Kleider kaufen, die man sich nicht leisten kann, Festivals besuchen, für die man noch zu jung ist, einen Tag das Geschlecht wechseln, ins Weltall oder in eine andere Dynastie reisen: Im Metaverse ist (fast) alles möglich.
Ein anderes Ich, ein anderes Universum – so wirbt Asiens grösste Metaverse-Plattform Zepeto mit über 300 Millionen Abonnenten. Die südkoreanische App ist erst seit 2018 verfügbar, doch die Nachfrage ist überdimensional: Über 13 Millionen Downloads generierte die App bislang.
Zepeto stieg vor Mark Zuckerbergs grosser Ankündigung seiner Meta-Strategie im Juli 2021 in die Metaverse-Branche ein. Die südkoreanische Plattform erstreckt sich über mehr als 200 Länder von den USA bis in die Schweiz.
Die App bietet einen virtuellen Raum, in dem soziale, wirtschaftliche und kulturelle Aktivitäten wie in der Realität (und darüber hinaus) möglich sind. So kann man sich via Chat mit Freunden oder Unbekannten aus der ganzen Welt austauschen, sich Komplimente machen, virtuelle Treffen vereinbaren, Städte besichtigen, Modeschauen besuchen oder gar auf einem Einhorn reiten.
Die Benutzer können sich selbst mittels 3D-Avatare so darstellen, wie sie wollen: mit Stupsnase, Kulleraugen, Sommersprossen oder pinken Haaren. Einen Avatar kann man kostenlos erstellen. Die meisten Funktionen kosten aber extra. Genutzt wird die App vor allem von der Generation Z. Etwa 70 Prozent der Benutzer sind Frauen, die meisten jünger als 21 Jahre.
In der digitalen Parallelwelt erschafft man sich nicht nur eine neue oder völlig andere Identität, es ist auch ein Ort, an dem man ziemlich gut Geld verdienen kann – besonders mit Mode.
Schliesslich will man auch virtuell gut gekleidet sein. Teuer sind die Klamotten (noch) nicht. Nicht einmal jene teuren Brands wie Gucci, Dior, Louboutin oder Ralph Lauren kosten viel. Die Luxusmarken mischen bereits seit einiger Zeit im Markt der digitalen Kleidung mit. Die Betreiber haben gar einen ganzen Markt für virtuelle Luxusmode entwickelt.
«Es gibt Klamotten, die ich mir im wirklichen Leben nicht leisten kann, aber in der digitalen Welt kann ich sie alle kaufen», sagt eine Abonnentin gegenüber BBC. Täglich erscheinen Zehntausende neue Kleidungsstücke. Die Erfinder der App sprechen bereits vom grössten virtuellen Modemarktplatz der Welt. Die meistgekauften Artikel seien Modeartikel sowie Frisuren.
Bezahlt wird in der Spielwährung Zem. Ein Franken entspricht rund 14 Zem. Die Preise für Luxusklamotten variieren: Eine kleine Gucci-Tasche kostet 88 Zem, ein T-Shirt 21. Es gibt aber auch limitierte Stücke, die bis zu 350 Zem kosten.
Doch die App öffnet ihre Türen auch für kleine Schöpfer. Kim Ji-yoon entwirft Kleider, Accessoires und Frisuren für die Metaverse-Plattform. Dies eignete sie sich selbst durch Videoanleitungen an, wie der «Spiegel» berichtet, der die Influencerin mit rund 594'000 Zepeto-Followern in Seoul getroffen hatte. Ihren Onlineshop nennt sie Lenge.
Zu Beginn brachten ihr die digitalen Modestücke 50 Euro am Tag ein. Über 1300 Kleidungs- und Schmuckstücke sowie Frisuren habe sie schon entworfen. Inzwischen hat die Südkoreanerin 48 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, darunter Programmierer und Marketingfachleute. Sie selbst verdiene rund 11'000 Euro im Monat. Ein T-Shirt ist bei ihr etwa fünfmal günstiger als bei Gucci.
Die junge Designerin hat auch eine Antwort darauf, warum die Plattform besonders im ostasiatischen Raum so beliebt ist: «Manche fühlen sich ohnmächtig im echten Leben, hier können sie selbst etwas schaffen», sagt Kim Ji-yoon. Dies sei in einer konservativen Gesellschaft besonders verlockend. Zudem könne man sich virtuell so einkleiden, wie man es sich im echten Leben nicht traut oder sich wohl besser nicht traut. Denn: Figurbetonte Kleidung wie eng anliegende Tops mit Spaghettiträgern wird in der Gesellschaft nicht gerne gesehen.
Mehr Aufmerksamkeit bekomme man, wenn man teure Kleidung trägt, verrät eine Metaverse-Userin, die auch beim Onlineshop Lenge einkauft. Trends zu kennen, sei sehr wichtig, sonst verliere man Follower. Ihr digitaler Kleiderschrank sei mittlerweile voller als ihr echter. Im Monat gibt sie rund sieben Euro für digitale Kleidung aus. Bei Lenge kaufe sie ein, weil sie die Qualität schätze. «Wenn du auf meine Bluse zoomst, siehst du, wie gut sie gearbeitet ist.»
Während Metaverse-Aktivitäten hierzulande noch in den Kinderschuhen stecken, hat die südkoreanische Regierung bereits angekündigt, in die Zukunft des Metaversums zu investieren. Im Rahmen eines neuen Programms zur Förderung neuer Technologien investiert Südkorea rund 117 Millionen in die Industrie, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und Geschäfte mit Unternehmen anzukurbeln.
Gucci, Dior und Co. werden wohl nicht die letzten Modegiganten gewesen sein, die sich ins Metaverse stürzen.