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Attentat auf Robert Fico in der Slowakei: Das weiss man über den Täter

A police line is placed outside the entrance of the F. D. Roosevelt University Hospital, where Slovak Prime Minister Robert Fico, who was shot and injured, is treated in Banska Bystrica, central Slova ...
Slowakische Polizisten am Tatort in der Stadt Handlova. Bild: keystone

Fico wurde von vier Kugeln getroffen – Zustand «weiter ernst»

Der slowakische Regierungschef Robert Fico wurde auf offener Strasse niedergeschossen. Der Täter handelte aus politischen Motiven. Was wir wissen und weshalb die Stimmung in der Slowakei derart vergiftet ist.
16.05.2024, 13:4816.05.2024, 14:39
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Das ist passiert

Robert Fico ist Regierungschef der Slowakei. Am Mittwochnachmittag wurde Fico auf offener Strasse niedergeschossen. Mindestens fünf Schüsse gab der Attentäter ab, einer soll Fico in den Bauch und einer in die Hand getroffen haben.

Der 59-jährige Fico befand sich während mehrerer Stunden in Lebensgefahr, es war unklar, ob er überleben wird. Am Donnerstagnachmittag wurde bekannt, dass sich der Zustand des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico nach dem Attentat «stabilisiert» habe, aber «weiter ernst» sei. Das sagte Verteidigungsminister Robert Kalinak am Donnerstag nach einer Sondersitzung des Sicherheitsrates in Bratislava. Die Verletzungen seien sehr schwerwiegend. Fico sei von vier Kugeln getroffen worden.

«Den Ärzten ist es gelungen, den Zustand zu stabilisieren», sagte Kalinak. Fico sei aber noch nicht ausser Lebensgefahr. «Wir haben eine schwere Nacht hinter uns», meinte der stellvertretende Regierungschef.

Zum Attentat kam es in der zentralslowakischen Stadt Handlova:

Das wissen wir zum Täter und seinen Motiven

Bereits kurz nach dem Angriff auf Fico tauchten erste Berichte über die Identität des Angreifers auf. Der slowakische Innenminister Matus Sutaj Estok bestätigte in der Folge Medienberichte, wonach es sich um einen 71-jährigen Mann aus dem Zentrum der Slowakei handle. Laut verschiedenen Berichten soll der Mann Schriftsteller sein, in der Stadt Levice wohnen und Juraj C. heissen.

Die slowakische Tageszeitung Dennik N skizziert weitere Details zum mutmasslichen Attentäter: Juraj C. war Mitglied in einem Literaturclub, der sich regelmässig in einer Bibliothek traf. Die Bibliotheks-Direktorin beschreibt C. gegenüber der Zeitung als «normalen» Mann. Er soll «rebellisch, aber nicht aggressiv» gewesen sein.

C. war weiter Mitglied im Verband slowakischer Schriftsteller. Dieser hat eine Erklärung abgegeben, wonach man das Attentat «absolut verurteile» und C. sofort ausschliessen werde, sollte sich seine Schuld bestätigen.

Frühere Social-Media-Einträge geben Hinweise auf mögliche Motive des Täters: C. hat sich in der Vergangenheit mit einer prorussischen Gruppe namens «Slowakische Soldaten» getroffen, wie ein Facebook-Post aus dem Jahr 2016 belegt. Er veröffentlichte mehrere Gedichtbände. Darin offenbart er eine migranten- und insbesondere Roma-feindliche Weltsicht. Es gebe «Hunderttausende Migranten», die nach Europa kämen und «so viele augenlose Zigeuner, wie noch nie». Der slowakische Staat sei nicht in der Lage, das Problem zu lösen, sondern profitiere vielmehr davon. C. rief dazu auf, «streng, aber fair mit ihnen umzugehen».

In einem anderen Beitrag unterstrich er seine Kritik am Staat. Dieser könne seine Bürger nicht schützen, diese müssten sich selbst schützen, bevor «alles mit kriminellen Elementen gefüllt wird».

Die Waffe, mit der C. auf Robert Fico schoss, hat er laut übereinstimmenden Berichten legal erworben. Der slowakische TV-Sender TA3 veröffentlichte in der Nacht ein Video von C. aus dem Spital. Darin sagt dieser mit undeutlicher Stimme, dass er «der Regierungspolitik nicht zustimmt». Er nennt unter anderem den geplanten Umbau der öffentlich-rechtlichen Medien in der Slowakei als Grund (siehe Punkt 4).

Nach dem Anschlag auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico prüfen die Behörden, ob seine Personenschützer ihn nicht ausreichend geschützt haben. Entsprechende Ermittlungen «wegen Behinderung der Aufgaben eines Amtsträgers» seien bereits am Mittwoch eingeleitet worden, sagte eine Behördensprecherin der Nachrichtenagentur TASR am Donnerstag.

Mehrere slowakische Experten hatten Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen geübt. Sie rügten unter anderem, dass die Leibwächter unmittelbar nach dem Attentat chaotisch vorgegangen seien.

Wer ist Robert Fico?

Robert Fico ist eine der prägendsten Figuren der slowakischen Politik und das seit fast 20 Jahren. Seit 2006 amtete der heute 59-Jährige bereits viermal als Regierungschef. Zuletzt wurde er im vergangenen September erneut zum Ministerpräsidenten gewählt.

