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Deutschland: Warum das BSW schon vor der Bundestagswahl scheitern könnte

Wagenknecht ringt um Kontrolle: Warum das BSW eine politische Totgeburt sein könnte

Lange erschien der Einzug des BSW in den nächsten Bundestag so gut wie sicher. Nun aber schwächelt die neue Partei. Während die Chefin auf Protest setzt, wollen ihre Parteikollegen in den Ländern regieren.
24.11.2024, 14:25
Hansjörg Friedrich Müller, Berlin / ch media
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In der deutschen Politik ist vieles im Fluss. Selbst dass ein amtierender Kanzler wenige Monate vor der Bundestagswahl von seiner Partei als Spitzenkandidat abgesägt wird, erschien eine Zeit lang nicht völlig ausgeschlossen, bis Boris Pistorius am Donnerstagabend endlich seinen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur der SPD erklärte.

epa11718395 Leader of the left-wing Alliance (BSW) party Sahra Wagenknecht (C) attends a session at the German Parliament Bundestag in Berlin, Germany, 13 November 2024. German Chancellor Scholz deliv ...
Hat andere Interessen als ihre Parteikollegen in den ostdeutschen Bundesländern: Sahra Wagenknecht.Bild: keystone

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor, mit dem alle rechneten, könnte sich derweil von selbst erledigen: das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Vor kurzem noch schien ausgemacht, dass die neue Partei in den nächsten Bundestag einziehen würde – und Mehrheitsbildungen weiter erschweren würde, denn auf Bundesebene will keine der etablierten Kräfte mit dem BSW zusammenarbeiten, gilt die neue Partei doch als kremlfreundlich.

In Sachsen ging Wagenknechts Obstruktionsversuch auf

Nun befindet sich das BSW in einer paradoxen Lage: In den ostdeutschen Bundesländern Thüringen und Brandenburg wird es wohl – nicht einmal ein Jahr nach seiner Gründung – Teil der dortigen Landesregierungen werden. Gleichzeitig deuten bundesweite Umfragen darauf hin, dass die Wagenknecht-Partei den Einzug in den Bundestag verpassen könnte.

Dabei ist es gerade der Erfolg des BSW in den Ländern, der die Partei auf Bundesebene schwächt: Während Sahra Wagenknecht ein Protest- und Anti-Establishment-Kurs vorschwebt, wollen ihre Parteikollegen in Potsdam und Erfurt lieber mitregieren.

Der Konflikt schwelt seit den ostdeutschen Landtagswahlen im September. Wagenknecht machte zur Bedingung, dass sich künftige Regionalregierungen mit BSW-Beteiligung für einen kompromissbereiten Kurs gegenüber Russland einsetzen. Womöglich hoffte sie, durch diese Bedingung Regierungsbeteiligungen verhindern zu können.

In Sachsen ist ihr Obstruktionsversuch aufgegangen: Dort sind die Verhandlungen zwischen CDU, SPD und BSW bereits vor zwei Wochen gescheitert; nun werden Christdemokraten und Sozialdemokraten wohl eine Minderheitsregierung bilden. In Brandenburg dürften sich SPD und BSW dagegen nächste Woche auf eine Koalition einigen, und in Thüringen läuft es auf ein Bündnis von CDU, BSW und SPD hinaus.

In Thüringen setzt sich Wolf gegen Wagenknecht durch

In beiden Ländern scheint man sich auf Präambeln zum Koalitionsvertrag geeinigt zu haben, die Kompromissformeln über die aussenpolitische Positionierung der künftigen Landesregierungen enthalten. In Brandenburg lief dies relativ geräuschlos ab, stehen sich SPD und BSW doch in der Ukraine-Politik näher als CDU und BSW. Worauf sich die Parteien in Thüringen geeinigt haben, soll am Freitag bekannt werden; der dortige CDU-Chef und wahrscheinlich neuer Ministerpräsident Mario Voigt spricht von einem «recht friedlichen Papier».

Dass der Machtkampf zwischen Sahra Wagenknecht und der Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf nicht offen ausbrach, dürfte der bevorstehenden Bundestagswahl geschuldet sein, vor der sich die Partei einen grossen Konflikt nicht leisten kann. Zeitweise verhandelte Wolf gegen Wagenknechts Willen mit der CDU, wobei sie die grosse Mehrheit der Thüringer BSW-Abgeordneten hinter sich wusste.

ARCHIV - 02.10.2024, Th�ringen, Erfurt: Katja Wolf, BSW-Fraktionschefin, kommt zu den Sondierungsgespr�chen zwischen CDU, BSW und SPD in der Erfurter Innenstadt. In Th�ringen wurde am 1. September ein ...
Strebt eine Regierungsbeteiligung in Erfurt an: die thüringische BSW-Vorsitzende Katja Wolf.Bild: keystone

Wagenknecht soll derweil versucht haben, eigene Gefolgsleute in den Thüringer BSW-Verband aufzunehmen, um Wolfs Mehrheit zu brechen. Nun versucht die Parteichefin, ihr Gesicht zu wahren: Es sei ihrem Druck zu verdanken, dass man in Thüringen einen akzeptablen Kompromiss mit der CDU gefunden habe, sagt Wagenknecht. Dabei wolle sie «bis in die Halbsätze mitreden», schreibt die «Frankfurter Allgemeine Zeitung».

Ob der derzeitige Burgfriede im BSW lange anhält, ist fraglich. Sahra Wagenknecht und einige ihrer Kollegen kennen derartige Konflikte aus ihrer alten Partei, der Linken. Auch diese verlor an Anziehungskraft, je mehr Regierungsverantwortung sie in ostdeutschen Bundesländern übernahm und als Teil des Establishments wahrgenommen wurde.

So spricht manches dafür, dass das BSW in einen Fäulniszustand eingetreten sein könnte, bevor es überhaupt die politische Reife erreicht hat. Wagenknecht könnte sich dann auf die Felder zurückziehen, auf denen sie bisher schon reüssiert: Talkshows und den Buchmarkt. (aargauerzeitung.ch)

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hans Jürg
24.11.2024 14:41registriert Januar 2015
Schon noch blöd. Da gründete W eine Prozeszoartei, die nur als PR-Vehikel für sie und den Verkauf ihrer Bücher dienen sollte sowie als Propaga-Organisation für Putin. Und dann wollen die Mitglieder ihrer Partei doch tatsächlich echte Politik machen.
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El_Chorche
24.11.2024 14:53registriert März 2021
Tja, die anderen BWSler wollen halt auch an die Futtertröge der Macht.

Das geht nur, wenn man mitregiert.

Und wenn man mitregiert, müssen Kompromisse her und schwupp, gehört man zum Establishment.

🤷
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flegenheimer
24.11.2024 16:48registriert August 2023
Bei 2 Menschen wird mir - trotz relativ grossem Verständnis auch für Quatschköpfe - speiübel wenn ich sie zu Russland reden, oder drumherum schwadronieren höre: Köppel und Wagenknecht.

Pure Abneigung.
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