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Selbstbestimmungsgesetz: Deutschland baut Hürden für Transpersonen ab

12.04.2024, Berlin: Amity steht bei einer Protestveranstaltung gegen das Selbstbestimmungsgesetz von Frauengruppen mit einem F
Am Freitag wurde in Berlin das Selbstbestimmungsgesetz verhandelt, 12. April 2024.Bild: DPA

Deutschland stärkt Rechte von Transpersonen: Grünes Licht für Selbstbestimmungsgesetz

12.04.2024, 15:3812.04.2024, 23:39
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Nach einer teils hochemotionalen Debatte hat das deutsche Parlament grünes Licht für das neue Selbstbestimmungsgesetz gegeben. Das Plenum stimmte am Freitag in namentlicher Abstimmung mehrheitlich für das Gesetz, mit dem die Änderung von Geschlechtseinträgen auf dem Amt künftig deutlich leichter werden soll als bisher.

Bei insgesamt 636 abgegebenen Stimmen votierten 374 Abgeordnete für das Gesetz. Mit Nein stimmten 251, elf Abgeordnete enthielten sich. Unterstützung für das Gesetz der Regierungskoalition aus SPD, Grüne und FDP kam aus der Gruppe Die Linke. Die oppositionelle Union aus CDU und CSU sowie die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) lehnten eine Zustimmung klar ab.

Mit dem neuen Gesetz soll es leichter werden, seinen Geschlechtseintrag und Vornamen auf dem Amt ändern zu lassen. Es sieht vor, dass Menschen ab 1. November dieses Jahres die entsprechende Änderung per Erklärung gegenüber dem Standesamt vornehmen können. Die bisherige Pflicht, eine ärztliche Bescheinigung und mehrere Gutachten dafür vorzulegen, soll wegfallen.

Die Erleichterungen betreffen vor allem transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen, die bislang hohe Hürden auf sich nehmen mussten, um ihren Geschlechtseintrag samt Vornamen auf dem Amt ändern zu lassen. Sie müssen bis heute dafür ein langwieriges und kostspieliges Verfahren mit Sachverständigengutachten durchlaufen.

Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz wird das seit 40 Jahren geltende Transsexuellengesetz abgelöst. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regelungen des Gesetzes mehrfach in Teilen für verfassungswidrig erklärt und auf die demütigenden Verfahren für Betroffene hingewiesen.

Lob von Transpersonen und Kritik der AfD

Mit den Demütigungen sei nun Schluss, erklärte der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, am Freitag im Bundestag. Das Transsexuellengesetz habe genug Leid verursacht. Die Grünen-Abgeordnete Nyke Slawik, die selbst zur Gruppe der Transpersonen gehört und ihren Geschlechtseintrag auf Basis der bisherigen Regeln ändern liess, bedankte sich bei allen, die das neue Gesetz möglich gemacht hätten.

«Als Transpersonen erleben wir immer wieder, dass unsere Würde zur Verhandlungssache gemacht wird», erklärte sie. Damit sei nun Schluss. Aus der Opposition kam scharfe Kritik.

Die CDU-Abgeordnete Mareike Wulf (CDU) warf der Regierungskoalition vor, dass mit dem Gesetz künftig jeder Bürger seinen Geschlechtseintrag auf dem Amt ändern lassen könne, ohne dafür eine nähere Begründung zu nennen. Die AfD fand teils drastische Worte. «Jeder soll plötzlich irgendwie alles sein können», rief der Abgeordnete Martin Reichardt. Er sprach von «ideologischem Unfug» und von «Transextremisten». Es sei ein «aberwitziges Gesetz», das seine Fraktion vollumfänglich ablehne. (sda/dpa)

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29 Kommentare
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El_Chorche
12.04.2024 16:21registriert März 2021
"Mit den Demütigungen sei nun Schluss, erklärte der Queerbeauftragte der Bundesregierung"

Gibt es in der Schweiz eigentlich auch einen Queerbeauftragten?

Und was mich noch mehr interessieren würde: Wie wäre es mit einem Mittelstandsbeauftragten?

Ich weiss, eine verschwindende Minderheit, aber trotzdem sollten sie in der Regierung auch irgendwie vertreten werden, finde ich.
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Atavar
12.04.2024 16:31registriert März 2020
Ich finde es gut, dass für Minderheiten auch Politik gemacht wird.
Ich finde es bedenklich, dass andere Politik (mindestens medial) kaum mehr stattfindet.
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waslabaschdu
12.04.2024 16:32registriert Juni 2020
Aiaiai ich verstehe immer mehr, wieso so viele in Deutschland die Afd wählen.. Rechtsrutsch = gesellschaftliche Unzufriedenheit.
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