Ficos politische Einstellung wird zumeist als linksnational beschrieben. Er setzt sich zwar für einen starken Staat und Sozialwerke ein, gilt aber gleichzeitig als russlandfreundlicher Populist, migrationskritisch und zu Autoritarismus tendierend.

Nach seinem erneuten Wahlsieg im vergangenen September verpasste Fico der Slowakei einen Kurswechsel. Er ging eine Koalition mit Rechtsparteien ein und setzte diverse Wahlkampfversprechen um: So ging das Land, das zuvor die Ukraine im Kampf gegen Russland entschieden unterstützte, auf Distanz, und stellte Waffenlieferungen ein. Fico rief Kiew zudem dazu auf, auf Gebiete zu verzichten, um den Krieg zu beenden.

Trotz der kritischeren Einstellung gegenüber der Ukraine lehnt Fico Sanktionen gegen Russland nicht komplett ab und bisher trug das Land auch unter seiner Regentschaft EU-Beschlüsse mit.

Fico gilt dennoch als Putin-Sympathisant. Er begann seine politische Karriere bei der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei. Laut dem slowakischen Soziologen Michael Vasecka soll Ficos russlandfreundliche Einstellung aus dieser Zeit kommen, wie der Spiegel schreibt. Für ihn gelte das sozialistische Motto: «Ewig an der Seite der Sowjetunion.»

2018 stand Fico im Zentrum eines grossen Skandals. Der slowakische Journalist Jan Kuciak und seine Verlobte wurden ermordet. Kuciak recherchierte im Regierungsumfeld zu Korruption und Verbindungen der Fico-Regierung zur italienischen Mafia. Mehrere Beteiligte wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Fico musste nach einer grossen Protestwelle zurücktreten. Dennoch schaffte er 2023 ein grosses politisches Comeback.

Die Lage in der Slowakei

In der Slowakei ist die Stimmung seither aufgeheizt. Seit dem Machtwechsel und der erneuten Ernennung Ficos zum Regierungschef kommt es immer wieder zu Protesten. Kritiker werfen Fico vor, in der Slowakei einen ähnlichen Systemwechsel vornehmen zu wollen, wie es Viktor Orban in Ungarn getan hat. Sprich: autoritärere Strukturen und damit weniger Demokratie.

Im Visier Ficos stehen unter anderem die Medien. So will er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umbauen. Der bisherige öffentlich-rechtliche Sender RTVS soll aufgelöst werden, an dessen Stelle soll eine neue Institution treten, die näher an der Regierung ist. So sollen die Verantwortlichen künftig vom Kulturministerium ernannt werden. Kritiker werfen Ficos Regierung den Versuch, die Medien im Land kontrollieren zu wollen, vor. In den vergangenen Monaten gingen daher Tausende aus Protest auf die Strassen.

Die aufgeheizte Stimmung im Land, die er mitverantwortet, kritisierte Fico erst kürzlich selbst: Er warf der Opposition und den Medien vor, die öffentliche Debatte zu vergiften. Regierungspolitiker würden auf der Strasse beleidigt. Weiter sagte Fico in dem auf Facebook veröffentlichten Video:

«Ich warte nur darauf, dass sich der Frust, den (...) die Medien vertiefen, in einen Mord an einem der führenden Regierungspolitiker verwandelt.»

Mit Material der sda.

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58 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bene883
16.05.2024 06:58registriert Juli 2014
Fico ist also ein Ausländerfeindlicher, Prorussischer ex-Kommunist (daher wohl links, obwohl er es überhaupt nicht ist?) Und wird mit Korruption in Verbindung gebracht. Der Täter soll ein Ausländerfeindlicher Mann sein und deshalb ein politisches Motiv haben? Es gibt (zumindest für mich) hier also noch ziemlich viele Lücken aufzuklären
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Haarspalter
16.05.2024 07:07registriert Oktober 2020
Ein pro-russischer, rassistischer Schriftsteller schiesst auf einen Putin-verehrenden Populisten.

Überall wo das Gift „Putin“ zum Rezept gehört, entsteht offenbar Hass und Gewalt.
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Andy25
16.05.2024 07:40registriert April 2019
Mir fällt auf: In Russland, Georgien, Ungarn und in der Slowakei werden Medien von den politischen Führern geändert, verboten oder manipuliert, mit dem Ziel, ihre politischen Interessen besser verwirklichen zu können. In der Schweiz gibt es eine Partei, die immer und immer wieder die SRG und andere ihr nicht genehmen Medien verunglimpft und am liebsten zum Schweigen bringen will. Vorbilder hat sie ja in den genannten Ländern.
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    Kirchenexperte zum neuen Papst: «Das Konklave hat eine geschickte Lösung gewählt»
    Er sei eher gegen die Frauenordination und werde die angeblichen Reformen kaum vorantreiben: Theologe und Buchautor Michael Meier dämpft die Hoffnungen auf ein progressives Zeitalter in der katholischen Kirche unter Papst Leo XIV.

    Hatten Sie Kardinal Robert Prevost auf der Rechnung?
    Michael Meier: Mich hat es vor allem überrascht, dass seine Wahl so schnell erfolgte. Der Amerikaner wurde als Kompromisskandidat gehandelt und gilt als Mann der Mitte. Insofern hat das Konklave eine geschickte Lösung gewählt. Es wird keinen Bruch geben mit dem Kurs von Franziskus, aber Änderungen im Stil.

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