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Trump ist zurück: Wie robust ist die Verfassung in den USA für Runde 2?

A Trump flag hangs on a fence at the El Curtola Boulevard overpass in Lafayette, Calif., on Wednesday, Nov. 6, 2024 (/San Francisco Chronicle via AP)
Donald Trump, eine Gefahr für die Demokratie in den USA? So standhaft ist die US-Verfassung.Bild: keystone

Trump ist zurück: Wie robust ist die Verfassung in den USA für Runde zwei?

13.11.2024, 15:12
Anne-Kathrin Hamilton / watson.de
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Die USA sind die älteste Demokratie der Welt, damit besitzt das Land auch eine sehr alte Verfassung. 1787 wurde sie ins Leben gerufen und ist für viele US-Amerikaner bis heute das Beste, was das Land hervorgebracht hat.

Für viele Menschen in den USA ist die Verfassung heilig, das Vertrauen in die Weisheit und Weitsicht ihrer Väter gross. Tatsächlich handelt es sich bei der US-Konstitution um einen entscheidenden Meilenstein der Demokratiegeschichte.

Es waren Zeiten des Umbruchs nach dem Unabhängigkeitskrieg, als sich eine Gruppe von Männern 1787 in Philadelphia zusammenfand, um herauszufinden, wohin sich das Land bewegen soll.

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Das Gemälde zeigt die Unterzeichnung der US-Verfassung in der Independence Hall in Philadelphia, 1787.Bild: IMAGO / StockTrek Images

Mehr als 200 Jahre lang hat die damals erste neuzeitlich-demokratische Verfassung die USA geprägt. Laut «Bundeszentrale für politische Bildung» wurde sie bisher durch 27 Verfassungszusätze (Amendments) ergänzt. Bisher erwies sie sich als stabil, doch mit dem erneuten Auftreten von Donald Trump auf dem politischen Parkett entstehen bei einigen Experten Sorgen.

USA: Trump eine Gefahr für die Demokratie? Experten sind alarmiert

Trump stellt demokratische Prozesse infrage und hält etwa an der haltlosen These einer «gestohlenen Wahl» fest. Dabei bezeichnet er die Demokraten als «Feinde im Inneren» und «linksradikale Irre». Er erwägt, die Nationalgarde gegen sie einzusetzen.

FILE - Then-Republican presidential nominee former President Donald Trump speaks during a campaign event, Wednesday, Sept. 25, 2024, in Mint Hill, N.C. (AP Photo/Evan Vucci, File)
Donald Trump
Donald Trump gewann die US-Wahl 2024 gegen die Demokratin Kamala Harris.Bild: keystone

Der Vorwurf gegen Trump lautet: Er versucht die US-Demokratie auszuhöhlen, etwa mithilfe des Obersten Gerichtshofes. Während seiner ersten Amtszeit konnte Trump drei neue Richter am Supreme Court ernennen – rekordverdächtig viele. Auf diesem Weg gewann er Einfluss.

Im Sommer entschied der Oberste Gerichtshof zu Gunsten Trumps, dass US-Präsidente «absolute Immunität» bei offiziellen Amtshandlungen besitzen. Der 78-Jährige sprach von einem «grossen Sieg für die Verfassung und die Demokratie». Andere reagierten alarmiert.

Mit diesem Gerichtsentscheid im Rücken signalisiere Trump seine Entschlossenheit, nach Gutsherrenart zu regieren, warnt Jonathan Stevenson, Experte vom Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS). Laut ihm besteht das Risiko, dass die USA in eine Staatsform abgleiten, die man gemeinhin als Diktatur bezeichnet. Schon jetzt zeige die US-Demokratie zunehmend illiberale Züge.

Kritiker warnen, Trump könnte als US-Präsident die US-Verfassung attackieren. Im «Project 2025» ist etwa die Rede von der Abschaffung des Verwaltungsapparats.

Mit der Rückkehr Trumps ins Weisse Haus stellt sich die Frage: Wie robust ist die US-Verfassung für die modernen Herausforderungen?

«Meiner Meinung nach sprechen mehrere Dinge dafür, dass sie stark bleibt», sagt Politikwissenschaftler Jack Barlow auf watson-Anfrage. Er lehrt und forscht am Juniata College in Pennsylvania.

Ihm zufolge hat sich die Verfassung als langlebig erwiesen, aber sie verändere sich auch von Zeit zu Zeit in kleinen Schritten. Auf die Frage, wie immun sie gegenüber der kommenden Trump-Regierung sei, äussert er sich zuversichtlich.

US-Experte ist optimistisch: US-Verfassung hält Trump in Schach

Barlow zufolge werden die Gewaltenteilung, die Kontrolle durch den Kongress und die Justiz weiter vorhanden sein. «Die militärische Kommandostruktur hat sich als verfassungstreu erwiesen, und der Grundsatz der zivilen Kontrolle steht im Einklang mit der Verfassung», meint er.

Der Senior Fellow vom IISS, Stevenson, äussert sich skeptischer. Auf juristischer, politischer und gesetzgeberischer Ebene gebe es für Trump nur wenige Hindernisse.

«Die Verfassung ist so konzipiert, dass sie gegen Veränderungen resistent ist.»
Politikwissenschaftler Jack Barlow

Schon jetzt liesse sich erkennen, was der Republikaner mit dem Sicherheitsapparat der US-Regierung vorhat: «Trump plant, die professionelle, parteiunabhängige Beamtenschaft abzuschaffen und stattdessen den Staatsapparat mit loyalen Unterstützern zu besetzen.»

