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Neue Studie zeigt erschreckendes Männerbild – doch nun gibt es Kritik

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Männer akzeptieren Gewalt gegen Frauen, so eine Studie – doch die Methodik ist fragwürdig

Eine Befragung der Organisation Plan sorgt mit schockierenden Ergebnissen zu Gewalt gegen Frauen für Aufsehen. Doch es mehrt sich die Kritik an der Methode.
13.06.2023, 20:45
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Ein Artikel von
t-online

Am Wochenende veröffentlichte die Hilfsorganisation Plan International Deutschland eine Befragung, die für viel Wirbel sorgte: Jeder dritte Mann im Alter von 18 bis 35 Jahren finde es «akzeptabel», gegenüber Frauen gelegentlich gewalttätig zu werden, so eine der Hauptaussagen. Doch nun melden sich immer mehr Menschen zu Wort, die die Studie «Spannungsfeld Männlichkeit – so ticken junge Männer zwischen 18 und 35 Jahren in Deutschland» kritisieren.

Vonseiten der Studienautorinnen und -autoren heisst es wörtlich: «Wir wollten herausfinden, was junge Männer und Frauen in Deutschland unter ‹Männlichkeit› verstehen, wie sie diese wahrnehmen und wie sie damit umgehen.» Doch ist das wirklich gelungen?

Die Umfrage

Die Umfrage fand vom 9. bis 21. März als standardisierte schriftliche Online-Befragung statt – also mittels eines Fragebogens, den die Teilnehmer online ausgefüllt haben. Befragt wurden 1'000 Männer und 1'000 Frauen zu verschiedenen Aspekten. Darunter auch zum Thema Gewaltanwendung – das nun besonders im Fokus steht.

Den Auftrag für die Umfrage von Plan bekam das Marktforschungsinstitut Moweb, das regelmässig Umfragen unter Nutzern macht, die bei Moweb registriert sind – und für die Teilnahme eine finanzielle Vergütung erhalten. Das ist wichtig zu erwähnen, denn andere Meinungsforschungsinstitute wie zum Beispiel die Forschungsgruppe Wahlen, Allensbach oder Civey, mit dem auch t-online zusammenarbeitet, bezahlen Umfrageteilnehmern nichts. Die Koordination der Umfrage und die anschliessende Analyse der Daten übernahm das Marktforschungsinstitut transpekte.

Anlaufstellen für Opfer von häuslicher Gewalt
Unter häuslicher Gewalt versteht man körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt innerhalb einer Familie oder in einer aktuellen oder aufgelösten Paarbeziehung.
Betroffene können sich bei den kantonalen Opferhilfestellen melden, die auf der Website der Opferhilfe Schweiz zu finden sind. Die Beratung ist kostenlos, vertraulich und anonym. Sollten sich Frauen zu Hause nicht mehr sicher fühlen, finden sie in Frauenhäusern eine sichere Unterkunft. Weitere Unterstützung bietet das Frauen-Nottelefon. Betroffene Männer können sich an die Anlaufstelle Zwüschehalt oder an das Männerbüro Zürich wenden.
Bei Straftaten im Ausland können Schweizer Staatsangehörige die Helpline des EDA kontaktieren: +41 800 24 7 365.

Die Teilnehmenden

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Umfragestichprobe wählte Moweb nach Quotenvorgaben aus: Pro Geschlecht wurde in drei Altersgruppen eingeteilt (18 bis 24, 25 bis 29 und 30 bis 35 Jahre), ausserdem wurden die Teilnehmenden nach Bildungsgrad (ohne bis mittlerer Abschluss, hier verstanden als Hochschulreife und abgeschlossenes Studium) unterschieden.

Regional gab es vier Gebiete (Nord, Ost, Süd, West). Die Idee dahinter: Die Quotenvorgaben sollen auf amtlichen Statistiken basieren, genannt werden sie im Bericht von Plan nicht.

Gewalt gegen Frauen tötet:

Kritik bei der Auswahl

Die Stichprobe soll nach Angaben von Plan die Gesamtbevölkerung in der Altersklasse 18–35 so «mit hoher Wahrscheinlichkeit» abbilden – zumindest in den drei abgefragten Merkmalen. Jedoch fehlen im Bericht von Plan mehrere statistische Kennwerte, die auf die Qualität der Ergebnisse schliessen lassen. Auf Anfrage teilte Plan mit, diese Werte seien gar nicht ermittelt worden.

