Menschen› des Königreichs Kanadas.

Wer geht morgen um 13:00 Uhr an die Peterborough Ontario FRIEDLICHE Jedermann-Festnahme im Confederation Park?»

Bei einer Jedermann-Festnahme (civilian's arrest) handelt es sich um eine Festnahme durch eine nicht befugte Person. In den USA ist diese rechtlich auch dann gestattet, wenn das Verbrechen nicht in der Präsenz der unbefugten Person stattgefunden hat. In Kanada ist dies hingegen etwas anders geregelt: Dort muss eine Person auf frischer Tat ertappt werden oder muss zumindest «in einer angemessenen Zeitspanne nach Begehung der Straftat» festgenommen werden.

Die Königin kommt zu Besuch

Die Aufregung ist gross, als am Tag X plötzlich auch Romana mit Wohnmobil und ihrer 12-köpfigen Entourage auftaucht. Frank ist ganz aus dem Häuschen. Er habe es fast nicht mehr ausgehalten, als er das Wohnmobil in den Parkplatz einfahren gesehen habe. Seine Intuition habe schon den ganzen Morgen verrückt gespielt.

Mehr oder weniger unbeeindruckt erklärt Romana daraufhin, dass sie einen Livestream beginnen wird, um alle wissen zu lassen, dass sie hier sei. Weiter informiert sie über den Grund ihrer Anwesenheit:

«Ich bin hier als die Königin und Oberbefehlshaberin, um alle jeglichen Entwicklungen zu beobachten und um sicherzustellen, dass alles gerecht vonstattengeht und dass alle Festgenommenen mit Würde, Respekt und Ehre behandelt werden.»

Für den Anlass habe sie auch bereits Unterstützung angefordert. Und zwar von niemand Geringerem als dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte der USA:

«Ich habe dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Vereinigten Staaten vor zwei Tagen eine Nachricht zukommen lassen, um Unterstützung anzufordern. Nur um sicher zu sein.»

Ein störender Eindringling

Vor dem Einsatz will Frank eine letzte motivierende Rede halten. Diese wird allerdings von einem Eindringling mit oranger Gesichtsmaske gestört.

Schon bevor Frank zur Rede ansetzen kann, hört man aus dem Hintergrund dessen Ausrufe: «Heil, Satan!», «Impfungen retten Leben!». Frank fährt unbeirrt fort und wiederholt die Anschuldigungen gegen die «Pädo-Polizei», welche für den Völkermord durch Impfungen verantwortlich sei. Nach der Festnahme der Polizisten würden diese den Streitkräften der USA, dem kanadischen und dem globalen Militär übergeben werden.

Zum Schluss ruft er die Anhängerschaft mehrmals dazu auf, während der Festnahmen leise zu bleiben:

«Wir werden nach drüben marschieren und ich bitte euch, so leise wie möglich zu sein.»

An dieser Stelle ein kleiner Spoiler der später folgenden Entwicklungen:

Die verschlossene Tür

Die Gruppe macht sich schliesslich in freudiger Erregung auf den Weg. Gross ist entsprechend die Ernüchterung, als sie bei ihrer Ankunft feststellen, dass die Tür zum Polizeipräsidium verschlossen ist.

Sie beginnen, an die Tür zu klopfen und fordern die Polizei per Megafon dazu auf, das Gebäude zu verlassen. Als das aber auch nicht zu funktionieren scheint, wählen sie die Notrufnummer 911 und versuchen, die Polizei auf diesem Weg zu erreichen. Schliesslich setzt sich die Anhängerschaft auf den Boden und wartet in der Hoffnung, dass irgendwann eine Person aus dem Präsidium tritt. Stundenlang passiert nichts, während sich auch im Telegram-Kanal langsam Enttäuschung breit macht.

Schliesslich fährt Romana mit ihrem Wohnmobil vor das Gebäude, steigt aus und versorgt ihre geduldige Anhängerschaft mit Snacks. Nein, nicht irgendwelche Snacks, sondern Tomaten, Gurken und ... Dosen-Sardinen. Die Anwesenden reagieren mit freudigen Ausrufen («Danke für Ihre Grosszügigkeit!») und Applaus – bis ihr jemand die Sardinen abnimmt, verstreichen allerdings einige Sekunden.

Die versuchte Festnahme

Irgendwann machen sich die Leute auf die Suche nach anderen Eingängen. Dabei begeben sie sich eine gesperrte Zone, wo sich die Parkplätze der Polizei befinden. Dort treffen sie schliesslich auf ein Auto, hinter dessen Steuer sie einen Polizisten vermuten.

Frank geht auf das Auto zu, wirft einen Blick hinein und winkt enttäuscht ab:

«Das sind keine Polizisten, das sind Frauen.»

«Sorry, ich dachte, Sie seien jemand anders», sagte er entschuldigend zu den zwei Frauen im Auto. Er läuft zu den anderen Anhängern zurück, die ihn darauf hinweisen, dass das womöglich schon Polizistinnen seien. Frank wirkt misstrauisch. Da hilft nur eins: nachfragen. «Arbeiten Sie für die Polizei hier?», fragt er die Frauen im Auto, deren Antwort nicht zu hören ist. Sie schienen aber bejaht zu haben, worauf Frank sie gelassen über ihre Festnahme informiert:

«Wir werden Sie wie den Rest dort drüben verhaften. Ja ... ja ...»

Im Hintergrund schreit einer, dass das kein Scherz sei. Die Frauen im Auto scheinen zu lachen, worauf ein anderer Mann verärgert ruft:

«Sie würden nicht lachen, wenn Sie wüssten, was wir wissen! Sie würden sich in die Hosen machen!»

