In der Schweiz sinken die Fallzahlen allmählich. Noch sind sie auf einem trügerischen Niveau und das Tempo etwas gedrosselt, doch insgesamt stimmt die Richtung.
Während die Schweiz die Zahlen der zweiten Welle drückt, werden Spanien und Portugal bereits von der dritten Welle überrollt. Die Zahlen der Neuinfektionen sind rasant angestiegen. Experten sprechen bereits von einem «Weihnachtskater».
Denn klar scheint: Einer der Gründe für die Zunahme ist in den Zusammenkünften an Weihnachten, Silvester und am Dreikönigstag – der in beiden Ländern gross zelebriert wird – zu suchen. Doch auch die neue Virusvariante B.1.1.7 hat vor den beiden Ländern nicht Halt gemacht.
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Während Portugal in der ersten Welle noch oft als Musterland bezeichnet wurde, kämpft das beliebte Ferienland inzwischen mit Rekord-Fallzahlen. Nie zuvor forderte die Corona-Pandemie so viele Todesopfer.
Spanien hingegen wurde bereits von der ersten Welle heftig erfasst – und sie forderte viele Todesopfer. Trotzdem rollte im Jahr 2021 nochmals eine Welle an, und diese ist heftiger als die beiden Wellen im vergangenen Jahr. In Spanien wird bereits von einer dritten Welle gesprochen – und der Höhepunkt sei noch lange nicht erreicht.
Der Blick auf die Statistik der Todesfälle zeigt: Inzwischen sterben in Portugal sogar mehr Menschen als in der tödlichen ersten Welle Spaniens im Frühling 2020.
Seit Beginn des neuen Jahres bewegten sich die Neuinfektionen – ähnlich wie in der Schweiz – stabil auf hohem Niveau. Doch dann ging es plötzlich sehr schnell. Der Grund: B.1.1.7. Der Anteil der Infektionen mit der britischen Virenvariante betrug in der zweiten Januarwoche rund 5 Prozent, in der dritten Januarwoche stieg er bereits auf 20 Prozent. Die portugiesische Gesundheitsministerin Marta Temido befürchtet, dass der Anteil in der Zwischenzeit auf über 60 Prozent angestiegen ist.
Portugal reagierte und ordnete unter anderem die Schliessung der Schulen an. Das kommt nicht von ungefähr, denn portugiesische Newsportale melden, dass vermehrt Kinder mit schweren Covid-Verläufen hospitalisiert werden müssen. Auch wenn Kinder noch immer deutlich weniger häufig betroffen sind als Erwachsene, sei ein Anstieg deutlich erkennbar.
Wegen der britischen Mutation ist die Einreise aus Grossbritannien derzeit eingeschränkt. Nur spanische Staatsangehörige oder in Spanien ansässige Personen dürfen nach Spanien reisen. Wie stark sich die Virusmutation B.1.1.7 bereits ausgebreitet hat, weiss man nicht. Man schätzt, dass die Virusmutation nur maximal fünf Prozent der Fälle ausmacht. Experten warnen jedoch, dass das Schlimmste noch bevorstehe. «Die Auswirkungen des Mutantenvirus werden wir erst im März spüren», sagt Epidemiologe Fernando Simon.
Auch für den Monat Februar sehen die Prognosen der Experten nicht gut aus. Sie befürchten, dass die Zahl der Infektionen im Februar noch mehr ansteigt. «Spanien wächst in Richtung des Höhepunkts der dritten Welle, während in anderen Ländern die Zahlen anfangen zu sinken», sagt Epidemiologe Joan Caylà.
In Portugal läuft das Gesundheitspersonal am Anschlag. Vielerorts müsse man inzwischen eine Triage anwenden, sagt Miguel Guimarães, Chef der portugiesischen Ärztekammer. Wenn es also für zwei Notfallpatienten nur ein Beatmungsgerät oder Bett auf der Intensivstation gibt, müssen die Ärzte entscheiden, wer die besseren Überlebenschancen hat – eine grosse psychische Belastung für die entscheidenden Ärzte.
Inzwischen sind in Portugal sowohl Akut- als auch Intensivpflegebetten Mangelware. Soldaten stellen an mehreren Orten im Land Militärspitäler auf die Beine.
