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Friedrich Merz weibelt bei den Grünen – und erhält saftige Abfuhr

German opposition leader and Christian Democratic Union party chairman Friedrich Merz delivers his speech during a meeting of the German federal parliament, Bundestag, at the Reichstag building in Ber ...
Friedrich Merz braucht die Grünen und will darum mehr in den Klimaschutz investieren.Bild: keystone

Merz will mehr Geld in den Klimaschutz stecken – und erhält eine Abfuhr von den Grünen

13.03.2025, 14:1813.03.2025, 14:18
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Im Ringen um ihr Multimilliarden-Finanzpaket sind Christ- und Sozialdemokraten in Deutschland bereit, deutliche Schritte auf die Grünen zuzugehen.

Der wahrscheinlich künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) bot im Bundestag an, die Schuldenbremse nicht nur für Verteidigung, sondern auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste zu lockern. Ausserdem schlug er vor, einen Teil des geplanten, 500 Milliarden Euro schweren Infrastruktur-Sondertopfs fest für den Klimaschutz vorzusehen. Merz sprach in der ersten Lesung zu den geplanten Grundgesetzänderungen, die endgültige Abstimmung über das Paket ist für nächsten Dienstag geplant.

Bis zu 50 Milliarden für Klima- und Transformationsfonds

Bis zu 50 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen sollten in den Klima- und Transformationsfonds fliessen, sagte Merz. Damit könne Deutschland nicht nur bei der Verteidigung, sondern auch bei der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und beim Klimaschutz einen grossen Sprung nach vorn machen. «Was wollen Sie noch mehr?», fragte Merz die Grünen.

FILE - Wind turbines operate as the sun rises at the Klettwitz Nord solar energy park near Klettwitz near Klettwitz, Germany, Oct. 16, 2024. (AP Photo/Matthias Schrader, File)
Mehr und grössere Projekte: Deutschland will mehr Geld in eine grüne Wirtschaft investieren.Bild: keystone

Diese erteilten dem CDU-Chef umgehend eine ganz klare Absage. Fraktionschefin Katharina Dröge sagte an Merz gewandt, falls dieser sich frage, warum die Verhandlungen mit den Grünen gerade so liefen, wie sie liefen, dann antworte sie ihm: «Weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen.»

Nirgends werde garantiert, dass die Ausgaben aus dem Infrastruktur-Topf wirklich zusätzlich seien. «Und wer von uns die Zustimmung für Hunderte von Milliarden Euro haben will für die Investitionen in dieses Land, der muss damit rechnen, dass wir darauf schauen, dass das Geld auch wirklich in die Infrastruktur in diesem Land gesteckt wird und nicht in Steuersenkungen», sagte Dröge.

Sie warf Merz Parteitaktik vor und erinnerte daran, dass SPD und Grüne vor der Wahl mehrfach eine Reform der Schuldenbremse ins Spiel gebracht hätten. «Sie haben dieses Angebot damals mehrfach abgelehnt», sagte sie zu Merz. «Weil Sie noch nie in der Lage waren, die Interessen dieses Landes an die erste Stelle zu stellen und nicht Ihre eigenen.»

Unbegrenzte Schulden-Möglichkeiten für Verteidigung

Das geplante Multimilliarden-Finanzpaket soll die Grundlage für eine neue schwarz-rote Koalition in Deutschland bilden. Konkret haben sich CDU, CSU und SPD vorgenommen, Verteidigungsausgaben ab einer bestimmten Summe von der Schuldenbremse in der Verfassung auszunehmen. Alles, was über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt, also über etwa 44 Milliarden Euro, soll aus Krediten finanziert werden dürfen. Nach oben soll es keine Grenze geben.

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Der Krieg in der Ukraine hat die Sicherheitslage in Europa drastisch verschlechtert.Bild: keystone

Die Länder sollen ausserdem mehr Spielraum für eigene Verschuldung bekommen. Drittes Vorhaben ist ein Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur, das mit Krediten von bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird.

Das soll Deutschland nicht nur ermöglichen, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen und die Bundeswehr fit zu machen, sondern auch den riesigen Investitionsstau bei Autobahnen, Brücken, Energienetzen, Kitas und Schulen anzugehen.

Die Grünen werden dringend gebraucht

Ohne die Zustimmung von Grünen oder FDP kann das Paket im Bundestag aber nicht beschlossen werden – denn allein haben Union und SPD nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Änderung des Grundgesetzes. Doch keine der beiden Fraktionen ist bisher zur Zustimmung bereit.

