International
Deutschland

Ausschreitungen an Eritrea-Treffen in Stuttgart – Polizisten sind empört

Ausschreitungen an Eritrea-Treffen in Stuttgart – Polizisten sind empört

17.09.2023, 12:0717.09.2023, 17:59
Mehr «International»

Die Polizei ist aus eigener Sicht bei den Ausschreitungen in der baden-württembergischen Hauptstadt Stuttgart zwischen die Fronten von Anhängern und Gegnern des eritreischen Regimes geraten. «Wir waren heute der Prellbock für einen eritreischen Konflikt, der auf Stuttgarter Strassen mit massiver Gewalt ausgetragen wurde», teilte der Stuttgarter Polizeivizepräsident Carsten Höfler in der Nacht zum Sonntag mit Blick auf die Ausschreitungen vom Samstag mit.

26 Polizeibeamte seien verletzt worden, zudem vier Teilnehmer der regimenahen Eritrea-Veranstaltung und zwei Oppositionelle. Sechs Beamte wurden im Krankenhaus behandelt. Fünf Polizisten konnten ihren Dienst den Angaben zufolge nicht weiter ausführen. 300 Beamte seien insgesamt am Samstag im Einsatz gewesen.

Am Rande einer Eritrea-Veranstaltung war es zu den heftigen Ausschreitungen gekommen. Auslöser war eine Versammlung von Eritrea-Vereinen mit rund 80 bis 90 Teilnehmern, die laut Polizei dem diktatorischen Regime in Afrika nahestehen. Mehrere Hundert Veranstaltungsgegner hatten sich zum Protest in der Stadt versammelt. Ihnen sei ein Versammlungsort zugewiesen worden, der jedoch abgelehnt worden sei, so die Polizei. Anschliessend kam es am Römerkastell beim Veranstaltungsort zu massivem Krawall. Gegner der Veranstaltung hätten Teilnehmer und Polizeibeamte mit teils mit Nägeln bestückten Holzlatten, Metallstangen, Flaschen und Steinen angegriffen.

Die Polizei wehrte sich mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Angreifer. Kräfte wurden aus umliegenden Polizeipräsidien und der deutschen Bundespolizei beordert. Auch mit dem Hubschrauber wurden Polizisten eingeflogen. Die Teilnehmer des Eritrea-Treffens wurden unter Polizeischutz nach dem Ende der Veranstaltung vom Ort des Geschehens eskortiert. Zugleich kesselte die Polizei rund 200 Oppositionelle ein. Bis in die Nacht hinein stellten die Beamten Personalien fest und sprachen Platzverweise aus.

Mutmassliche Krawallmacher kamen auch aus der Schweiz
Nach den massiven Ausschreitungen am Rande einer Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart hat die Polizei nach eigenen Angaben die Personalien fast aller Tatverdächtigen abgeklärt. Überwiegend kämen die Verdächtigen aus dem Umland von Stuttgart, sagte der Stuttgarter Polizeivizepräsident Carsten Höfler am Sonntag in Stuttgart. Nur wenige seien aus Stuttgart selbst.
63 mutmassliche Gegner des Regimes in Eritrea seien aus der Schweiz angereist. «Das hat uns überrascht», sagte Höfler. Teils seien auch Personen aus dem hessischen Giessen angereist. 212 der Verdächtigen hätten die eritreische Staatsbürgerschaft, sieben Verdächtige seien deutsch mit eritreischen Wurzeln. Vereinzelt müssten Identitäten noch geklärt werden. Insgesamt gibt es 228 Verdächtige. (sda/dpa)

Der Einsatz verdeutlicht aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) die personellen Probleme der Polizei. «Gut, dass wir dort Hilfe aus anderen Polizeipräsidien und der Bundespolizei bekommen haben», teilte Landeschef Ralf Kusterer am Sonntag mit. Aber das dauere oft sehr lange. Er kritisierte, der Staat sei schwach. «Das müssen wir ändern. Auch weil ein demokratischer Staat durch diesen schwachen Staat gefährdet ist.» Der öffentliche Dienst und die Polizei müssten endlich gestärkt werden. Die Stuttgarter Beamten hatten massiv Kräfte aus der Umgebung hinzubeordert.

Kusterer kritisierte, dass die unangemeldete Gegendemonstration zu dem Eritrea-Treffen eine Demonstrationsfläche zugewiesen bekommen, sich aber nicht daran gehalten habe. «Wir machen uns hier zum Affen. Dabei müssten wir unser Demonstrations- und Versammlungsrecht schützen und stärken. Dazu müssen wir konsequent durchgreifen. Wer sich nicht daran hält, verwirkt sein Recht darauf.»

