«Volldampf für Deutschland», «es ist Zeit für einen neuen Optimismus», «das Land braucht weniger Verwalter und mehr Möglichmacher» – Phrasen wie diese schwirrten am Montag durch das Berliner Veranstaltungszentrum Gasometer, als Christdemokraten, Christsoziale und Sozialdemokraten ihren Koalitionsvertrag unterzeichneten.
Die Inhaltsleere der Worte ist ein sicheres Anzeichen dafür, dass es sich um ein Zweckbündnis handelt. Dennoch gaben sich sowohl der CDU-Chef Friedrich Merz als auch die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil optimistisch. Ob das Personaltableau Grund dafür bietet? Dies sind die wichtigsten Minister im Kabinett Merz', der am Dienstag zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik gewählt werden soll:
Als Finanzpolitiker fiel Lars Klingbeil bisher nicht auf, eher galt sein Interesse der Aussenpolitik. Doch seinen Anspruch, der wichtigste Mann der SPD zu sein, muss der 47-Jährige durch die Übernahme eines wichtigen Amtes untermauern, und da seine Partei bereits das Verteidigungsressort besetzt, fiel das Auswärtige Amt der CDU zu. Als konservativer Sozialdemokrat dürfte Klingbeil vergleichsweise gut damit leben können, unter einem Kanzler Merz zu dienen.
Dass er als erfolgreich gilt, während Saskia Esken, mit der zusammen er die Partei in den letzten Jahren geführt hat, kein Ministeramt erhält, empfinden manche als ungerecht. Das schlechteste SPD-Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik haben die beiden schliesslich gemeinsam eingefahren. Einem breiten Publikum ist der Niedersachse allerdings besser zu vermitteln als die Schwäbin, die zum linken Parteiflügel gehört.
In vier Jahren könnte Klingbeil Anspruch auf die Kanzlerkandidatur seiner Partei erheben. Er mag dabei an Olaf Scholz denken: Auch der war ja Finanzminister in einer Koalition mit der Union.
Johann Wadephul ist der fleischgewordene aussenpolitische Konsens, zumindest wenn man die etablierten Parteien zum Massstab nimmt: Als Unterstützer der Ukraine dürfte der 62-Jährige den Kurs seiner Vorgängerin Annalena Baerbock mehr oder weniger fortsetzen, wenn auch mit einigen Änderungen im Stil: Den Ton, den die Grünen-Politikerin gegenüber Israel anschlug, empfand der Christdemokrat als zu belehrend.
Der Jurist aus Schleswig-Holstein ist der erste CDU-Aussenminister seit über sechzig Jahren; eigentlich ist es üblich, dass die Partei, die den Kanzler stellt, nicht auch noch das Auswärtige Amt übernimmt. Für Merz' Migrationspolitik könnte Wadephul eine Schlüsselrolle spielen, denn über die Frage der sicheren Herkunftsländer, in die Asylbewerber ausgeschafft werden dürfen, entscheidet das Aussenministerium.
Hätten die Sozialdemokraten auf Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten gesetzt, hätte Merz womöglich gar kein Kabinett bilden können. Der Sozialdemokrat ist Deutschlands populärster Politiker. Und dies, obwohl er einem der schwierigsten Ressorts vorsteht: Als Verteidigungsminister konnte man lange Zeit nur verlieren, denn der Sinn des Militärs erschloss sich in Friedenszeiten nur dem, der über den Tag hinausdachte.
Hinzu kommt, dass die Bundeswehr als schwer reformierbar gilt. Pistorius, Anfang 2023 von Kanzler Scholz als Nothelfer in das Amt berufen, hat sich bis jetzt zumindest noch nicht aufgerieben, auch wenn manche daran zweifeln, ob der 65-Jährige wirklich so viel bewegt hat, wie seine Beliebtheit vermuten lässt. Dass er nun nicht ins Amt des Aussenministers flieht, ehrt ihn. Mit Merz hat er einen Vorgesetzten, dem bewusst ist, dass Deutschland mehr für sein Militär tun muss.
Dass Katherina Reiche Wirtschaftsministerin wird, gilt als Überraschung, hatte sich die 51-jährige Christdemokratin doch vor rund zehn Jahren aus der Politik verabschiedet, um Positionen in der Wirtschaft zu übernehmen. Doch Schwergewichte der CDU wie der Generalsekretär Carsten Linnemann sagten ab, wohl auch, weil das Ressort gegenüber der letzten Legislaturperiode einige Kompetenzen verliert.
Reiche, die aus Ostdeutschland stammt, ist promovierte Chemikerin. 1998 zog sie mit 25 Jahren in den Bundestag ein; 2005 berief sie der damalige Kanzlerkandidat Edmund Stoiber in sein «Kompetenzteam». Wie kürzlich bekannt wurde, ist sie seit längerem schon mit dem früheren Verteidigungs- und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg liiert. Für die deutsche Boulevardpresse sind die beiden ein «Glamour-Paar».
Ob Friedrich Merz einmal als erfolgreicher Kanzler gelten wird, dürfte nicht zuletzt davon abhängen, ob er mit der «Migrationswende» sein wichtigstes Wahlversprechen einlöst. Hier kommt Alexander Dobrindt zentrale Bedeutung zu: Linke Medien nennen den 54-Jährigen einen «Scharfmacher» in der Ausländerpolitik. Dobrindt gilt aber auch als geschickter Verhandler.
Die Gespräche zwischen Union und SPD soll der bayrische Christsoziale in der Schlussphase vor dem Scheitern bewahrt haben, und auch mit den Grünen soll er Kompromisse geschmiedet haben, als es darum ging, die «Schuldenbremse» zu lockern. Hart in der Sache, konziliant im Ton – diesem Ruf wird Dobrindt gerecht werden müssen, um in einem der wichtigsten, aber auch schwierigsten Ressorts zu reüssieren.
Bärbel Bas ist eine Sozialdemokratin, wie es sie nur noch selten gibt: Aufgewachsen mit fünf Geschwistern im Ruhrgebiet, arbeitete sie sich nach und nach hoch: Abendstudium, Abteilungsleiterin bei einer Krankenkasse, Betriebsrätin, schliesslich Gesundheitspolitikerin. 2021 wurde sie eher überraschend Bundestagspräsidentin und bewährte sich in dem Amt durch eine umsichtige Sitzungsleitung.
Als Sozialministerin wird sie manches umsetzen müssen, was ihr selbst nicht behagen dürfte – etwa strengere Regeln und Kontrollen beim Bezug der Sozialhilfe. Allerdings wird die 57-Jährige auch auf höhere Renten und eine Anhebung des Mindestlohns hinwirken können. (aargauerzeitung.ch)
Eine merkwürdige Frage aus einem Land, bei der _jede_ Regierung doch eigentlich immer ein Zweckbündnis ist.