Am Samstagnachmittag kam es im Glattpark in Opfikon ZH zu wüsten Szenen: Zwei Gruppen von Eritreern gingen aufeinander los. Die Zürcher Kantonspolizei ist mit einem Grossaufgebot aufgefahren: Bis zu 30 Polizeieinsatzwagen und Ambulanzfahrzeuge waren im Einsatz, dazu kamen je ein Helikopter der Rega sowie der Alpine Air Ambulance.
Die Bilanz: zwölf verletzte Personen, davon sieben mittelschwer. Die Polizei verhaftete drei Eritreer zwischen 23 und 27 Jahren. Zwei Stunden dauerte es, die beiden Gruppierungen zu trennen und zum Verlassen des Glattparks zu bewegen.
Die #Massenschlägerei in #Opfikon hat neben Verletzten drei Verhaftungen zur Folge. #ZüriToday #Opfikon #Schägerei #Verhaftungen #KantonspolizeiZürich https://t.co/Kh9ZIbBcl0
— ZüriToday (@zueritoday) September 3, 2023
Angefangen habe der Streit in Oberuzwil im Kanton St.Gallen. Dort war ursprünglich ein Fest geplant, an dem sich Anhänger des eritreischen Diktators, Isaias Afewerki, versammeln wollten. Grund des Festes war der Jahrestag des eritreischen Unabhängigkeitskriegs.
Der Protest von Regimegegnern kündigte sich bereits im Vorfeld an, aus Sicherheitsgründen sagten die Veranstalter die Festlichkeiten darum kurzfristig ab. Damit war es aber nicht vorbei: Viele Teilnehmer verschoben sich nach der Absage nach Opfikon.
Auch die Regimegegner, die gegen das Festival in Oberuzwil demonstrieren wollten, bekamen dies mit. Shalom Habte war einer davon. Gegenüber dem «Tagesanzeiger» erzählt Habte, dass er und seine Freunde die Polizei vor dem Auflauf warnten. Als sie in Opfikon ankamen, seien die Regimeanhänger in der Überzahl gewesen.
Die einen Eritreer sind dem Regime treu, die anderen flüchteten vor dem Regime. Was sich zunächst widersprüchlich anhört, hat vor allem mit dem Zeitpunkt ihrer Flucht zu tun.
Der Konflikt zwischen Regimegegnern und Regimetreuen schwele schon seit Jahrzehnten. «Die Situation ist nicht neu», sagt Okbaan Tesfamariam auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Der Eritreer ist Mediensprecher beim Eritreischen Medienbund Schweiz und Aktivist.
Nach einem blutigen Unabhängigkeitskrieg hatte sich Eritrea 1993 von Äthiopien getrennt, ohne dass die Unabhängigkeit von Äthiopien anerkannt wurde. Wenig später übernahm Afewerki die Macht und verwandelte das Land laut Amnesty International in eine der brutalsten Diktaturen auf dem Kontinent.
Eritrean People's Liberation Front T-55 tanks head to battle, Eritrean war of independence. #Eritrea 🇪🇷 pic.twitter.com/Yeiw9LZTKq
— Jonathan (@itsEritrea) January 20, 2021
Viele im Lager der Regimetreuen flüchteten während des Unabhängigkeitskriegs in den 70er- und 80er-Jahren. Sie kennen das heutige Eritrea häufig nur durch Hörensagen oder von Besuchen, erklärt Annelies Müller, Beraterin und Spezialistin für Eritrea und Äthiopien, gegenüber «20 Minuten». Häufig seien sie älter und auch ihre Kinder hegten Sympathien für das Regime.
Die Eritreerinnen und Eritreer, die als Asylsuchende in den letzten Jahren in die Schweiz kamen, flüchteten hingegen vor der Afewerki-Diktatur oder dem strengen lebenslangen Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem.
Dass es in letzter Zeit vermehrt zu Gewalt gekommen sei, sei die Folge der sich häufenden Propagandatouren, sagte Tesfamariam. Die Krawalle zwischen Eritreern in den letzten Tagen standen im Zusammenhang mit Eritrea-Festivals. «Diese Festivals sind Propagandaveranstaltungen der eritreischen Diktatur», sagte Tesfamariam.
Die Diktatur sammle im Namen des Unabhängigkeitskriegs an solchen Anlässen Geld. Viele Exil-Eritreer würden sich davon unter Druck gesetzt fühlen.
Die Gegner der Feste fordern, dass solche «Kulturfestivals» verboten werden. In den Niederlanden ist dies passiert: Das Land hat die Veranstaltung diesen Sommer verboten. Die Behörden befürchteten Gewaltaufrufe und machten Sicherheitsbedenken geltend.
Bei der Botschaft von Eritrea in Genf sowie beim Konsulat in Wettingen AG war bis am Sonntagnachmittag niemand für eine Stellungnahme erreichbar.
Während die Rufe nach Verboten von solchen Festen lauter werden, könnte die Auseinandersetzung auch in der Politik ein Nachspiel haben. Der Grüne-Nationalrat Nicolas Walder aus dem Kanton Genf sagte zu «20 Minuten», dass er das Thema am Dienstag in der aussenpolitischen Kommission einbringen will.
Auch im Zürcher Kantonsrat war der Eritreer-Streit am Montag Thema: Die SVP will vom Regierungsrat wissen, was er gegen die zunehmende Gewalt zwischen eritreischen Gruppierungen tun will.
In der am Montag eingereichten Anfrage will die SVP unter anderem wissen, ob die Zahl der Gewalttaten zwischen Eritreern in der Schweiz in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Zudem erkundigt sich die Partei nach den Möglichkeiten, um Staatsangehörige mit Asyl- oder Flüchtlingsstatus auszuweisen, falls diese für Ausschreitungen verantwortlich sind.
(mit Material der sda)