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AfD-Kandidat gewinnt erstmals Oberbürgermeisterwahl in Deutschland

AfD-Kandidat gewinnt erstmals Oberbürgermeisterwahl in Deutschland

17.12.2023, 23:0917.12.2023, 23:09
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ARCHIV - 26.11.2023, Sachsen, Pirna: Der f
Tim Lochner ist der erste AfD-Oberbürgermeister Deutschlands.Bild: keystone

Ein Kandidat der AfD hat erstmals eine Oberbürgermeisterwahl in Deutschland gewonnen. Tim Lochner (53) setzte sich am Sonntag im sächsischen Pirna im zweiten Wahlgang gegen zwei Kontrahenten von der CDU und den Freien Wählern durch. Lochner selbst ist parteilos, trat aber für die AfD an. Er kam nach dem vorläufigen Ergebnis auf 38.5 Prozent der Stimmen, wie die Stadt am Abend auf ihrer Internetseite mitteilte. Dahinter rangieren Kathrin Dollinger-Knuth (CDU) mit 31.4 Prozent und der parteilose Ralf Thiele mit 30.1 Prozent. Er ging für die Freien Wähler ins Rennen. Auch Lochner und Thiele waren früher CDU-Mitglieder. Die Wahlbeteiligung lag bei 53.8 Prozent - etwas höher als im ersten Wahlgang (50.4).

Lochner bedankte sich nach der Wahl bei seinen Unterstützern und erklärte am Sonntagabend: «Ich verspreche, ich ziehe die sieben Jahre durch.» Die Dinge, die auf ihn zukämen, wolle er mit «Ruhe und Gelassenheit» angehen.

Was macht ein Oberbürgermeister?
Ein Oberbürgermeister ist in der Regel das Oberhaupt der Verwaltung einer grösseren Stadt. Hier in der Schweiz wäre das Pendant dazu der Stadtpräsident; mit dem Unterschied, dass der Stadtpräsident nur primus inter pares und den anderen Mitgliedern der Exekutive (dem Stadtrat) weiterhin gleichgestellt ist.

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen hatte die sächsische AfD kürzlich als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Die Frage, ob er nach dieser Einstufung ein Problem damit habe, für die AfD ins Rathaus zu ziehen, verneinte Lochner nach seiner Wahl am Sonntagabend. Angesprochen auf seine früheren Äusserungen zu einem «Bevölkerungsaustausch» - eine in rechten Kreisen verbreitete Verschwörungserzählung - betonte Lochner, dass er dies als Privatperson gesagt habe. Er fügte hinzu: «Wenn wir einen Ausländeranteil in gewissen Stadtteilen haben von 38 Prozent an Grundschulen und Kitas, dann ist das für mich schon ein Austausch der einheimischen Bevölkerung.»

Vor Pirna hatten AfD-Kandidaten schon zwei wichtige kommunalpolitische Ämter in Deutschland geholt. Im Juni gewann die AfD erstmals eine Landratswahl - mit Robert Sesselmann im Landkreis Sonneberg in Thüringen. Im August wurde Hannes Loth zum bundesweit ersten Bürgermeister einer deutschen Gemeinde gewählt - in Raguhn-Jessnitz (Sachsen-Anhalt).

Der sächsische AfD-Chef Jörg Urban sprach angesichts der Wahl in Pirna von einer Steilvorlage für die Wahlen im kommenden Jahr. Bei der Landtagswahl im September wolle die AfD an die 40-Prozent-Marke kommen, so Urban. Die OB-Wahl in Pirna zeige, «dass es geht».

In Sachsen regiert derzeit eine Koalition aus CDU, Grünen und SPD mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an der Spitze. In einer Anfang Dezember veröffentlichten Umfrage stand die AfD mit 33 Prozent gleichauf mit der CDU.

Lochner sitzt seit Jahren im Stadtrat der rund 40 000 Einwohner zählenden Stadt in der Sächsischen Schweiz. Er war bereits 2017 bei der OB-Wahl in Pirna angetreten, hatte seinerzeit aber mit 32.9 Prozent der Stimmen gegen Amtsinhaber Hanke das Nachsehen. Der Kontakt zur AfD sei über die Stadtratsfraktion zustande gekommen, sagte der Tischlermeister auf Anfrage vor seiner Wahl zum OB. «Man ist auf mich zugekommen, es hat gepasst, und man hat mich einstimmig aufgestellt». Eine Mitgliedschaft in der AfD schliesst Lochner aber aus. «Ich war zuvor Mitglied bei der CDU habe das Parteibuch aber zurückgegeben. Jetzt will ich kein Parteimitglied mehr sein.»

Lochner - von Beruf Tischler und Restaurator - hatte schon im ersten Wahlgang am 26. November dominiert. Er kam damals auf 32.9 Prozent der Stimmen und lag vor Thiele (23.2 Prozent) und Dollinger-Knuth (20.3). Der parteilose Kandidat André Liebscher (13.7) und Ralf Wätzig (SPD, von den Grüne unterstützt/knapp 10 Prozent) traten im zweiten Wahlgang nicht mehr an und unterstützten die CDU-Kandidatin Dollinger-Knuth. Lochner wird Nachfolger von Klaus-Peter Hanke (parteilos) der nicht mehr zur Oberbürgermeisterwahl angetreten war. (sda/dpa)

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80 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FrancoL
17.12.2023 23:38registriert November 2015
Angesprochen auf seine früheren Äusserungen zu einem «Bevölkerungsaustausch» - eine in rechten Kreisen verbreitete Verschwörungserzählung - betonte Lochner, dass er dies als Privatperson gesagt habe.
Also muss man sich bei ihm fragen, wann etwas gilt, privat gilt es, als politische Person gilt es nicht.
Recht schwach als Argumentation und vor allem alles andere als glaubwürdig. Nicht einmal in der Lage eine klare Haltung zu zeigen. Aber offensichtlich genügt dies in seinen Kreisen.
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Philstar
18.12.2023 00:29registriert Dezember 2023
Die AfD ist mittlerweile das Auffangbecken für alles oppositionelle geworden. Wenn die wichtigste Oppositionspartei in allen wichtigen gesellschaftlichen Fragen auf Regierungslinie ist, darf das auch keinen verwundern. Wenn die CDU weiterhin nur Opposition in Detailfragen macht, wird sich das auch nicht ändern, solange das Wirtschaftswachstum nicht signifikant anzieht. Die "das sind alles Nahzis"-Nummer zieht bei vielen nicht mehr.
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Snowy
18.12.2023 08:23registriert April 2016
Nun ist man also in Deutschland bereits rechts(extrem), wenn man es nicht gut findet, dass es an Schulen einen 40-prozentigen Ausländeranteil gibt?

In der Schweiz wird dieser Anteil an vielen Primarschulen übrigens noch massiv überschritten.
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