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Joschka Fischer: «Es fällt schwer, nicht an das Jahr 1914 zu denken»

ARCHIV - 22.11.2022, Hamburg: Joschka Fischer (Gr
Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) war von 1998 bis 2005 Aussenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland.Bild: keystone

Joschka Fischer mahnt: «Es fällt schwer, nicht an das Jahr 1914 zu denken»

Der erfahrene deutsche Politiker warnt angesichts der derzeitigen Kriege vor einer neuen Weltordnung – «bei der niemand gewinnt».
04.11.2023, 17:5404.11.2023, 18:59
Camilla Kohrs / t-online
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t-online

Der frühere deutsche Aussenminister und Vize-Kanzler Joschka Fischer schlägt angesichts der gegenwärtigen Weltlage Alarm. «Es fällt schwer, nicht an das Jahr 1914 zu denken, als die Ereignisse eine unkontrollierbare Wendung nahmen und den Ersten Weltkrieg auslösten», sagte der Grünen-Politiker der italienischen Zeitung «Corriere della Sera». Er sieht die Welt auf dem Weg in eine neue Ordnung und in einen Flächenbrand.

Er nimmt dabei vor allem Bezug auf den russischen Krieg gegen die Ukraine und den Krieg zwischen Israel und Gaza. Beide verbinde eine «auffällige Parallele», so Fischer, «Beide haben im Kern einen existenziellen Kampf um das Überleben eines Nationalstaates». Russland habe mit seinem Krieg gegen die Ukraine den ersten Dominostein gekippt, der «die Pax Americana nach 1945 endgültig untergräbt».

Mit dem Schlagwort «Pax Americana» ist der Anspruch der USA gemeint, die Weltordnung wesentlich zu bestimmen. Russland aber habe eine «neue Polarisierung ausgelöst, bei der niemand gewinnt».

«Eine Dynamik, die der Westen einfach nicht akzeptieren kann»

So stünde nun der Westen auf der Seite der Ukraine und Israels, während China, Russland und der globale Süden auf der anderen stünden, so Fischer. «Das ist eine Dynamik, die der Westen einfach nicht akzeptieren kann», warnt er. Der Westen müsse «gigantische diplomatische Anstrengungen» unternehmen, um das zu stoppen. Der globale Süden müsse dabei einen «Platz am Tisch» haben.

Fischer warnt im besonderen auch vor einer direkten Konfrontation zwischen den USA und China. Denn: Die Gefahr «einer militärischen Konfrontation im Chinesischen Meer und in der Strasse von Taiwan» wachse. «Versuche, das globale Machtgleichgewicht zu verschieben und eine neue internationale Ordnung durchzusetzen, sind noch nie ohne Gewalt abgelaufen», kommentiert Fischer. «Das macht die gegenseitigen Töne der Grossmächte umso aggressiver und besorgniserregender».

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23 Kommentare
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N. Y. P.
05.11.2023 08:37registriert August 2018
Viele Länder sind ausgeblutet, verschuldet ohne wirtschaftliche Perspektive und damit hoher Arbeitslosigkeit.

China nützt das aus und stellt ein Bein in diese Länder, indem sie Kredite vergibt, die keine Chance auf Rückzahlung haben. China macht sich breit im Westen.

Die USA sagt diesem Gebaren nun STOP. Kein Technologietransfer mehr nach China. Plus militärische Stärke um Taiwan.

China kann diesen Weg nur beschreiten, weil der Westen mit ihrem Neoliberalismus ganze Volkswirtschaften heruntergewirtschaftet hat. Der Neoliberalismus (SVP) ist das Gift des 21. Jahrhunderts.
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Ökonometriker
04.11.2023 22:14registriert Januar 2017
Die Welt scheint sich tatsächlich zu polarisieren. Aber in Richtung einer multipolaren Weltordnung, nicht einer bipolaren. China und Russland zogen bereits im Kalten Krieg nicht an einem Strang. Die Sowjetunion war aber viel weiter als China, China konnte ihr nicht viel entgegensetzen. Auch Europa ist heute wieder mehr als eine Ansammlung amerikanischer Vasallenstaaten.
Indien kontrolliert den Indischen Ozean. Der Iran spielt auch sein eigenes Spiel. Und den "globale Süden" als einen Block zu betrachten, greift ohnehin viel zu kurz.

Es wird kompliziert. Schwarz-Weiss Denken reicht nicht.
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