Am 5. August dieses Jahres wurde auf dem deutschen Sender RTL die Sendung «Explosiv» zum Thema «Leben zwischen zwei Welten» ausgestrahlt. Dabei sprach Moderator Maurice Gajda mit Trong Hieu Nguyen, einem deutsch-vietnamesischen Sänger. Nguyen hatte sich um eine Teilnahme für Deutschland am Eurovision Song Contest 2023 beworben – bei der Vorentscheidung landete er auf Rang 4, weshalb er die Reise nach Liverpool nicht antreten durfte.
Nguyen fiel bei der Vorentscheidung mit einem extravaganten Auftritt auf. Dies passte nicht allen – auch darüber sprach Moderator Gajda in seiner Sendung. Und blendete dabei ein Foto eines brisanten Posts auf X (früher Twitter) ein. In diesem soll die ehemalige AfD-Chefin Frauke Petry schreiben: «Ich glaube, kein Deutscher will einen rosa gefärbten Asiaten beim ESC sehen.»
Der Post sei mittlerweile wieder gelöscht worden, sagt Gajda. Dennoch sorgt er damit für Ärger in Nguyens Umkreis: «Mir fallen sehr viele Beleidigungen für sie ein, die ich jetzt nicht nennen werde», so ein Kollege des Musikers, der ebenfalls Teil der Sendung ist.
An diesem Dienstag setzt sich Frauke Petry zur Wehr – und äussert schwere Vorwürfe gegen RTL. «Wie man mit politisch unbequemen Personen umgeht, demonstriert RTL hier eindrucksvoll», schreibt Petry auf X zu einem Clip der umstrittenen Sendung. «Man denkt sich einen rassistischen Tweet aus, ein Grafiker setzt das um und fertig ist das Fake.» Auf Nachfrage eines Users schreibt Petry, sie habe diesen Post niemals verfasst.
Wie man mit politisch unbequemen Personen umgeht, demonstriert @RTL_com hier eindrucksvoll.
— Frauke Petry (@FraukePetry) August 15, 2023
Man denkt sich einen rassistischen Tweet aus, ein Grafiker setzt das um und fertig ist das Fake.
@MauriceGajda pic.twitter.com/kWLy0UiVdd
Was für Petrys Dementi spricht: Es gibt keinen Screenshot des Posts, den ihr Gajda unterstellt. Die Politikerin schaute zwar tatsächlich die ESC-Vorentscheidung und verfasste dabei einen kritischen Post: «Kann mir nicht vorstellen, dass normale Bürger von diesen pinken Herren ‹vertreten› werden wollen … #ESC2023», schrieb sie damals, bezog sich aber nicht auf Nguyen, sondern auf die Band «Lord of the Lost», welche die Vorausscheidung gewann.
Keine Sorge, @FraukePetry, Euch „normale Bürger“ vertreten wir auch nicht. Haben wir nie, werden wir nie. pic.twitter.com/qSt8b1Mixd
— Lord Of The Lost (@LordOfTheLost) March 4, 2023
Diesen Post löschte Petry wenig später, machte dies aber transparent. «Hab meinen Tweet zum ESC gelöscht», schrieb sie in einem weiteren Post. Sie habe niemandem den Spass verderben wollen.
Hab meinen Tweet zum #ESC gelöscht. Ich wollte niemandem den Spaß verderben 🙏. Hab mir sogar #lordofthelost angehört, zu Bildungszwecken 😀, trotz des Bühnengeschreis.
— Frauke Petry (@FraukePetry) March 4, 2023
Sie hier hat den ESC 1988 gewonnen. Eine Stimme wie wenige andere.https://t.co/0ZiqWYIpnK
Wie konnte dieser Post also ohne Beweis in einer RTL-Sendung landen? Moderator Gajda bekräftigt nach wie vor, dass es diesen tatsächlich gegeben habe. «Ein Freund aus der LGBTQ-Bewegung hat mir kurz nach der Veröffentlichung den Link zu diesem Post zugeschickt», sagt er gegenüber der «Bild». «Ich konnte meinen Augen kaum trauen», sagt er, weshalb er den Text aus dem Post kopiert und mit Freunden darüber diskutiert habe.
Gleichzeitig räumt Gajda ein, Fehler gemacht zu haben. So sei es nicht richtig gewesen, den Post ohne Hinweis grafisch nachzubauen. «Da möchte ich aufrichtig um Entschuldigung bitten», so der Moderator. Er sei der journalistischen Sorgfaltspflicht in diesem Fall nicht nachgekommen.
Als Beweis, dass es den Post tatsächlich gegeben habe, verweist Gajda auf einen Link. Ob dieser tatsächlich einst zum umstrittenen Post führte, wird bezweifelt: Datenjournalist Frederik von Castell schreibt, der Link würde der Logik auf X widersprechen – so verweisen die Zahlen der URL auf einen hypothetischen Post im Jahr 2134. Ebenfalls auffällig sei, dass die von Gajda genannte URL bis auf eine Ziffer identisch mit Petrys Post zu «Lord of the Lost» sei.
2) Die URL würde der Twitterlogik wohl widersprechen: Der Post wäre aus der Zukunft. pic.twitter.com/9LjQz9u7Cr
— Frederik von Castell (@FvCastell) August 16, 2023
Der Sender, wo die umstrittene Sendung ausgestrahlt wurde, reagierte zunächst ähnlich wie Gajda auf die Vorwürfe. RTL schrieb auf X, der Moderator habe sich dafür verbürgt, den Post im März gesehen und wortgetreu notiert zu haben. Gleichzeitig hielt man fest, die Darstellung in der Sendung verstosse gegen die journalistischen Guidelines, wofür man sich entschuldige.
In einem Beitrag von "Explosiv Weekend" wurde ein Tweet von Frauke Petry erwähnt, der im Nachhinein kritisiert wurde. Wir haben die Vorwürfe geprüft, hier unser Statement dazu. pic.twitter.com/I8WX4TYMQA
— RTL (@RTL_com) August 15, 2023
Am Mittwoch griff der Sender dann aber durch: RTL teilte mit, die Zusammenarbeit mit Gajda vorerst auszusetzen, «bis die im Raum stehenden Vorwürfe geklärt sind». Zudem wolle man die journalistischen Guidelines nochmals schärfen.
(dab)
Das zeigt wiedermal, dass die Leute oft das sehen, was sie sehen wollen. Das kann jedem passieren. Aber besonders oft passiert es, wenn man sich zu sehr von seinen Emotionen leiten lässt (in diesem Fall Gajda's Abneigung gegen Petry).