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AfD stellt ihren ersten Landrat in Deutschland

Rechtsrutsch: AfD stellt ihren ersten Landrat in Deutschland

25.06.2023, 19:4825.06.2023, 20:19
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Zehn Jahre nach ihrer Gründung hat die rechtspopulistische AfD erstmals in Deutschland ein kommunales Spitzenamt erobert. Im Kreis Sonneberg in Thüringen gewann ihr Bewerber Robert Sesselmann am Sonntag die Landratswahl. In einer Stichwahl erhielt er nach dem vorläufigen Ergebnis 52.8 Prozent der Stimmen. Das teilte das Wahlamt mit. Der amtierende Landrat von der CDU, Jürgen Köpper, kam nur auf 47.2 Prozent, obwohl er von einer Parteienallianz unterstützt wurde. Sesselmann war wegen seines hohen Ergebnisses im ersten Durchgang als Favorit in das Rennen gegangen.

Thüringens Innenminister und SPD-Vorsitzender Georg Maier bezeichnete das Wahlergebnis als «Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte». Nun heisse es, «parteipolitische Interessen hintan zu stellen und gemeinsam die Demokratie zu verteidigen». Politik und Demokratie seien der Wettstreit um die besten Ideen und nicht um die grösste Empörung, erklärte der SPD-Politiker.

Die Kommunalwahl in dem Kreis an der Grenze zu Bayern hatte bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Die AfD hat in Umfragen derzeit Aufwind, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. In Thüringen wird die Partei mit Landeschef Björn Höcke vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und beobachtet.

Linke, SPD, Grüne und FDP in Thüringen hatten für eine hohe Wahlbeteiligung und die Unterstützung des CDU-Bewerbers geworben. Die Wahlbeteiligung lag nun bei 59.6 Prozent - im ersten Durchgang vor zwei Wochen waren es 49.1 Prozent. Der Landkreis im Thüringer Wald mit 57 000 Einwohnern und rund 48 000 Wahlberechtigten ist einer der kleinsten in Deutschland.

Sesselmann und die AfD bestritten den Wahlkampf vor allem mit Bundesthemen wie dem umstrittenen Heizungsgesetz, der hohen Inflation oder gestiegenen Flüchtlingszahlen. In der Region, die ländlich und konservativ geprägt ist, war darum von einer Abstimmung über die Bundespolitik die Rede, mit der derzeit viele Menschen unzufrieden seien.

Zentralrat der Juden zutiefst beunruhigt über AfD-Sieg
Der Zentralrat der Juden zeigt sich tief erschüttert vom Wahlerfolg der rechtspopulistischen AfD im thüringischen Landkreis Sonneberg. «Um es klar zu sagen: Nicht jeder der AfD-Wähler hat eine rechtsextreme Gesinnung», sagte Zentralratspräsident Josef Schuster nach Angaben der «Jüdischen Allgemeinen». «Aber die Partei, deren Kandidaten sie gewählt haben, ist laut Landesverfassungsschutz rechtsextrem.»
Dass so viele Menschen dem zustimmen, beunruhige ihn zutiefst, meinte Schuster. «Das ist ein Dammbruch, den die demokratischen politischen Kräfte in diesem Land nicht einfach hinnehmen dürfen.»
Auch das Internationale Auschwitz Komitee reagierte entsetzt. Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner erklärte: «Heute ist ein trauriger Tag für den Landkreis Sonneberg, für Deutschland und für die Demokratie. Eine Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler hat sich offensichtlich aus der Demokratie verabschiedet und sich bewusst für eine rechtsextreme, von einem Nazi dominierte Zerstörungs-Partei entschieden.» (sda/dpa)​

AfD-Vertreter wie Thüringens Co-Landessprecher Stefan Möller gaben der Wahl eine hohe Bedeutung. Ihnen ging es um den Nachweis der Wählbarkeit und eine Art Präzedenzfall, dass die AfD politisch Verantwortung übernehmen kann. Nach einer repräsentativen Civey-Umfrage für den TV-Sender Welt sind 52 Prozent der Deutschen beunruhigt von der Vorstellung eines AfD-Landrats.

Sesselmann ist 50 Jahre alt, Rechtsanwalt und derzeit AfD-Landtagsabgeordneter in Erfurt. Er stammt aus der Stadt Sonneberg. Als Chef der Kreisverwaltung muss er künftig vor allem Beschlüsse des Kreistages, aber auch von Landtag und Bundestag umsetzen. Ausserdem kann er regionale Fragen klären wie die Kita-Betreuung oder die Sanierung von Gebäuden und Strassen. (sda/dpa)

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91 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
25.06.2023 20:17registriert April 2016
Wahnsinn.

Und wie lautet das Rezept der aktuellen Regierung: AfD verbieten.

Von ehrlicher Fehlersuche bei sich selber keine Spur.
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Raber
25.06.2023 20:14registriert Januar 2019
So kommts,wenn sich praktisch alle Parteien in den meisten Fragen einig sind, ähnlich den Medien. Somit reicht eigentlich,nur zu sagen, wir machens anders. Für mich ein Versagen der anderen Parteien, die sollten sich jetzt an die eigene Nase fassen und besser und stärker zurück kommen,wie es im Sport heisst. Befürchte aber,dass sie mehr Energien darauf verwenden werden,die AFD zu verbieten,denn volksnähere Politik zu machen.
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AJM
25.06.2023 20:46registriert Februar 2022
Die aktuelle Politik der Ampelregierung (insb. jene der Grünen) wird noch viele weitere Wähler zur AfD treiben. Die meisten davon werden nicht rechtsextrem sein, sondern einfach genug haben von der abgehobenen, scheinheiligen und alles andere als volksnahen Politik der Altparteien.
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