In sämtlichen Umfragen hängt der Chef der kleineren Schwesterpartei CSU, Markus Söder, den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet ab. Und zwar deutlich: Laut einer aktuellen Umfrage des Forsa-Instituts würden 38 Prozent der Deutschen Markus Söder zum Kanzler wählen, Laschet nur 17 Prozent. Die Werte sprechen eine klare Sprache: Mit Söder hätte die Union aus CDU und CSU im Bundestagswahlkampf im Herbst die besseren Chancen.
Kritiker verweisen häufig auf die beiden Bayern, die es schonmal versuchten mit der Kandidatur – und scheiterten: Franz-Josef Strauss und Edmund Stoiber. Doch Söder bietet weniger Angriffsfläche als die beiden. Strauss und Stoiber waren in ihrem Bundesland jeweils unangefochten, im Rest der Republik aber teilweise schwer vermittelbar.
Söder indes verkörpert den aktuellen Zeitgeist besser als jeder andere Konservative: Er hat so viele Schafe gestreichelt und Bäume umarmt – und dabei natürlich stets einen Fotografen dabei gehabt –, dass ihm sein Bekenntnis zum Klima- und Umweltschutz niemand ernsthaft absprechen möchte. Anders als Laschet, der sich auch um die Kohle-Kumpels im Ruhrpott sorgen muss, steht Söder klar für eine Koalition mit den Grünen. Das wünschen sich derzeit die meisten Deutschen.
Als Ministerpräsidenten von grossen Bundesländern stehen sowohl Söder als auch Laschet an der Frontlinie der Pandemie-Bekämpfung. Doch während Laschet immer wieder für sein Krisenmanagement unter Beschuss gerät und kürzlich selbst den Zorn von Kanzlerin Angela Merkel auf sich zog, die ihren Parteichef öffentlich im TV abwatschte, perlt an Markus Söder scheinbar alles ab. Und zwar nicht, weil er so viel besser oder geradliniger handeln würde.
Ein Beispiel: Söder war es, der vor allen anderen die Baumärkte in seinem Bundesland Bayern öffnete. Dafür bekam er massive Kritik aus dem Nachbar-Bundesland Baden-Württemberg. Die Folge? Kurz darauf schrieb Söder gemeinsam mit seinem baden-württembergischen Amtskollegen Winfried Kretschmann einen Brief an die restlichen Landeschefs und ermahnte diese, bei den Lockerungen nicht so schnell zu sein. Plötzlich sass Söder im «Team Vorsicht» – also im Team der Kanzlerin, das in Deutschland immer noch beliebter ist als das «Team Öffnung», zu dem Armin Laschet zählt.
Söder bringt solche offensichtlichen Widersprüche unter einen Hut, ohne dass ihm ein öffentlicher Schaden daraus entsteht. Beispiele für politische Kehrtwenden gibt es zur Genüge, etwa in der Flüchtlingspolitik. Allesamt blieben für ihn folgenlos. Ein Kandidat, der es schafft, das Loser-Image von sich fern zu halten, scheint im Wahlkampf erfolgversprechender als einer, auf den die Kritik bei jeder Gelegenheit nur so einprasselt.
Markus Söder tritt für die Union an, wenn die CDU das möchte. Das ist seine klare Ansage. Er setzt also darauf, dass die Zweifel der Partei an ihrem eigenen Chef Armin Laschet gross genug sind, um sich von ihm abzuwenden. Eine entscheidende Rolle könnte der Bundestagsfraktion zukommen – die einzige Gruppe, in der Abgeordnete der bayrischen CSU und der 15 CDU-Länder Seite an Seite sitzen.
Viele dieser Abgeordneten haben die Sorge, ihr Mandat zu verlieren, wenn die Union bei der Bundestagswahl abstürzt. Deshalb wird bereits Druck aufgebaut – auch aus Reihen der CSU -, die Entscheidung über den richtigen Kanzlerkandidaten der Fraktion zu überlassen und nicht, wie geplant, Söder und Laschet die Sache untereinander ausmachen zu lassen. Würde das so kommen, hätte Söder wohl die besseren Chancen.
Armin Laschet regiert das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland. Sein Landesverband ist der grösste innerhalb der CDU. Und er hat sich erst kürzlich im Rennen um den Parteivorsitz gegen Friedrich Merz durchgesetzt. Innerhalb der CDU hat er also viele Fürsprecher. Medienberichten zufolge soll sich an diesem Montag das CDU-Präsidium hinter Laschet gestellt haben – das wäre ein Meilenstein für die Kandidatur.
Zwar setzten sich einige Bundestagsabgeordnete angesichts der katastrophalen Umfragewerte von ihm ab und wechselten ins Söder-Lager. Auffällig jedoch ist, dass kein wirklich prominenter Name darunter ist. Zwar hat sich auch noch kein Ministerpräsident für Laschet ausgesprochen – aber eben auch noch keiner gegen ihn.
Unter den Anhängern von Friedrich Merz hat Laschet zuletzt überdies gepunktet: Während Söder mit den Grünen flirtet, hat Laschet beinah unbemerkt ein fast wirtschaftsliberales Programm vorgestellt, das er verfolgen möchte. Selbst Merz persönlich ist eher pro Laschet als pro Söder.
Bei aller Kritik und all den Schwächen im Auftreten, die Laschet immer wieder offenbart – zuletzt etwa bei Talkmaster Markus Lanz, wo Laschet einen nervösen Eindruck hinterliess und Tage später von Söder im selben Talkformat geradezu abgetrocknet wurde: Laschet liefert, wenn es zählt. Beim Bundesparteitag der CDU Mitte Januar etwa.
Seine Rede dort überzeugte wohl die letzten Unentschlossenen, sich ihm und nicht Merz anzuschliessen. Er gab den «Büezer» und erzählte, wie sein Vater in der Steinkohle-Miene schuftete. Grüner Zeitgeist heisst ja nicht, dass man damit sämtliche Konservative abholt.
Laschet überzeugte. Und das nicht zum ersten Mal: Auch im Kampf um das Ministerpräsidentenamt in Nordrhein-Westfalen 2017 galt er als Underdog, chancenlos gegen die strahlende Landesmutter Hannelore Kraft. Das Amt entriss er ihr dennoch. Nicht wenige trauen ihm eine Steigerung mit Blick auf den Herbst zu.
Das Rennen um die Kanzlerkandidatur in der Union ist keines, bei denen die beiden Teilnehmer mit gleichen Chancen starten. Die CSU kommt nur im Ausnahmefall zum Zug. Oder dann, wenn der CDU-Chef verzichtet. Das hat Laschet bereits abgelehnt. Die Hürde für Söder ist also entsprechend hoch. Es hängt an Armin Laschet: Hat er innerhalb der Partei genügend Rückhalt? Dann wird er der Kandidat. Falls nicht, steht Markus Söder bereit. (aargauerzeitung.ch)
Das ist das Beste, was die (noch) Wählerstärkste Partei bieten kann? Eine bittere Pille - wobei es bei uns ja auch nicht soooo gross anders ist.