GPS-Modul, Internet- und Bluetoothempfang: Smartphones sind ein Hightechprodukt mit einer Vielzahl von Chips und Sensoren. Sind sie einmal gehackt, werden sie zur perfekten Wanze, um ihre Nutzer aus der Ferne auszuspionieren. Die islamistische Hisbollah-Miliz setzte deshalb auf Low-Tech und stattete ihre Mitglieder mit Pagern aus.
Pager basieren auf einer simplen Technologie aus den 1980er-Jahren und waren weitverbreitet, bevor es Handys gab. «Ein Pager empfängt einen Funkruf, welcher aus einem entsprechenden Paging-Funknetz versendet wird. Ähnlich wie ein Radiosender», erklärt Bianca Rühle von Swissphone, dem grössten Pager-Hersteller aus der Schweiz. Jeder Pager verfügt über eine eigene Adresse, geht darauf ein Signal ein, wird der Träger alarmiert. Pager dienen dazu, Meldungen zu empfangen – können aber keine senden. Deshalb kann man sie nicht wie ein Smartphone lokalisieren.
Am Dienstag sind Hunderte von Pagern der Hisbollah gleichzeitig explodiert. Es gab über 2000 Verletzte und mehrere Tote. Videos deuten darauf hin, dass in den Pagern Sprengsätze integriert waren.
Nicolas Mayencourt ist CEO von Dreamlab Technologies, einem Schweizer IT-Sicherheitsunternehmen. Er sagt: «Pager zu manipulieren, ist technisch sehr einfach.» Mit einer Anleitung könne das eigentlich jeder, der einen Lötkolben bedienen könne. Man öffnet die Geräte, bringt eine Kapsel mit einer kleinen Menge Sprengstoff an und integriert einen Zusatzchip. Dieser ist so programmiert, dass er den Zünder der Sprengstoffkapsel aktiviert, wenn er eine vorher definierte Nachricht empfängt.
Das können beispielsweise drei Ausrufezeichen sein oder jede andere vorher definierte Zeichenabfolge. «Diese Nachricht sendet man an alle Pager in einem bestimmten Radius. Die manipulierten explodieren, die anderen erhalten einfach die Nachricht», sagt Mayencourt.
Ein Geheimdienst könnte das auslösende Signal aus ziemlicher Entfernung gesendet haben. «Die Reichweite ist vergleichbar mit Radiosendern. Je nach Sendeinfrastruktur und Topografie kann ein Ruf über eine Entfernung von 5 bis 20 Kilometern ausgesendet werden», sagt Rühle.
Darüber, woher die manipulierten Pager stammen, wird nun heftig spekuliert. Erst hiess es, die Pager stammten von einem taiwanesischen Unternehmen namens Gold Apollo. Der Präsident des Unternehmens erklärte am Mittwoch aber, dass die Pager von einem Unternehmen in Europa hergestellt worden sei, das eine Lizenz für die Verwendung seiner Marke habe. Gemeint war damit die ungarische Firma BAC Consulting, deren Chef kurz darauf erklärte, dass seine Firma die Pager nicht herstelle, sondern nur vermittle.
Wie kam der Sprengstoff in die Pager? Theoretisch könnte das schon in der Fabrik des Herstellers passiert sein. Sicherheitsexperte Mayencourt hält aber eine andere Variante für wahrscheinlicher: «Einfacher ist es, die entsprechende Lieferung abzufangen. Man öffnet das Paket, manipuliert die Geräte und schickt es weiter.»
Doch auch das ist nicht trivial. Dafür müsse man die Lieferketten genau analysiert und den Eingriff gut geplant haben. «Das sehe ich das eigentliche Husarenstück dieser Aktion», sagt Mayencourt.
Für so gut wie ausgeschlossen hält der Sicherheitsexperte die im Internet dargebotene Erklärung, dass die Batterien der Pager aus der Ferne angesteuert und durch Überhitzung zum Explodieren gebracht wurden. Das sei zwar technisch theoretisch möglich, aber könne nicht so getimt werden, dass Hunderte gleichzeitig explodieren. Statt von einer Explosion sei auch eher von einer Stichflamme auszugehen.
Bianca Rühle betont, dass an Swissphone-Pagern, die im Zürcher Samstagern entwickelt werden, keine Manipulationen bekannt seien. «Zum Erhöhen des Tragekomforts haben unsere Endgeräte möglichst kleine Aussenmasse und dementsprechend wenig bis keinen Platz für zusätzliche Komponenten», sagt sie.
Wer generell denkt, dass ein Pager im Smartphone-Zeitalter ein Auslaufmodell sei, irrt übrigens. Häufig genutzt werden Pager von Blaulichtorganisationen, Rettung, Militär, Industrie, Healthcare und Spitälern – und zwar weltweit. Der Schweizer Marktführer Swissphone produziert jährlich rund 95'000 dieser Kommunikationsmittel, gesamthaft werden in der Schweiz rund 125'000 Pager produziert, sagt Bianca Rühle.
Der Pager erlebt sogar eine Renaissance. «Aufgrund der bedauerlicherweise vermehrt auftretenden Naturkatastrophen, Cyberattacken, Terrorismus, Krieg und dem Ausfall von lokaler Mobilfunk-Infrastruktur ist der Bedarf gestiegen», sagt Rühle. Swissphone ist dementsprechend in den letzten drei Jahren gewachsen.
Heute sind nun nach den Pagern auch noch Walkie-Talkies explodiert. Laut aktuellen Berichten aus dem Libanon soll es sich diesmal um etwa 30 bis 40 Explosionen gehandelt haben. Staatsmedien berichten von mindestens neun Toten.
Ausserdem hält die Batterie eines Pagers locker einen Monat.