Republican presidential nominee former President Donald Trump waves as he walks with former first lady Melania Trump at an election night watch party at the Palm Beach Convention Center, Wednesday, No ...
Donald Trump wird zum zweiten Mal US-Präsident.Bild: keystone

Auch wolle Trump die Sicherheitsüberprüfungen für politische Bewerber mithilfe privater Sicherheitsfirmen beschleunigen. Sprich, die traditionellen gründlichen Hintergrundüberprüfungen durch das FBI würden wegfallen. Darin sieht Stevenson kein gutes Zeichen:

«Durch eine so radikale Umpolung der US-Regierungsstrukturen könnten der Justizapparat und die für Terrorismusbekämpfung zuständigen Behörden – die schon jetzt durch einige Konservative behindert werden, die sich weigern, gegen rechtsextreme Kräfte vorzugehen – in die Hände parteitreuer Fanatiker fallen.»

Dazu könnten Trump und die Republikaner nicht nur im Senat, sondern offenbar auch im Repräsentantenhaus eine Mehrheit haben. Dieser Vorteil im Kongress gibt Trump beim Regieren deutlich mehr Spielraum.

Dennoch bleibt Politikwissenschaftler Barlow optimistisch. Laut ihm stellt die «föderale Struktur» der USA ein Hindernis für eine schnelle «Machtkonzentration» im Zentrum dar. Sprich: Die Möglichkeiten eines Präsidenten, im Alleingang zu handeln, sind begrenzt.

Das Parteiensystem würde sich dem Experten zufolge jeder Massnahme eines Präsidenten widersetzen, die seine Macht oder Wiederwahl betrifft.

USA: Verfassung besitzt genügend «Abwehrmechanismen»

«Die Verfassung ist so konzipiert, dass sie gegen Veränderungen resistent ist», führt Barlow aus. Daher besitze sie genügend «Abwehrmechanismen», um immun gegen «Angriffe» zu sein.

Denn: Die US-Verfassung hat sich ihm zufolge als anpassungsfähig erwiesen. Er sagt dazu:

«Unsere zahlreichen Überwachungs- und Spionagebehörden – die grösstenteils unter der Kontrolle des Präsidenten stehen – werden fortbestehen, auch wenn sie sich vielleicht in grösserem Umfang als bisher gegen die Feinde des Präsidenten richten werden.»

Zudem hänge die US-Verfassung von einer breiten Zustimmung in der Öffentlichkeit ab. Dies sorgt dafür, dass ihre Verfahren gerecht bleiben, betont der Experte.

Experte: Trump-Zustimmung ist kein automatisches Ja zur Autokratie

«Wenn die Menschen der Meinung wären, dass die Verfassung zu ungerechten Ergebnissen führt, würden sie sich schnell von ihr abwenden», meint der Politikwissenschaftler. Seiner Meinung nach ist die Zustimmung für Trump nicht automatisch auch eine Zustimmung für eine autoritäre Regierung.

«Es mag sein, dass Trump oder die Leute um ihn herum denken, dass ein libertärer Ansatz für die Regierung mit Autoritarismus vereinbar ist, aber ich bin nicht sicher, dass die Menschen das so sehen», führt er aus.

A person in line for a campaign rally for Republican vice presidential nominee Sen. JD Vance, R-Ohio, holds a flag with the name of former President Donald Trump on it on Sunday, Nov. 3, 2024, in Derr ...
Die Inflation in den USA hat Trump viele Wähler beschert.Bild: keystone

Laut ihm mochten die meisten Menschen sowohl Trump als auch Harris nicht. Die Inflation habe eine grosse Rolle gespielt. Die Schuld dafür sahen viele US-Amerikaner in der Biden-Harris-Regierung, meint Barlow. Auch wenn sich die Wirtschaft, die vor allem unter der Corona-Pandemie litt, unter der Biden-Regierung schnell erholte.

«Ich denke, wenn Trump die verfassungsmässigen Strukturen ernsthaft bedrohen würde, würden sich die Menschen gegen ihn zusammenschliessen», führt er aus.

Eine Änderungen in der US-Verfassung würde der Politikwissenschaftler dennoch vornehmen: «Der Präsident sollte durch das Volk und nicht durch das Wahlkollegium gewählt werden».

Solange der Senat zugunsten der kleineren Staaten aufgeteilt ist, sei das Wahlkollegium wahrscheinlich auch nicht notwendig, meint er. «Natürlich hätte dies Harris dieses Mal nicht geholfen, aber es würde die Art des Wahlkampfs für die Präsidentschaft verändern.»

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92 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bärner728
12.11.2024 22:35registriert Juni 2020
Trump kann die Verfassung nicht ändern oder gar abschaffen. Dazu braucht er eine 2/3 Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses. Und jede Änderung muss danach noch von 3/4 aller Staaten angenommen werden. Die US Verfassung ist bedeutend besser geschützt als die Schweizer Verfassung.
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James McNew
13.11.2024 03:21registriert Februar 2014
Ich habe einfach das dumpfe Gefühl, dass Vance nach vier Jahren nicht so umsichtig handeln wird wie Pence.

Ich bin sehr gespannt ob und wie wir Vance, Trump und all die radikalen Loyalisten, die gerade installieet werden, nach einer Wahlniederlage – die sie selbstverständlich nicht akzeptieren werden – wieder loswerden…
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banda69
13.11.2024 04:05registriert Januar 2020
Rechtspopulisten sind brandgefährlich und schaden enorm. Immer. Und überall.

Ich hoffe Trump und seine Bande schaffen nicht das was sie dich zum Ziel gesetzt haben.
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