Zudem stehen nicht hinter jedem Ergebnis der Studie auch tatsächlich 1'000 (bei den geschlechtspezifischen Fragen) oder 2'000 Menschen (bei den geschlechterunspezifischen Fragen). Insgesamt 104 Fragebögen seien fehlerhaft ausgefüllt gewesen, gibt Plan an. Daher flossen ohnehin nur die Angaben von 949 Frauen und 947 Männern in das Ergebnis ein.

Ausserdem sei weiterhin differenziert worden: Auch die Geschlechtsauswahl «divers» sei möglich gewesen – auf Anfrage gibt Plan an, sie hätten den Fragebogen der Frauen erhalten. 13 Personen hätten entsprechende Angaben gemacht. Hinzu kommt: Bei denjenigen, die «männlich» auswählten, sei zudem weiter unterschieden worden zwischen hetero- und homosexuellen Männern. Nur Heterosexuelle hätten Fragen zu ihrem Verhältnis zu Frauen in der Partnerschaft erhalten, Homosexuelle entsprechende Fragen zu männlichen Partnern. 91 Prozent der Männer hätten angegeben, heterosexuell zu sein, so eine Plan-Sprecherin.

Wie viele Männer die Fragen zum Beispiel zu Gewalt gegen Frauen somit tatsächlich erhalten haben, gibt Plan in dem Bericht nicht an. Ebenso wenig lässt sich erkennen, ob die Gruppe der heterosexuellen Männer noch immer repräsentativ ist. Es gebe dazu keine amtlichen Informationen, dementsprechend habe man keine Vorgaben machen können, um die Repräsentativität sicherzustellen, so Plan auf Anfrage.

Unklar bleibt in dem Bericht auch, wie mit Männern umgegangen wurde, die sich weder als hetero- noch als homosexuell identifizieren. Auf Nachfrage sagte eine Plan-Sprecherin, 13 Männer ohne sexuelles Interesse seien im Vorfeld aussortiert und nicht ausgewertet worden. Wie mit Männern verfahren wurde, die sich zum Beispiel als bi- oder pansexuell identifizieren, teilte sie nicht mit.

Die Ergebnisse

Ausgewählte Ergebnisse, wie Plan sie formuliert, lauten beispielsweise:

  • Es «fühlen sich 48 Prozent der Befragten gestört, wenn Männer ihr Schwulsein in der Öffentlichkeit zeigen».
  • «Die Hälfte der Männer (50 Prozent) möchte keine Beziehung mit einer Frau eingehen, die viele Sexualpartner hatte. Gleichzeitig reizt es 37 Prozent der Befragten, mit so vielen Frauen wie möglich zu schlafen.»
  • «Aufreizendes Verhalten aufseiten von Frauen darf als Aufforderung verstanden werden, meinen 47 Prozent der befragten Männer.»
  • «Mehr als ein Drittel der befragten Männer (34 Prozent) gibt an, dass sie gegenüber Frauen schon mal handgreiflich werden, um ihnen Respekt einzuflössen.»
  • «Für jeden dritten Mann (33 Prozent) ist es akzeptabel, wenn ihm bei einem Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht.»

Kritik an den Ergebnissen

Ein Problem bei der Umfrage: Aus dem veröffentlichten Studiendesign kann darauf geschlossen werden, dass als «Männer» und «Befragte» nur die heterosexuellen, männlichen Teilnehmer zu verstehen sind. Das wird so allerdings nicht angegeben.

Aufgrund der Zweifel an der Repräsentativität dieser Gruppe steht somit auch die Möglichkeit, die Ergebnisse zu verallgemeinern, infrage.

Auch ist in einigen Fällen unklar, wie genau diese Ergebnisse abgeleitet werden. Plan erklärt auf Nachfrage, die Befragten seien gebeten worden, Aussagen auf einer Skala zu bewerten. Diese habe die Auswahlmöglichkeiten «trifft auf mich überhaupt nicht zu», «trifft auf mich eher nicht zu», «trifft auf mich eher zu» und «trifft auf mich voll und ganz zu» umfasst.

Eine solche Aussage lautet demnach zum Beispiel:

«Wenn eine Frau sich aufreizend verhält, muss sie sich nicht wundern, wenn ein Mann dies als Aufforderung versteht.»