Sowohl die Zahl der Krankenhauspatienten als auch die Zahl der Patienten der Intensivstation hat sich in nur einem Monat verdoppelt. Insgesamt haben 13 der 17 autonomen Regionen die höchste Risikostufe sowohl bei der Hospitalisierung als auch bei der Belegung von Intensivbetten für Coronapatienten erreicht. Das heisst, sie überschreiten 15 Prozent der Krankenhausbetten und 25 Prozent der Betten auf der Intensivstation.
Portugals Regierung wartete lange mit der Verschärfung der Massnahmen – und in dieser Zeit konnte sich das Virus mit hoher Geschwindigkeit ausbreiten. Daran konnte auch die erste Stufe des Lockdowns Mitte Januar nichts ändern.
Anfang dieser Woche wurde der Druck allerdings zu gross und die Schraube wurde erneut angezogen: Homeoffice-Pflicht, Restaurants und Freizeitbetriebe wurden geschlossen. Auch das Verlassen des Wohnortes ohne triftigen Grund ist in Portugal inzwischen verboten.
Obwohl die Regierung versucht hat, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten, musste sie auch hier Massnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie treffen. Alle Kinder wurden in die Ferien geschickt, der Schulstoff soll später in regulären Schulferien nachgeholt werden. Grund für den Strategiewechsel war unter anderem das Resultat der flächendeckenden Tests unter Schulkindern, das auf sehr viele Infektionen hinwies.
In Spanien gilt bis zum 9. Mai ein landesweiter Alarmzustand. Dieser ermöglicht den Zentralregierungen, jederzeit schärfere Massnahmen oder Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Bewegungsfreiheit zu beschliessen. Gewisse Regionen können teilweise ganz abgeriegelt werden. Derzeit sind die allgemeinen Massnahmen verglichen mit der Schweiz aber eher lasch.
Grundsätzlich dürfen die Hotels, Restaurants und Bars geöffnet bleiben. In allen autonomen Regionen gilt jedoch eine nächtliche Ausgangssperre, die kann je nach Ortschaft sehr variieren. In den meisten Fällen gilt sie ab 22.00 bis 06.00 Uhr. Geschäfte und Fitnesszentren dürfen grundsätzlich ebenfalls offen haben. Auch dies kann je nach Region unterschiedlich gehandhabt werden. In Katalonien beispielsweise dürfen am Wochenende nur die Geschäfte für den täglichen Gebrauch öffnen.
Die Personenbeschränkungen sind je nach Region anders geregelt. Mehrheitlich ist es wie in der Schweiz: Nicht mehr als fünf Personen aus zwei Haushalten. Die Schulen und Universitäten sind offen. Während des Unterrichts gilt eine Maskenpflicht. Wenn es einen positiven Fall in der Klasse gibt, muss die ganze Klasse samt Lehrperson für 10 Tage in Quarantäne.
In den Innen- sowie in Aussenräumen gilt eine Maskenpflicht. Homeoffice gilt lediglich als Empfehlung. Viele Geschäfte haben sich aber bereits darauf eingestellt, dass ihre Mitarbeiter von zu Hause arbeiten. Personen, die aus einem Risikoland – und dazu gehört auch die Schweiz – einreisen, müssen einen negativen PCR-Test vorlegen.
Sowohl Portugal als auch Spanien haben bereits mit dem Verabreichen der Impfstoffe gegen Covid-19 begonnen.
Portugal impft ungefähr im selben Tempo wie die Schweiz und arbeitet bisher ebenfalls mit den Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna. Bis Dienstag wurden 263'499 Impfdosen verabreicht. Bis Ende Monat sollen gut 300'000 Dosen verteilt werden. Im Februar sind 430'000, im März sogar 490'000 Impfungen geplant.
Derzeit sind rund 2 Prozent der spanischen Bevölkerung gegen das Coronavirus geimpft worden. Spanien hat 1'346'100 Impfstoffe erhalten. 95,9 Prozent davon sind verabreicht worden, 123'697 Personen haben bereits die zweite Dosis erhalten. Der Süden gehört zu den Impfvorreitern: In Andalusien sind am meisten Impfdosen verspritzt worden.
Hoffnungsvoll blickt der Ministerpräsident Pedro Sánchez in die Zukunft. «Spanien wird gegen Ende des Sommers, wenn 70 Prozent der spanischen Bevölkerung geimpft sind, wieder bereit sein, den internationalen Tourismus zu empfangen.»