Die Stadt Stuttgart will zeitnah mit den betroffenen Gruppen Kontakt aufnehmen. «Wir werden nächste Woche sofort mit den in Stuttgart ansässigen Vereinen das Gespräch suchen», teilte der städtische Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic am Samstagabend mit. «Unsere Linie in den regelmässigen Gesprächen mit den verschiedenen Migrantenorganisationen ist, dass wir in Stuttgart keine Auseinandersetzungen und Ausschreitungen zu den Konflikten in den Herkunftsländern dulden.»

Nach Ansicht der Stadt gab es keine Gründe für ein Verbot der Eritrea-Veranstaltung. «Versammlungen im geschlossenen Raum sind nicht anmeldepflichtig», teilte die Landeshauptstadt mit. «Es lagen keine Gründe für ein Verbot der heutigen Eritrea-Veranstaltung vor.» Die Stadt Stuttgart werde aber Konsequenzen aus den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft ziehen.

Im Juli war es bereits in der hessischen Stadt Giessen zu Ausschreitungen bei einem Eritrea-Festival gekommen. Mindestens 26 Polizisten wurden verletzt, als Gegner der Veranstaltung Sicherheitskräfte mit Stein- und Flaschenwürfen attackierten und Rauchbomben zündeten. Die Beamten hatten unter anderem Schlagstöcke gegen sie eingesetzt. Die Organisatoren des Events in Giessen standen der umstrittenen Führung des ostafrikanischen Landes nahe. In Stockholm kam es im August bei einem Eritrea-Festival zu gewalttätigen Ausschreitungen mit mehr als 50 Verletzten.

Auch in der Schweiz kam es bereits zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen eritreischen Regimegegnern und Unterstützern der Regierung des Diktators Isayas Afewerki. Am Abend des 2. September gingen die beiden Gruppen im Glattpark in Opfikon ZH aufeinander los; die Polizei musste die Kontrahenten mit einem Grossaufgebot voneinander trennen. (dhr/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Folter in Eritrea
1 / 8
Folter in Eritrea
Zeichnungen eines eritreischen Künstlers, der Folter am eigenen Leib erlebt hat. Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats hat sie mit seiner Erlaubnis zusammen mit ihrem Bericht veröffentlicht. Im Bild die Foltermethode «Helikopter».
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Seit dem Ausbruch des Krieges weiss ich nicht, wo meine Familie ist»
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
59 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Denkenderprolet
17.09.2023 13:38registriert August 2021
Wenn Regimefreundliche Leute hier Krawall veranstalten, haben sie ihre Daseinsberechtigung vergeben und müssen ausgeschafft werden.

(Asyl beantragen, aber das Regime, vor dem sie angeblich geflohen sind, feiern...)
2862
Melden
Zum Kommentar
avatar
fandustic
17.09.2023 13:10registriert Juni 2021
„Man kann den Menschen aus einem Land holen, aber nicht das Land aus dem Menschen.“
Wir „wollen“ das offensichtlich ja so….verstehe wer will. Aber spätestens wenn Konflikte aus anderen Ländern hier weitergeführt werden müsste eigentlich Schluss sein mit lustig, aber in Europa kann man das ja machen.
24018
Melden
Zum Kommentar
avatar
Randalf
17.09.2023 13:34registriert Dezember 2018
Leider verspielen sie jetzt allen Goodwill.
Straffällig? Keine Aufnahme oder Aufnahme entziehen.
Ich randaliere auch nicht in anderen Ländern. Und auch nicht in der Schweiz.
2007
Melden
Zum Kommentar
59
SVP will Benzin und Diesel verbilligen, Rösti-Departement übt Kritik – die Sonntagsnews
Weniger Solarstrom aus den Alpen, rechtsextreme Verbindungen der Jungen SVP und gestrichene Sendungen von SRF Kultur: Das und mehr findet sich in den Sonntagszeitungen.

Der Energiekonzern Axpo hat die Prognosen zur Stromproduktion von alpinen Solaranlagen deutlich nach unten geschraubt. Statt mit zwei Terawattstunden rechnet Axpo kurzfristig noch mit einem Viertel der angestrebten Menge, wie die «SonntagsZeitung» einer neuen Schätzung entnahm. Die langfristige Produktionsprognose reduzierte der Konzern demnach gar um den Faktor 10. Das sei nicht einmal die Hälfte dessen, was sich die Politik bereits für 2030 versprochen habe. Grund seien in erster Linie die höheren Baukosten im hochalpinen Gelände. Energieminister Albert Rösti kenne das Problem. Doch wolle er weiterhin auf die alpine Solarkraft setzen. «Jede Anlage, die gebaut wird, leistet einen Beitrag», sagte er.

Zur Story