Erstmals in der Geschichte der SPD stehen eine Frau und ein Mann als Duo an der Spitze der Sozialdemokraten: Mit deutlicher Mehrheit wurden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Freitag auf dem Bundesparteitag in Berlin zu Parteivorsitzenden gewählt.
Auf dem Parteitag schlugen Esken wie Walter-Borjans deutlich linke Töne an. Die SPD habe zum Ausbau des Niedriglohnsektors in Deutschland beigetragen und Hartz IV beschlossen, «darum will ich, dass wir umkehren», forderte Esken in ihrer Rede.
Mit Blick auf die Regierungszusammenarbeit mit der Union bekräftigte sie ihre Vorbehalte. Die nun von der SPD geforderten Verhandlungen mit der Union zu Korrekturen am Kurs der Regierung seien «eine Chance auf die Fortsetzung der grossen Koalition, nicht mehr und nicht weniger».
In seiner Bewerbungsrede forderte Walter-Borjans, die SPD müsse «wieder die Partei der Verteilungsgerechtigkeit» werden. Er kritisierte, in Deutschland gebe es eine Umverteilung von unten nach oben. «Es ist höchste Zeit, das wirklich mal zu ändern.»
Walter-Borjans wandte sich auch gegen ein prinzipielles Festhalten an der schwarzen Null. Klimaschutz, attraktive Arbeitsplätze und eine «hervorragende Bildung» seien wichtiger, als kommenden Generationen «eine niedrige Schuldenquote zu hinterlassen».
Vor allem Esken war zuvor im Ringen um den Parteivorsitz auf scharfe Distanz zur ungeliebten GroKo - der Regierungskoalition zwischen der konservativen CDU/CSU und SPD - gegangen.
Walter-Borjans formulierte stets etwas vorsichtiger und will anhand von Sachfragen überprüfen, ob das Regierungsbündnis doch weitergeführt werden könnte. Dies ist nun auch die Kernaussage des Leitantrages für den Parteitag, der am Freitagabend beschlossen werden sollte. Vom GroKo-Austritt ist in dem Text nicht mehr die Rede, was bei Parteilinken für Irritationen sorgte.
Aktuell stellen beide Duo-Partner vier Themenfelder in den Vordergrund: Ein milliardenschweres Investitionsprogramm, mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz etwa durch einen höheren CO2-Preis, Gestaltung der Digitalisierung und Zukunft der Arbeit mit einem Mindestlohn von zwölf Euro. Darüber wollen Walter-Borjans und Esken nun mit CDU und CSU sprechen.
Der 67-jährige Walter-Borjans war von 2010 bis 2017 Finanzminister von Nordrhein-Westfalen (NWR). Bekannt wurde er in dieser Zeit durch den Ankauf von Datenträgern mit Angaben zu Fällen von Steuerhinterziehung aus der Schweiz. Auch danach blieb der Kampf für mehr Steuergerechtigkeit ein Arbeitsschwerpunkt des SPD-Politikers.
Begonnen hat der 1952 in Krefeld-Uerdingen geborene Volkswirt seine politische Laufbahn 1996 als Regierungssprecher des damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau.
Später wurde er erst Staatssekretär für Wirtschaft und Finanzen im Saarland, dann 2004 Staatssekretär für Wirtschaft und Arbeit in NRW. Auch Umweltthemen waren ihm stets wichtig.
Die 58-jährige Esken sitzt seit 2013 im deutschen Bundestag, wo sie sich der Parlamentarischen Linken in der SPD anschloss. Ihre politische Heimat hat sie im baden-württembergischen Calw.
Da ihr der Gewinn des Direktmandats in der traditionellen CDU-Hochburg verwehrt blieb, zog sie über die Landesliste ins Parlament ein. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten der gelernten Informatikerin zählt dort die Digitalpolitik.
Esken ist Mitglied von BUND und Greenpeace und unterstützt das Kampagnennetzwerk Campact. Zudem ist sie Gründungsmitglied des Calwer Bündnisses gegen Rechts.
Im SPD-Kandidatenrennen meldete sie sich wiederholt auch mit sozialpolitischen Themen zu Wort. So forderte sie einen Weiterbildungsanspruch für Arbeitnehmer und erwägt ein bedingungsloses Grundeinkommen. (aeg/sda/afp)