Das mittelamerikanische Land Nicaragua hat Deutschland vorgeworfen, Beihilfe zu einem Völkermord im Gazastreifen zu leisten. Durch Waffenlieferungen an Israel ermögliche Deutschland einen Genozid und verstosse gegen internationales Recht, erklärten die Rechtsvertreter Nicaraguas am Montag vor dem höchsten UN-Gericht in Den Haag.
Das Gericht befasst sich im Rahmen der Klage auch mit einem Eilantrag Nicaraguas. Das mittelamerikanische Land fordert den sofortigen Stopp der deutschen Rüstungslieferungen an Israel sowie die Wiederaufnahme der eingefrorenen Beiträge für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA im Gazastreifen. Mit einer Entscheidung wird in etwa zwei Wochen gerechnet. Entscheidungen des Gerichts sind bindend.
Deutschland hat die Klage Nicaraguas wegen Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen als haltlos zurückgewiesen. «Diese Vorwürfe entbehren jeder rechtlichen und tatsächlichen Grundlage», sagte die Leiterin der deutschen Delegation, Tania von Uslar-Gleichen, am Dienstag vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag.
Die Bundesrepublik verletze weder die Völkermord-Konvention noch humanitäres Völkerrecht. «Deutschlands Handeln in diesem Konflikt wurzelt fest im internationalen Recht», sagte die Beauftragte für Völkerrecht im Auswärtigen Amt. Nicaragua hatte am Montag vor dem höchsten UN-Gericht argumentiert, die Lieferung von Waffen aus Deutschland nach Israel ermögliche einen Völkermord in Gaza.
Die Rechtsvertreter Deutschlands warfen Nicaragua bei der Anhörung am Dienstag zudem falsche Angaben vor. So hatte das Land behauptet, dass Deutschland Kriegswaffen exportiere. Doch nach Darstellung des Völkerrechtsprofessors Christian Tams handelt es sich zum weitaus grössten Teil, zu 98 Prozent, um allgemeine Rüstungsgüter wie etwa Helme oder Schutzwesten, aber nicht um Waffen, die direkt bei Kampfhandlungen eingesetzt werden können.
Seit Oktober 2023 seien nur vier Lizenzen für Kriegswaffen erteilt worden, dabei ging es nach den Worten des Juristen vor allem um Munition für Trainingszwecke sowie zur Abwehr von Panzern. Alle Rüstungsexporte nach Israel würden von deutschen Behörden ausserdem eingehend geprüft.«Wenn man genau hinschaut, brechen Nicaraguas Anschuldigungen zusammen», sagte der deutsche Professor. Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr insgesamt Rüstungslieferungen für 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt - zehnmal so viel wie im Vorjahr mit 32,3 Millionen Euro.
Warum das autoritär geführte Nicaragua, das wegen Verletzungen von Menschenrechten stark in der Kritik ist, ausgerechnet gegen Deutschland vorgeht, ist unklar. Das Land hatte nach deutscher Darstellung nicht versucht, mit Deutschland direkt in Kontakt zu treten – und das ist bei Klagen vor dem Gerichtshof der übliche Weg.
Nicaragua wollte auch Grossbritannien, Kanada und die Niederlande verklagen. Doch das geschah bisher nicht. Bei den USA, dem grössten Rüstungspartner Israels, ist das nicht möglich. Die USA erkennen die Gerichtsbarkeit des IGH in dieser Frage nicht an.
Ja – es ist bereits das zweite Völkermord-Verfahren zum Gaza-Krieg vor dem Internationalen Gerichtshof. Ende vergangenen Jahres hatte Südafrika Israel verklagt und eine sofortige Waffenruhe gefordert. Die Richter hatten dem zwar nicht entsprochen, aber Israel deutlich ermahnt, alles zu tun, um Völkermord zu verhindern. Zudem muss das Land mehr humanitäre Hilfe zulassen.
Israel hatte Völkermord-Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen. Es beruft sich auf sein Recht zur Selbstverteidigung nach den Massakern der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober. Dabei waren etwa 1200 Menschen getötet worden. Durch die darauffolgenden Angriffe Israels auf den Gazastreifen wurden nach Angaben der von Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden mehr als 33'000 Menschen getötet.
Der Fall macht deutlich, dass der Druck auch auf westliche Verbündete Israels zunimmt. Gerade für Deutschland handelt es sich um ein sensibles Thema. Schliesslich sieht sich gerade die Bundesrepublik durch seine historische Verantwortung für den Holocaust in der Pflicht, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren. Die Völkermord-Konvention war unter dem Eindruck des Massenmordes an sechs Millionen Juden durch deutsche Nazis entstanden.
Mit der deutschen Verteidigung endete die Anhörung vor dem Gerichtshof im Friedenspalast in Den Haag nach zwei Tagen. Die höchsten Richter der UN klären nun zunächst wie üblich, ob sie in dem Fall überhaupt zuständig sind. Das bezweifelt Deutschland mit dem Argument, dass Nicaragua und die Bundesrepublik gar keinen Konflikt miteinander haben – was Voraussetzung für eine Zuständigkeit wäre.
(dab, mit Material von Keystone-SDA)
Man überhäuft den IStGH einfach mit Klagen, damit dieser gelähmt ist und am Ende abgeschafft werden kann. Das ist doch genau das Playbook von V. Putin, das hier gespielt wird.