Plan gibt dazu den Wert 50 Prozent an. Für das Ergebnis seien die Prozentwerte der Antwortoptionen «trifft auf mich eher zu» und «trifft auf mich voll und ganz zu» zusammengezählt worden, so eine Sprecherin auf Anfrage.

Zudem ist zweifelhaft, ob die Teilnehmenden in diesem Fall die Aussage aus dem Fragebogen tatsächlich so verstanden haben wie von Plan interpretiert – zwischen «die Frau muss sich nicht wundern, wenn es als Aufforderung verstanden wird» und «es darf als Aufforderung verstanden werden» gibt es einen Unterschied. Plan erklärte auf Nachfrage, man gehe davon aus, dass die Männer die Aussage der letzteren Interpretation entsprechend aufgefasst haben. Beweisen könne man das jedoch nicht.

Für die nun besonders im Fokus stehenden Ergebnisse zu Gewalt gegen Frauen lauteten die Aussagen aus dem Fragebogen jedoch sehr ähnlich zu den daraus abgeleiteten Resultaten:

  • «Gegenüber Frauen werde ich schon mal handgreiflich, um ihnen Respekt einzuflössen» – 34 Prozent Zustimmung.
  • «Ich finde es ok, wenn mir bei einem Streit mit meiner Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht» – 33 Prozent Zustimmung.

Die Rechtfertigung

Eine Sprecherin der Organisation sagte auf Anfrage, die Umfrage sei mit einem seriösen Marktforscher erstellt worden. Die Ergebnisse seien repräsentativ. «Auch wir waren von den Ergebnissen überrascht – vor allem von denen zum Thema Gewalt.» Man habe sich mit verschiedenen Institutionen ausgetauscht, um sie einzuordnen.

«Wir glauben, dass wir in Deutschland unter jungen Männern ein Thema mit stereotypen Rollenbildern haben – nicht nur zu Gewalt – und würden uns wünschen, wenn unsere Umfrage zum Anlass genommen würde, darüber in den gesellschaftlichen Diskurs zu gehen», so die Plan-Sprecherin.

Unberührt von der Kritik an der Studie bleibt: Gewalt gegen Frauen ist noch immer ein grosses Problem. 2014 kam eine Untersuchung der Europäischen Grundrechteagentur zu dem Ergebnis, dass rund 35 Prozent der Frauen mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexueller Gewalt betroffen sind.

Nach neuesten Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik gab es 2021 rund 140'000 Fällen von Partnerschaftsgewalt in Deutschland. 80 Prozent der Opfer waren weiblich, knapp 79 Prozent der Täter männlich.

(t-online, sje)

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hakuna!Matata
13.06.2023 21:40registriert Juni 2019
Könnte man sich bei so einem Artikel nicht wenigstens die Mühe machen, andere Studien und Umfragen zu finden?
Oder will man das bewusst nicht?

Die Umfrage zu zerreissen mag ok und ggf richtig sein. Schön wäre aber, wenn wir nach dem Lesen auch in der Sache schlauer wären.
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Xinaka
13.06.2023 21:19registriert Juli 2019
OK, rechnen wir also die 9% homosexuellen Männer und die 13 non-binären Personen einfach raus aus dem Gesamtresultat (auch wenn sie theoretisch den problematischen Aussagen ebenfalls hätten zustimmen können).
Ziehen wir also grosszügig 10% von den 33% ab. Macht immer noch grosso modo 30% Männer, die gelegentliche physische Gewalt innerhalb der Beziehung akzeptabel finden und/oder auch bereits ausgeübt haben.
Inwiefern soll das jetzt am Kern der Problematik was ändern? Also ich fühle mich damit weder sicherer noch zuversichtlicher für die Zukunft.
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001759.e49264cc@apple
13.06.2023 23:54registriert Juli 2022
Ich finde die Fragen komisch formuliert und sie lassen viel Interpretationsspielraum z.B was ist aufreizendes Verhalten? Wenn sie mich mehrmals anschaut und anlächelt? Das würde ich schon als Einladung zum Ansprechen verstehen. Natürlich ist sexuelle Belästigung nicht ok, aber ansprechen fände kch ok. Die Ergebnisse bei den Fragen zur Gewalt sind ziemlich erschreckend, vielleicht nicht repräsentativ, aber scheinbar ist ein grosser Teil immernoch der Meinung, dass Gewalt ok ist. Leider sind die Schutzangebote für Frauen, Kinder und Männer nicht genügend stark ausgebaut.
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