Jan Böhmermann bricht sein Schweigen. Nach seinem Schmähgedicht über den türkischen Staatspräsidenten Erdogan spricht er in einem heute veröffentlichten Interview der deutschen Zeitung «Die Zeit» darüber, wie er den ganzen Rummel um seine Person miterlebt hat.
Hart ins Gericht geht der Satiriker vor allem mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie habe ihn «filetiert» und «einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert». Wenn es um die Meinungsfreiheit gehe, dürfe eine Bundeskanzlerin nicht wackeln, so die klare Ansage Böhmermanns.
Störend findet Böhmermann auch, dass ihm von gewissen Kreisen nachgesagt wurde, dass er ein Türkenfeind und Rassist sei. Es sei ihm weder darum gegangen, Präsident Erdogan noch die Türkei als Land zu beleidigen. «Ich denke, das hat man auch dem reichlich bescheuerten Schmähgedicht angemerkt.»
Vielmehr habe er eine Illustration einer Beleidigung präsentieren wollen, welche auch mit plumpen Klischees und Vorurteilen hantiere. «Ich habe versucht zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst- und Meinungsfreiheit schert.»
Dass dieses Gedicht aus dem Zusammenhang gelöst wurde, stösst dem Moderator sauer auf. Einer, der dieses Gedicht losgelöst vom Kontext vortrage, habe «nicht alle Latten am Zaun», schimpft Böhmermann und schiesst sogleich eine nächste Salve in Richtung Merkel: «Am allermeisten habe ich mich über die Tatsache amüsiert, dass die Chefin des Landes der Dichter und Denker offenbar nicht einen Moment über das Witzgedicht und besonders seine Einbindung nachgedacht hat, bevor sie sich mit ihrem öffentlichen Urteil blamiert hat.» Er frage sich, ob die Kanzlerin überhaupt die ganze Nummer gesehen habe, oder nur das zusammengeschnittene Gedicht bei «Bild.de».
Des Weiteren zeigt sich Böhmermann überrascht, dass sein Gedicht derart hohe Wellen schlug, nie hätte er gedacht, dass Satire in Deutschland eine derartige Wirkung entfalten könne. «Aber hätte ich es gewusst, hätte ich meine Satire vorher bei der zuständigen Polizeidienststelle, der Feuerwehr oder wenigstens dem Ordnungsamt angemeldet», witzelt der Entertainer.
Positive Aspekte kann der Deutsche der ganzen Causa auch abgewinnen. Er habe von vielen Seiten Unterstützung erfahren und mindestens jeder zweite Kommentar zum Thema habe ihn zum Schmunzeln gebracht. Weiter behauptet Böhmermann, dass er während der ganzen Affäre via Twitter im Kontakt mit Erdogan stand. Die beiden hätten sich per Direktnachrichten über Kanzlerin Merkel «beömmelt».
Ganz so dicke sind die beiden dann aber auch wieder nicht: Zum Tee treffen würde sich Böhmermann mit Erdogan erst, wenn dieser alle infhaftierten Journalisten freilassen und den Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs zugeben würde.
Im Endeffekt kommt fast ein bisschen das Gefühl auf, als ob Böhmermann auch ein wenig Spass an der Sache hat. Auf jeden Fall ist er gespannt, was noch passieren wird. Böhmermanns Fazit lautet: «Ich habe einen rumpeligen, aber komplexen Witz gemacht, mehr isses ja nicht. Und jetzt wird eben im Namen des Volkes verhandelt: Witz gegen Bundesregierung. Ich bin gespannt, wer zuletzt lacht.»
Angst, dass er inhaftiert wird, hat der Satiriker übrigens nicht: «Der deutsche Rechtsstaat wird sich meiner kühl und gerecht annehmen, da bin ich voller Zuversicht.» (cma)