Amnesty beklagt Rückschlag für Menschenrechte in Corona-Krise
Amnesty International beklagt eine drastische Verschlechterung der Menschenrechtslage im Zuge der Corona-Pandemie. «In der Corona-Krise droht das Rad der Zeit zurückgedreht zu werden», sagte Amnesty-Deutschlandchef Markus Beeko der Deutschen Presse-Agentur anlässlich des Tags der Menschenrechte am 10. Dezember. «Wo Staaten ‹Vorerkrankungen› in Sachen Menschenrechte hatten, hat die Pandemie verheerendere Wirkung gezeigt.» Gerade in Gesellschaften mit grosser Ungleichheit hätten Covid-19 und die Gegenmassnahmen besonders starke Auswirkungen gehabt.
Zeigt sich besorgt über die aktuelle Menschenrechtslage: Markus Beeko. Bild: sda
Beeko wies darauf hin, dass sich die Menschenrechtslage über Jahrzehnte kontinuierlich verbessert habe.
Die Zahl autoritärer Regierungen habe zugenommen und damit auch die Einschränkung der Zivilgesellschaft. «Durch die Pandemie sehen wir nun, dass diese Rückwärtsbewegung verstärkt wird.»
Das sei insofern tragisch, als dass die Menschenrechte eigentlich gerade in Krisensituationen eine Schutzfunktion haben sollten. «Menschenrechte waren die Antwort auf die Krise des Zweiten Weltkriegs und der Schoah, und sie sind für Krisen gemacht.»
Beeko nannte zahlreiche Beispiele für eine Verschlechterung der Menschenrechte in der Corona-Krise.
- Einschränkung der Pressefreiheit: In der Türkei, in Venezuela, Tansania oder Niger seien Journalisten für kritische Berichterstattung über Pandemie-Massnahmen verfolgt worden.
- Verschiebung von Wahlen: Wahlen seien verschoben worden, bei anderen seien Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt worden.
- Zwangsquarantäne: Im südamerikanischen Paraguay seien alleine im Sommer mindestens 8000 Menschen in Quarantäneeinrichtungen festgehalten worden, in El Salvador seien es bis Ende August 17 000 gewesen. «In Peru wurde ein neues Polizeigesetz beschlossen, das den Grundsatz der Verhältnismässigkeit bei der Anwendung von Zwangsmassnahmen aufhob», sagte der Amnesty-Chef.
- Diskriminierung von Minderheiten: In Ungarn, der Slowakei, Bulgarien und Italien seien Roma diskriminiert worden. «Einzelne Roma-Siedlungen wurden komplett unter Quarantäne gesetzt», sagte Beeko. In einem Fall sei eine Siedlung sogar aus der Luft desinfiziert worden.
Eine Roma-Frau mit ihrem Neffen im Dorf Burgas in Bulgarien. Das Dorf wurde durch die Polizei zu einem Lockdown gezwungen. Bild: keystone
- Digitale Überwachung: Beeko befürchtet, dass gerade die Massnahmen zur digitalen Überwachung in einigen asiatischen Ländern über die Pandemie hinaus Bestand haben werden. «Das betrifft neben China und Hongkong vor allem Vietnam, Kambodscha und Thailand.» Hier seien bislang geltende Datenschutzstandards ausgehebelt worden. In Bahrain und Kuwait seien die Corona-Apps als potenzielle Instrumente zur Massenüberwachung angelegt worden. «Auch hier ist davon auszugehen, dass sie über die Pandemie hinaus genutzt werden.»
Die in Deutschland ergriffenen Massnahmen bewertete Beeko dagegen als insgesamt weitgehend verhältnismässig. «Wir haben auch in Deutschland Einschränkungen von Grundrechten gesehen, zum Beispiel der Bewegungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Wir hatten und haben aber auch eine breite Diskussion darüber, in Medien, Öffentlichkeit und parlamentarischen Gremien», sagte er. Ausserdem gebe es die Möglichkeit, gegen unverhältnismässige Massnahmen vorzugehen. «Einige Regelungen wurden bereits von Gerichten aufgehoben», betonte Beeko. Beim Schutz von Menschen in Altersheimen oder in Unterkünften für Geflüchtete seien allerdings einige erste Entscheidungen nicht ausreichend gewesen. (saw/sda/dpa)
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