Als Pfleger in der Hospizabteilung eines privaten Spitals in Rom ist Alessio Fantini Leid und Tod gewohnt. Doch sein Leben änderte sich vor wenigen Tagen.
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Da erlebte der 30-Jährige erstmals einen Todesfall in Verbindung mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 und der davon verursachten Lungenkrankheit Covid-19. Seine Gefühle beschrieb er in einem Eintrag auf Facebook – und traf damit in dem besonders hart von der Corona-Pandemie getroffenen Italien einen Nerv. Sein Post wurde bis Freitagmittag über 42'000 Mal geteilt.
«Das war anders als sonst», erzählte Fantini der Deutschen Presse-Agentur am Telefon. «Einen Patienten zu reinigen, ihn in einen Leichensack zu hüllen, auf die Leute vom Leichenbestatter zu warten, ohne eine angemessene Verabschiedung seiner Angehörigen – das ist etwas, das dich berührt», sagte er. «Ja, dieses Virus ist gemein, es nimmt dir nicht nur das Leben, sondern auch die Würde», schreibt er unter anderem in seinem Post.
Er sei erschöpft, weine viel, habe aber auch Wut. «Wut auf zwei Kategorien Mensch: Die, die nicht die Regeln der Quarantäne respektieren und damit ihr Leben und das anderer in Gefahr bringen.» Und Wut auf die, die zu Hause sässen und sich darüber beschwerten. «Dabei müssten sie erkennen, welches Glück sie haben, mit ihren geliebten Menschen zusammen zu sein.»
Italien verzeichnet unter den europäischen Staaten die meisten Toten in Zusammenhang mit dem Virus. Dass Menschen europaweit zu bestimmten Zeiten an ihren Fenstern stehen und Mitarbeitern im Gesundheitswesen wie Fantini applaudieren, empfindet er als etwas seltsam. «Menschen wollen ihre Anerkennung miteinander teilen und uns danken, doch ich fühle mich ganz sicher nicht wie ein Held», sagt er. Seit sechs Jahren ist er Pfleger, verdient 1500 Euro netto im Monat.
Statt der üblichen sieben Stunden arbeitet Fantini derzeit täglich zwölf Stunden – immer bekleidet mit Schutzanzug, einer Maske und zwei Paar Handschuhen. Das Anlegen der gesamten Ausrüstung dauert mehr alsfünf Minuten, berichtet er. «Ich schwitze viel und kann kaum etwas hören. Für fünf bis sechs Stunden kann ich nicht trinken, essen oder die Toilette benutzen. Man fühlt sich wie unter Wasser, und das Gefühl bleibt, auch wenn du fertig bist und nach Hause gehst.»
Die Covid-19-Patienten könnten sein Gesicht und das der anderen Pfleger auf der Station gar nicht erkennen. Als die Krankenhausleitung gefragt habe, wer auf der Covid-19-Station arbeiten wolle, habe er sich sofort gemeldet. «Das war eine gute Entscheidung. Ich habe diesen Job gewählt, weil ich anderen helfen möchte.» Fantini ist in seiner Freizeit Amateur-Fussballtrainer und benutzt eine Sport-Metapher, als er sagt: «In einem so kritischen Moment auf der Bank zu sitzen, wäre nicht in Einklang mit meiner Person gewesen.» (pre/sda)
Solche Beiträge wirken für mich sensibilisierend und zeigen immer wieder neue Gründe auf, wieso wir als Gesellschaft zusammenhalten müssen. Um genau solche Geschichten in der CH zu verhindern.