Mit den Grünen gibt es seit Tagen Gespräche. Sie wollen sicherstellen, dass mit den 500 Milliarden wirklich zusätzliche Infrastrukturprojekte finanziert werden. Die Befürchtung ist, dass stattdessen einfach ohnehin Geplantes aus dem Kernhaushalt ausgelagert wird, sodass dort Geld frei wird für Wahlgeschenke wie die Mütterrente und eine Steuersenkung bei der Gastronomie.

«Weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen.»
Katharina Dröge zu Friederich Merz

Die Grünen schlagen deshalb vor, erst einmal nur eine Änderung der Schuldenbremse für die Verteidigung zu beschliessen – und da auch etwa Nachrichtendienste und Cyberabwehr aufzunehmen. Über die Infrastruktur-Milliarden solle dann im neuen Bundestag auch mit der Linken verhandelt werden. Das will aber die SPD nicht, weil sie fürchtet, dass es dann gar kein zusätzliches Geld für die Infrastruktur geben wird.

Die CDU gibt sich zuversichtlich, dass eine Einigung mit den Grünen gelingt. Die Grünen-Spitze dagegen sendet bislang ganz andere Signale. Es gebe bislang keine so relevante Annäherung, dass man zusagen könne, zeitnah eine gemeinsame Position zu finden, sagte Fraktionschefin Dröge. Sie kritisierte auch, dass im Topf für Infrastruktur kein Geld für das Klima vorgesehen sei.

Bundesverfassungsgericht ist möglicher Stolperstein

Scheitern könnte das Vorhaben auch noch am Bundesrat (Länderkammer), der ebenfalls mit zwei Dritteln der Stimmen Ja sagen muss. Die sind aktuell auch noch nicht sicher.

Ausserdem steht noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus, das sich damit beschäftigt, ob der alte Bundestag mit so kurzen Fristen und wenig Zeit überhaupt noch eine Grundgesetzänderung beschliessen darf. Denn schon am Dienstag soll das Parlament darüber entscheiden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht diese Sitzung noch kurzfristig untersagt.

Ungeachtet all dieser Unsicherheiten arbeiten CDU/CSU und SPD weiter auf eine gemeinsame Bundesregierung hin. Den Auftakt macht eine grössere Runde heute Abend in der CDU-Zentrale. Dann beginnt die Arbeit in den 16 thematischen Arbeitsgruppen.

Sie sollen nur zehn Tage Zeit haben, um einen ersten Vorschlag für ihren Bereich im Koalitionsvertrag zu machen. Dann übernimmt eine Steuerungsgruppe die Textarbeit, bis am Ende die Hauptverhandlungsgruppe wieder einsteigt. Dazu gehören die Parteichefs Merz (CDU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (SPD) sowie Markus Söder (CSU). (pre/leo/sda/dpa)

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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TRN
13.03.2025 13:55registriert Dezember 2021
Das neu angestrebte Sondervermögen ist ein Paradebeispiel, wie über die Grenzen aller Moral hinweg die deutsche Politik von links bis rechts opportunistisch ist. Merz und die Union haben während der Ampelregierung permanent gegen eine Zusatzverschuldung gestimmt und mit der Einhaltung der Schuldenbremse Wahlkampf in der aktuellen Bundestagswahl gemacht. Seit dem Wahlkampf hat sich nichts verändert. Aber jetzt ist die Erhöhung der Schuldenquote von 70% (Masstricht: 60% zulässig) auf knapp 100% plötzlich alternativlos.
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Enzasa
13.03.2025 14:23registriert August 2016
Wenn Herr Merz eine Änderung seiner Sichtweisen aufgrund der aktuellen politischen Situation begründet.
Dann hätte er sich heute Herrn Habeck gegenüber, positiv äußern sollen. Ich erwarte keine große Entschuldigung, aber Größe wäre, im Nachhinein zu sagen, dass er einiges richtig gemacht hat, was man falsch beurteilt hatte. Wäre zu Beginn gut gekommen, meinetwegen auch unter 4 Augen.
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Platon
13.03.2025 15:21registriert September 2016
Ich bin zwiegespalten in dieser Sache. Einerseits braucht Deutschland diese Schulden dringenst, der Betrag ist sehr vernünftig und entspricht etwa dem, was Wissenschaft (seriöse jedenfalls, nicht ordoliberale Betonköpfe wie Lars Feld) und Wirtschaftsverbände fordern. Andererseits mag ich Merz seine eigene Medizin gönnen. Seine Scheinheiligkeit sucht historisch und Weltweit seinesgleichen! Die Ampel vor Verfassungsgericht dank Schuldenbremse lahmlegen, um dann selbst das zwangzigfache an Schulden zu machen. Unterste Schublade und fast schon bösewichtmässig!
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