Beinahe im Minutentakt versendet Attila Hildmann über seine Telegramkanäle antisemitischen Hass. Er bezeichnet sich dort als «Hamas-Fan Nummer 1», feiert Angriffe auf Juden und schwadroniert, dass Deutschland «von Juden besetzt» sei. Andere Aussagen sind so ekelhaft, dass sie an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden sollen.
Dass der ehemalige vegane Fernsehkoch und Gastronom rechtsextrem ist, ist nichts Neues. Während der Corona-Pandemie hat er sich radikalisiert und sich irgendwann in die Türkei abgesetzt. Seit dem Angriff der terroristischen Hamas auf Israel am 7. Oktober habe sich der Output des antisemitischen Hasses, den Hildmann über seine Telegramkanäle jagt, noch mal deutlich erhöht, sagt Josef Holnburger. Er forscht zu Verschwörungsideologien, ist Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) und beobachtet Hildmann schon seit Jahren.
Laut Holnburger betreibt Hildmann mindestens 30 Kanäle auf Telegram. Alle seine Posts, Videos und Sprachnachrichten teile er in all diesen Kanälen. So erschaffe er sich eine «Pseudoreichweite» mit hohen Aufrufzahlen. Seine tatsächliche Reichweite schätzt Holnburger auf etwa 5'000 bis 8'000 Accounts. Den Kommentaren unter seinen Posts nach zu urteilen, erreiche Hildmann vor allem junge Männer mit seinen Inhalten. «Widerspruch gegen den Hass gibt es in den Kommentaren nur wenig. Und wenn doch, wird der von Hildmann knallhart ausgesiebt.»
Seit 2020 ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen Hildmann unter anderem wegen Volksverhetzung. Ende 2020 konnte er sich in die Türkei absetzen, bevor ein Haftbefehl gegen ihn vollstreckt werden konnte. Mitarbeiterinnen der Staatsanwaltschaft hatten Informationen über den Haftbefehl an Hildmann durchgestochen.
Im April 2023 wurde bekannt, dass die Türkei Hildmann nicht nach Deutschland ausliefert. Die Ermittlungen gegen Hildmann seien daher vorübergehend eingestellt, sagt Sebastian Büchner, Sprecher der Berliner Generalstaatsanwaltschaft, auf t-online-Anfrage. «Solange er in der Türkei ist, haben wir keine Handhabe.» Die Fahndung laufe aber weiterhin. Sobald Hildmann die Türkei verlasse, werde er festgenommen.
Es gibt aber noch Verbindungen von Hildmann nach Berlin. Weiterhin kann er Energydrinks, vegane Bolognese, Gummibärchen oder ein Probierpaket mit Autogrammkarte über einen Online-Shop vertreiben. Betrieben wird dieser vom bekannten Berliner Neonazi Sebastian Schmidtke, stellvertretender Vorsitzender der Partei «Die Heimat», wie die NPD mittlerweile heisst.
Der Online-Shop hat laut Impressum seinen Hauptsitz an der gleichen Adresse, an der auch die Parteizentrale der NPD beziehungsweise der «Heimat» zu finden ist. Hildmann verbreitet über seine Kanäle immer wieder Rabatt-Codes für den Shop. Neben dessen veganen Produkten werden dort Waffen wie Armbrüste, Elektroschocker und Schlagstöcke angeboten.
Hildmanns Verbindung zum Berliner Nazi-Shop ist seit Jahren bekannt. Die Berliner Staatsanwaltschaft sieht aber keine Handhabe dagegen. Es gebe keine Hinweise auf strafrechtlich relevante Handlungen in diesem Zusammenhang, teilt Staatsanwaltschaftssprecher Büchner mit. Der rechtsextreme Shop-Betreiber Schmidtke möchte sich auf t-online-Anfrage nicht zur Geschäftsbeziehung mit Hildmann äussern.
Experte Holnburger fordert ein schärferes Vorgehen der Behörden gegen Hildmann. «Wer in diesem Shop Hildmanns Produkte kauft, finanziert seine Volksverhetzung mit.» Die Behörden müssten sich seiner Ansicht nach Personen genau anschauen, die erst Hildmanns Beiträge teilen und dann Waffen im Nazi-Shop bestellen. «Von diesen Personen geht eine Gefahr aus», sagt Holnburger.
Ein Sprecher der Berliner Senatsinnenverwaltung verwies auf t-online-Anfrage an die Justizverwaltung. Diese liess die Anfrage bislang unbeantwortet.
Holnburger fordert auch, dass deutsche Behörden mehr Druck auf Telegram ausüben, damit Hildmanns Kanäle gelöscht werden. Im Februar 2022 waren seine reichweitenstärksten Kanäle schon einmal gelöscht worden, 2021 war die Reichweite eingeschränkt worden. Aktuell scheint Telegram aber nicht gegen ihn vorzugehen. Kürzlich berichtete der «Spiegel», dass Telegram nach einer Anordnung des Bundeskriminalamtes Hamas-Kanäle gesperrt habe. «Wenn da Kontakt besteht, warum wird dann nicht auch auf die Löschung der Hildmann-Kanäle hingewirkt?», sagt Holnburger. Er glaube, dass deutsche Behörden das vernachlässigt hätten.
Generell gehe Telegram viel zu wenig gegen Hass auf der Plattform vor. «Das Melden von volksverhetzenden Inhalten bringt so gut wie nie etwas», sagt Holnburger. Es passiere nur etwas, wenn der öffentliche Druck hoch genug sei. «Deshalb ist es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, was Hildmann da treibt», sagt er.