Dann wird die versuchte Festnahme von einer Frau unterbrochen, die Frank zwei in Alufolie verpackte Sandwiches bringt. Die Polizistinnen im Auto lassen derweil die Scheiben wieder hochfahren, worauf sich Frank wieder zu ihnen umdreht. Zu dritt beginnen sie, auf die Polizistinnen einzureden und ihnen Covid-Verbrechen vorzuwerfen. «Ihr werdet hängen!», schreit einer.

Als sie sich vom Auto entfernen, scheint Frank immer noch nicht überzeugt zu sein, dass es sich bei beiden Frauen um Polizistinnen handelt:

«Ist sie wirklich eine Polizistin? Vielleicht wird sie einfach irgendwo hingefahren.»

Die tatsächliche Festnahme

Wie die Polizei in einer Stellungnahme mitteilt, seien Beamte, die mit ihrer Schicht hatten beginnen wollen, um ca. 16 Uhr von den Demonstrierenden blockiert worden. Zudem hätten diese versucht, sich zu einem gesicherten Eingang der Polizeiwache Zugang zu verschaffen. Daraufhin hätte die Polizei versucht, einen Demonstranten in Gewahrsam zu nehmen, worauf sie von anderen Demonstrierenden umzingelt worden seien.

Schliesslich werden Frank und ein weiterer Mann festgenommen.

Auf Videos ist zu sehen, wie etliche Anhänger mit gezückten Handys herumstehen und die Polizei aggressiv beschimpfen.

Auch Romana verfolgt die Situation, ruft die Menschen im Telegram-Livestream zur Ruhe auf und versichert, dass sie Verstärkung angefordert habe. Sie habe bereits das dreieckige UFO am Himmel gesehen, welches von den Sondereinsatzkräften geschickt worden sei.

Als Beweis leitet sie daraufhin Nachrichten weiter, die sie von den Sondereinsatzkräften erhalten haben soll. So beispielsweise diese:

«Hier spricht Vizeadmiral Darse E. Crandall Junior. Romana, wir hören dich laut und klar. Vertrau dem Plan.»
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Sie teilt sogar das Foto einer Textnachricht, wonach Verstärkung bevorstehend sei.

sms
Bild: telegram

Was sie wohl nicht bedacht hat: Zuoberst in der Textnachricht steht ein entlarvender Link. Er führt zu textem.net – eine Website, von der aus man sich an jede beliebige Nummer Nachrichten schicken kann.

Doch das ist noch nicht alles. Weiter seien 4 gentechnisch modifizierte XR-0001-CRISPR-Supersoldaten aus dem Kühllager geholt worden, welche innerhalb einer Stunde einsatzbereit seien. Zu den Supersoldaten schreibt sie weiter:

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«Gebildet durch die Kreuzung der Y-DNA von weissen Rappern und Filipinos, haben wir die stärkste Rasse geschaffen, welche die Menschheit je gesehen hat. Sie verfügen über eine Lebenskraft und Macht, die es auf dieser Ebene noch nie gegeben hat.»

Sie schickt weitere kryptische Nachrichten, die wohl ihre Korrespondenz mit den Sondereinsatzkräften beweisen sollen. Die Anhängerschaft im Telegram-Kanal versteht nichts davon, doch das stört sie nicht. Im Gegenteil. So schreibt eine Anhängerin: «Wenn das für die wichtigen Leute/Militär Sinn macht, dann sind wir sicher!»

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telegram

Die Enttäuschung

Das ganze Ereignis endet in einer Enttäuschung. Romana und ihre Crew verschwinden schnell aus Peterborough, als die Lage eskaliert. Im Anschluss liegt ihr auch sehr daran, schnell klarzustellen, dass sie bloss anwesend gewesen sei, um die Situation zu beobachten.

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telegram

Das Versagen des Planes sieht sie vor allem in der Tatsache, dass ihre Anhängerschaft – insbesondere auch Frank – nicht ruhig geblieben sei. Anklagend fragt sie auf Telegram:

«Welcher Teil von ‹friedlich und ruhig› war nicht klar gestern?»
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telegram

Auf Telegram ist die Stimmung daraufhin ziemlich ernüchtert und die Anhängerschaft fragt sich, wo denn die angekündigte Unterstützung geblieben sei.

Königin Romana (sie schreibt von sich in der dritten Person) habe klargemacht, dass die Festnahmen friedlich und sicher von den ‹We The People› (ihrer Anhängerschaft) durchgeführt werden müssten. Diese hätten zu Tausenden anwesend sein müssen.

Zudem bräuchten die Sondereinsatzkräfte 24 bis 48 Stunden, um einzutreffen. Bis dahin hätten die festgenommenen Personen vor Ort gehalten werden müssen.

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Ihre Anhängerschaft nimmt das zur Kenntnis und versichert auf Telegram, aus ihren Fehlern zu lernen.

Und was macht «Königin» Romana jetzt? Sie ist weiter in ihrem Wohnmobil in Kanada unterwegs – welches sie sich übrigens von ihrer Anhängerschaft spendieren lässt:

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121 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Saatkrähe
16.08.2022 16:38registriert Oktober 2021
Was habe ich da grade gelesen?
Wo bin ich?
Warum liegt hier Stroh rum?
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Lienat
16.08.2022 16:51registriert November 2017
Man soll ja nicht sagen, dass früher alles besser war. Aber als man solche Spinner noch recht unbürokratisch mit der Zwangsjacke abholen und in die Geschlossene einweisen konnte, hatte das doch durchaus seine Vorteile.
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Bits_and_More
16.08.2022 16:34registriert Oktober 2016
Irgendwie erinnern mich die Fahnen an Mass-Voll. Obwohl, nicht nur die Fahnen.
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