Das Coronavirus hat Florida mit voller Wucht erwischt. Mindestens 56 Intensivstationen in Floridas Spitälern sind voll. Weitere 35 haben noch 10% oder weniger Kapazität, meldet die lokale Gesundheitsbehörde.
Insgesamt 200'000 Personen wurden im 21-Millionen-Staat Florida bereits positiv getestet. In den letzten Tagen kamen teilweise über 10'000 Neuinfektionen dazu. Als ungefähre Einordnung: Das wäre, wie wenn es in der Schweiz 3000 neue Infektionen pro Tag gäbe.
Auch die Todesfälle verzeichnen einen leichten Anstieg – allerdings hinkt diese Kurve bekanntlich einige Tage hinter den Infektionen her. Knapp 3800 Personen sind in Florida an den Folgen von Covid-19 verstorben.
Lange lobte Donald Trump Florida für den lockeren Umgang mit dem neuartigen Coronavirus. Die vergleichsweise wenigen Ansteckungen im April schienen ihm anfangs Recht zu geben.
Dazu kommt die Tatsache, dass sich die republikanische Wählerschaft vorwiegend über den TV-Sender Fox News informiert – was faktisch das Sprachrohr von Präsident Trump ist. Auch dort wurde das Virus lange heruntergespielt. Die Gefahr des Virus und die Auswirkungen, die es auf das Gesundheitssystem haben kann (respektive inzwischen hat), wurden also von vielen Menschen in Florida zu spät erkannt.
Ins gleiche Horn bläst auch der republikanische Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, ein grosser Anhänger von Donald Trump. Wie der Präsident selbst hat auch er das neuartige Coronavirus anfangs verharmlost und die Situation deutlich unterschätzt.
Entsprechend lange hat er sich auch geweigert, eine generelle Ausgangssperre über Florida zu verhängen. Auch eine allfällige Zugangsbeschränkung für Altersheime überliess er den lokalen Bürgermeistern.
Erst anfangs April, als der nationale Druck genug gross wurde, hat er seinen Mitbürgern offiziell empfohlen, nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben. Als einer der letzten Staaten im Land hatte auch Florida ab dem 2. April 2020 einen Lockdown. Bereits anfangs Mai wurden allerdings die ersten Lockerungen verkündet.
Auch in Bezug auf die Maskenpflicht gleicht das Verhalten von DeSantis dem des Präsidenten. Beide sieht man damit sozusagen nie. DeSantis empfiehlt zwar offiziell das Tragen von Masken, setzt sie aber nicht mit einem Obligatorium durch. «Wir werden darauf vertrauen, dass die Leute bezüglich Masken gute Entscheidungen treffen», sagte er an einer Pressekonferenz.
Während Europa Mitte März alle Grenzen schloss und die Leute anwies, zu Hause zu bleiben, startete in Florida eine Party für tausende College-Studenten aus dem ganzen Land. Sie alle reisten für den «Spring Break» an die Strände in Miami und Fort Lauderdale.
Darauf folgte weltweites Kopfschütteln und Experten rechneten in Florida mit einem grossen Corona-Ausbruch.
Doch passiert ist nichts. Warum kam Florida trotz dieser Menschenansammlungen vergleichsweise glimpflich davon? Darüber rätseln Experten teilweise noch immer. Mehrere Gründe – respektive eine Mischung daraus – sind möglich.
Denkbar ist, dass der Zeitpunkt noch relativ früh war. Obwohl das Virus Mitte März in New York bereits für viel Furore sorgte, war Florida noch in einer sehr frühen Phase. Möglicherweise waren also noch zu wenige Leute infiziert, als dass sie eine exponentielle Ausbreitung hätten anstossen können.
Auch in Florida verfolgte man die schwierige Lage zu dieser Zeit in New York. Auswertungen der Handydaten von Menschen aus Florida zeigen, dass viele früh selbstständig reagiert haben und sich in ihrer Mobilität um etwa 50% einschränkten. Im Grossraum Miami ging die Mobilität sogar um 80% zurück.
Eine weitere Erklärung könnte die geografische Lage Floridas sein. Abgesehen von einigen Grossstädten ist der Staat weniger dicht besiedelt. Auch der öffentliche Verkehr ist weniger ausgebaut, die allermeisten bewegen sich mit dem Auto fort.
Gouverneur DeSantis fühlte sich damals in seiner Strategie bestätigt: «Jeder sagte in den Medien, dass es in Florida sein werde wie in New York oder Italien ... und das ist nicht passiert.»
Der glimpfliche Ausgang der «Spring Break»-Veranstaltungen dürfte viele Floridianer zusätzlich verleitet haben, das Virus zu unterschätzen.
Florida ist aufgrund seiner Demografie stark gefährdet. Rund ein Fünftel der Bevölkerung ist über 65 Jahre alt und damit Teil der Risikogruppe.
Das hohe Alter widerspiegelt sich auch in der Statistik: Im April handelte sich bei jedem vierten Todesopfer in Florida um einen Bewohner oder eine Bewohnerin einer Langzeitpflegeeinrichtung. Gegen Ende Juni erwischte das Virus allerdings auch immer mehr Jüngere: Das Medianalter aller Infizierten sank auf 37 Jahre.
Gouverneur Ron DeSantis schiebt die Schuld für das gesenkte Medianalter gerne auf das erhöhte Testvolumen. Der Blick in die Spitäler sagt aber etwas anderes: Deren Auslastung ist deutlich angestiegen. «Unsere Spitäler sind überfüllt und wir sind unterbesetzt, es ist wirklich furchtbar», sagt etwa eine Pflegefachfrau eines lokalen Krankenhauses.
der Anstieg beginnt ja ab Mitte Juni 2020, 2-3 Wochen nach Beginn der Proteste.
(natürlich, die Proteste sind berechtigt und ich verstehe es völlig, aber mit einem Virus im Umlauf eine sehr schwierige Situation)