Dienstagabend, kurz nach 18 Uhr. Olaf Scholz tritt für ein Statement vor die Medien. Er redete lange, ausführlich – und am Ende fragt man sich: Was hat der Kanzler jetzt eigentlich konkret gemeint?
Es ging um Waffenlieferungen an die um ihr Überleben kämpfende Ukraine. Präsident Wolodimir Selenski fordert schweres Geschützt mit Vehemenz und seit Wochen: Deutsche Marder- und Leopard-Panzer, Panzerhaubitzen, Helikopter, Artilleriegeschütze.
Erwartet worden war, dass Scholz ganz konkret zu dieser Frage Stellung nehmen wird, denn die Waffenlieferungen werden zunehmend auch zur Belastungsprobe für seine eigene Koalition aus SPD, Grünen und FDP.
Doch der 63-Jährige zündete eine rhetorische Nebelkerze. Deutschland schickt Waffen und Munition, ja, und die Ukraine kann auf einer Liste der deutschen Rüstungsindustrie auswählen, was sie braucht, Deutschland finanziert das Milliarden-Geschäft. «Auch das, was man in einem Artilleriegefecht einsetzen kann», fügte Scholz hinzu.
Doch welche Waffen das genau sind, darüber spricht Scholz nicht. Panzer aus Bundeswehrbeständen wird es für die Ukraine nicht geben, zumindest nicht offiziell. Die Bundeswehr selbst muss verteidigungsfähig bleiben, und ihre Aufgabe innerhalb der Nato erfüllen können, meinte Scholz. «Hier müssen wir erkennen, dass die Möglichkeiten, die wir haben, an ihre Grenzen stossen.» Die Ukraine brauche ohnehin vor allem Waffen sowjetischer Bauart, über die verfüge Deutschland kaum.
Aber wenn Tschechien oder Estland schweres Geschützt in die Ukraine liefern, dann sorge Deutschland mit modernen Rüstungsgütern dafür, dass die beiden Ländern die entstandene Lücke im eigenen Waffenarsenal schliessen könnten. Wenig später meinte Scholz dann auch: «Wir liefern Waffen, die alle anderen auch liefern.» Was freilich so nicht ganz stimmt: Die USA und etwa auch Holland senden schwere Waffen in die Ukraine.
Scholz ist unter Druck, das ist ihm anzumerken. Kritik prasselt auf ihn ein von allen Seiten: aus der Ukraine, aus seiner eigenen Regierung, selbst aus der eigenen Partei. Die Kritik hinterlässt Spuren. In einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor einigen Tagen wirkte er dünnhäutig. Seinen Kritikern in den Reihen seiner Koalitionspartner FDP und Grünen sagte er:
Scholz ist sehr darum bemüht, die Reihen in seiner Dreierkoalition geschlossen zu halten und die Folgen für die deutsche Gesellschaft durch den russischen Krieg in der Ukraine abzumildern. Ein Bruch der Regierung, instabile politische Verhältnisse, das würde Kreml-Herrscher Wladimir Putin in die Karten spielen.
Unruhen in der Bevölkerung ebenso. Deshalb will Scholz auch nicht sofort aus russischem Öl und Gas aussteigen. Er fürchtet Arbeitslosigkeit und soziale Verwerfungen und dadurch begründet einen Meinungsumschwung zum Ukraine-Krieg. So ein Szenario würde nur Putin helfen.
Scholz muss aufpassen, dass er nicht als Ankündigungskanzler in die Geschichte eingehen wird. Da er bei seiner Hilfe für die Ukraine nicht bereit sei, wirklich über Grenzen zu gehen, wie Kritiker monieren. Stichwort russische Energie, schweres Kriegsgeschütz.
In seiner Rede Ende Februar, in der er eine Zeitenwende in der deutschen Aussen- und Sicherheitspolitik und ein Modernisierungs- und Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr angekündigt hatte, klang das nach purer Entschlossenheit gegenüber dem Kreml. Doch der Sonderetat von 100 Milliarden Euro, mit dem Scholz die Bundeswehr auf Vordermann bringen möchte, muss noch durch den Bundestag. Das Vorhaben könnte theoretisch scheitern.
Scholz sagte am Dienstagabend auch, Putin dürfe den Krieg in der Ukraine unter keinen Umständen gewinnen:
Zugleich spielt der Genosse auch das Szenario durch, dass Putin den Krieg nach Westen ausweiten könnte. Deshalb scheint er nicht dazu bereit zu sein, die Bundeswehr zu schwächen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufs Spiel zu setzen. Und er stimmt jeden seiner Schritte mit den Nato-Partnern ab.
Seine Kritiker liess Scholz nach seinem Statement jedenfalls nicht verstummen. «Deutschland ist das wirtschaftsstärkste Land in der Europäischen Union, und deshalb sollten wir deutlich mehr tun», sagte Grünen-Politiker Anton Hofreiter. CDU-Politiker Johann Wadephul ging via Twitter noch weiter:
Ich hoffe, Herr Scholz wird sich noch umstimmen lassen, wenn sogar schon die Grünen fordern dass er Panzer liefert.
Irgendwann muss auch die SPD erkennen dass in Moskau nicht mehr die alten Genossen sitzen.