Trump ist «unglaublich frustriert» wegen Putin – die jüngste Kehrtwende in 7 Punkten
Darum geht es
Nachdem Donald Trump eine lange Rede vor der UN-Generalversammlung gehalten und dabei mit Anschuldigungen und Behauptungen um sich geworfen hatte, traf er sich in New York erneut mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Später machte der US-Präsident dazu überraschende Aussagen zur Ukraine und zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Diese klingen nach einer Kehrtwende bezüglich seiner Ansichten und seines Vorgehens betreffend Krieg – es ist allerdings nicht das erste Mal, dass Trump seine Meinung vermeintlich ändert.
Das hat Trump gesagt
«Ich denke, dass die Ukraine mit Unterstützung der Europäischen Union in der Lage ist, die gesamte Ukraine in ihrer ursprünglichen Form zurückzugewinnen», verkündete Trump nach dem Treffen mit Selenskyj am Rande der UN-Generaldebatte.
Russland sei schwach und wirke nach dreieinhalb Jahren ohne echte Erfolge auf dem Schlachtfeld wie ein «Papiertiger», schrieb Trump auf seiner bevorzugten Plattform Truth Social. Zuvor hatte er sich auch überraschend deutlich für den Abschuss russischer Flugzeuge in Nato-Territorium ausgesprochen. Bei einem Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte der US-Präsident zudem, seine Beziehung zu Russlands Präsident Wladimir Putin habe «leider nichts bedeutet».
Trump hatte sich in der Vergangenheit mehrfach eines hervorragenden Drahts zu Putin gerühmt. Nun sei er «unglaublich frustriert wegen Putin und Russland», sagte die Sprecherin des Weissen Hauses, Karoline Leavitt.
Die Ukraine ist nach Einschätzung Trumps zusammen mit ihren Verbündeten in der Lage, ihre von russischen Kräften besetzten Gebiete zurückzuerobern – und vielleicht sogar «noch weiter» zu gehen, wie er in seinem Post schrieb.
Man werde die Nato weiterhin mit Waffen beliefern, «damit die NATO damit machen kann, was sie will.»
Trump hatte in den vergangenen Wochen bei den Bemühungen um ein Ende des Krieges auch mögliche Gebietsabtretungen der Ukraine ins Spiel gebracht, um einen Friedensschluss beider Länder herbeizuführen. Selenskyj lehnt dies kategorisch ab. Russland hingegen besteht bislang darauf, dass die Ukraine russisch geprägte Gebiete im Osten des Landes aufgibt.
Rubio: Trumps Geduld ist nicht unendlich
Trumps Aussenminister Marco Rubio kommentierte Trumps neuen Ton mit Russlands Verschleppung eines Friedensprozesses. Der US-Präsident habe «ausserordentliche Geduld» bewiesen und auf einen diplomatischen Durchbruch zur Beendigung des Ukraine-Kriegs gehofft. Doch nach einer Phase der Stagnation sei nun «eine Phase potenzieller Eskalation eingetreten».
«In den letzten Nächten und davor gab es die historisch höchste Zahl an Angriffen», sagte Rubio. Zudem beobachteten die USA, dass Lufträume verletzt werden und Drohnen und Flugzeuge ins Hoheitsgebiet benachbarter Länder eindringen.
Rubio drohte Moskau mit wirtschaftlichen Sanktionen und Waffenlieferungen an Kiew. Trump habe «echte Optionen» und werde bei fortgesetzten Aggressionen Russlands die notwendigen Schritte ergreifen. «Der Präsident ist ein sehr geduldiger Mann. Er setzt sich sehr für den Frieden ein, aber seine Geduld ist nicht unendlich», sagte Rubio.
Wie sind Trumps Aussagen einzsuchätzen?
Es ist längst nicht Trumps erster Kurswechsel im Ukraine-Krieg. Dennoch hoffen neben den Ukrainern auch ihre europäischen Verbündeten und Diplomaten bei der UN-Vollversammlung in New York auf eine echte Wende im Krieg und eine nachhaltige Abkehr Trumps vom russischen Präsidenten Putin.
In der Vergangenheit wurde dem US-Präsidenten immer wieder vorgeworfen, dem Angreifer Russland gegenüber zu viel Nachsicht zu zeigen, Putin zu hofieren und ihm teils nach dem Mund zu reden – während es mit Selenskyj im Februar vor laufenden Kameras im Weissen Haus zum offenen Eklat kam.
Nach seinem Treffen mit Putin im August in Alaska sah sich Trump harter Kritik ausgesetzt, den weitgehend isolierten Kremlchef auf die Weltbühne zurückgeholt und ihm buchstäblich den roten Teppich ausgerollt zu haben, ohne dass Russland substanziellen Zugeständnisse gemacht hätte. Auch zu einem angekündigten Treffen zwischen Selenskyj und Putin kam es nicht, weil der russische Präsident sich wohl nur zum Schein überhaupt offen dafür zeigte.
Ob Trumps Meinungswechsel diesmal nachhaltiger Natur ist, wird sich zeigen. Er hatte in jüngerer Vergangenheit Putin und Russland besonders nach Luftangriffen auf die Ukraine schon häufiger kritisiert und mit Sanktionen gedroht. Abgesehen von Strafzöllen gegen Indien, das viel russische Rohstoffe kauft, folgten den Ansagen aber keine Taten. Trump sieht vor allem auch die Europäer in der Pflicht, sich von russischen Gas- und Ölimporten zu verabschieden.
So reagiert Selenskyj auf Trumps Aussagen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj – von Trump und dessen Vize JD Vance im Februar vor den Augen der Weltöffentlichkeit gedemütigt und unverrichteter Dinge nach Hause geschickt – begrüsste die verbale Kehrtwende und äusserte die Erwartung, dass Trump nun einen Frieden erwirkt. «Moskau fürchtet Amerika und schenkt ihm stets Beachtung», sagte er vor dem UN-Sicherheitsrat. Am Mittwoch spricht Selenskyj dann vor der UN-Vollversammlung.
Zu seinem Gespräch mit Trump unmittelbar vor der Verkündung der neuen Linie sagte Selenskyj:
Ausserdem sprach Selenskyj dem US-Präsidenten seinen Dank für die gute Zusammenarbeit aus. «Mister President versteht die Situation genau und ist über alle Aspekte dieses Krieges gut informiert», schrieb er auf der Plattform X. «Wir schätzen seine Entschlossenheit sehr, zur Beendigung dieses Krieges beizutragen.»
Dem US-Sender Fox News sagte Selenskyj, Trumps Post auf Truth Social sei für ihn überraschend gewesen. Nun zähle er darauf, dass der US-Präsident seine Haltung zur Territorialfrage beibehalte. Selenskyj sprach von «sehr positiven Signalen» dafür, dass Amerika bis zum Ende des Krieges an der Seite der Ukraine stehen werde.
So reagieren die Europäer
Die westlichen Verbündeten reagierten nach monatelangem Ringen mit Trump ebenfalls erleichtert. «Ich freue mich, dass der amerikanische Präsident an die Fähigkeit der Ukraine glaubt, nicht nur durchzuhalten, sondern ihre Rechte mit uns geltend zu machen», sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung. Ähnlich äusserte sich die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas.
So reagiert Russland
Bisher gibt es noch keine Reaktion aus Moskau. Russland ignorierte die neue Entwicklung zunächst demonstrativ. Der stellvertretende russische UN-Botschafter Dmitri Poljanski nahm in seiner Rede im Sicherheitsrat nicht erkennbar zu Trump und dessen Aussagen Stellung.
(con/sda/dpa)