Die Drohung war eindeutig: Moskau werde auf die «Blockade» von Kaliningrad mit Gegenmassnahmen antworten, sagte Nikolai Patruschew, der Chef des russischen Sicherheitsrats, am Dienstag bei einem Besuch in der Ostsee-Exklave: «Deren Folgen werden schwere negative Auswirkungen auf die Bevölkerung Litauens haben.»
Was der Putin-Intimus damit meinte, blieb vorerst offen. Die Reaktion aus der litauischen Hauptstadt Vilnius liess nicht auf sich warten. «Es gibt keine Blockade von Kaliningrad», sagte Regierungschefin Ingrida Simonyte. Seit dem letzten Wochenende erlaube Litauen einfach den Transport von Waren nicht mehr, die auf westlichen Sanktionslisten stünden.
Konkret dürfen etwa Baumaterialien und Eisenmetalle nicht mehr per Bahn nach Kaliningrad – das frühere deutsche Königsberg – geliefert werden. Die Exklave ist aus russischer Sicht ein Vorposten im «Feindesland». In Kaliningrad liegt die Ostsee-Flotte vor Anker, ausserdem wird immer wieder spekuliert, Russland habe dort Atomwaffen stationiert.
Russische Scharfmacher haben im Staatsfernsehen wiederholt die Einnahme eines «Korridors» nach Kaliningrad gefordert. Im Visier ist etwa die 65 Kilometer breite Suwalki-Lücke, die Kaliningrad von Belarus trennt. Ein Duma-Abgeordneter will die Anerkennung der litauischen Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 rückgängig machen.
In Litauen reagiert man auf die Drohgebärden mit einer gewissen Gelassenheit. Dabei hat die baltische Republik nur knapp 2,8 Millionen Einwohner, dreimal weniger als die Schweiz. Sie ist aber Mitglied der Europäischen Union und der Nato und kann im Fall eines Angriffs auf die Beistandspflicht der übrigen 29 Mitglieder der Verteidigungsallianz zählen.
Ein Sprecher des US-Aussenministeriums erklärte am Dienstag, Washington stehe zu seinen Nato-Verbündeten und damit auch zu Litauen. Ein militärischer Angriff Russlands gilt ohnehin als wenig wahrscheinlich, da sich die russische Armee in der Ukraine in einem Abnützungskrieg aufreibt und hohe Verluste an Mensch und Material zu verzeichnen hat.
Die russische Invasion im Nachbarland hat auch im Baltikum grosse Besorgnis ausgelöst. Vor allem in Litauen haben viele das Gefühl, sie könnten als Nächste an der Reihe sein. Dennoch scheut die liberal-konservative Regierung die Kraftprobe nicht. Mehr noch, das kleine Litauen nimmt es sogar mit einer weiteren Grossmacht auf: China.
Im letzten November eröffnete Taiwan in Vilnius ein «Vertretungsbüro». Der Begriff Botschaft wurde vermieden, faktisch aber handelte es sich um eine diplomatische Einrichtung. Peking sah buchstäblich rot, denn die chinesischen Kommunisten betrachten Taiwan als abtrünnige Provinz. Sie fordern von anderen Ländern die strikte Beachtung der Ein-China-Doktrin.
Die Retourkutsche erfolgte prompt: Faktisch wurde ein Handelsboykott über die baltische Republik verhängt. Litauische Produkte dürfen nicht mehr nach China exportiert werden. Die Botschafterin wurde zur unerwünschten Person erklärt. Nationalistische Hetzmedien wie die «Global Times» beschimpften Litauen als «lästige Fliege», die man zerquetschen müsse.
Die Europäische Union reagierte anfangs mit Unbehagen auf den litauischen Alleingang in der Taiwan-Frage. In Brüssel legt man Wert auf eine gemeinsame Handelspolitik. Als China jedoch mit einem Boykott von Waren drohte, die in Litauen produzierte Komponenten enthalten, leitete Brüssel eine Klage bei der Welthandelsorganisation WTO ein.
Was aber motiviert den Kleinstaat aus dem geopolitisch exponierten Baltikum dazu, sich mit zwei Grossmächten anzulegen? Der wohl wichtigste Grund ist die eigene Geschichte: Das mehrheitlich katholische Litauen war jahrzehntelang Teil der kommunistischen Sowjetunion. 1990 erklärte es sich als erste Sowjetrepublik für unabhängig.
Moskau wollte dies nicht akzeptieren. Am 13. Januar 1991 rollten Panzer durch Vilnius. Beim Fernsehturm kamen 14 Menschen ums Leben. Zur Symbolfigur wurde der damalige Parlamentspräsident Vytautas Landsbergis. «Wir waren nicht sicher, was mit uns geschehen würde. Aber wir wussten, was wir tun mussten», sagte der heute 89-Jährige gegenüber SRF.
Sein Enkel Gabrielius ist Aussenminister in der derzeitigen Regierung. Er erklärte bei seinem Amtsantritt im Herbst 2020, alle diejenigen verteidigen zu wollen, «die für die Freiheit in der Welt kämpfen – von Belarus bis Taiwan». Als Folge davon hat etwa die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja Zuflucht in Vilnius gefunden.
Die Solidarität beschränkt sich nicht auf die Regierung. Auf Initiative des Online-Senders Laisves (Freiheit) TV wurden in nur drei Tagen fast sechs Millionen Euro gesammelt, um der Ukraine eine türkische Bayraktar-Drohne zu kaufen. Der Hersteller war davon dermassen beeindruckt, dass er den Litauern das kriegswichtige Fluggerät kurzerhand schenkte.
Das gesammelte Geld soll nun für Munition und humanitäre Hilfe verwendet werden. Auch wenn viele Spenden aus dem Ausland stammten, sind die mehr als zwei Euro pro Kopf der Bevölkerung ein beachtlicher Erfolg. Litauen hat auch die Energieimporte aus Russland gestoppt und will die noch bestehende Integration ins russische Stromnetz rasch beenden.
Zu China war man schon vor der Taiwan-Kontroverse auf Distanz. Man habe etwa «chinesische Investitionen in den Hafen von Klaipeda verhindert», sagte der Politanalyst Marius Laurinavicius dem Deutschlandfunk. Das Verteidigungsministerium riet den Bürgern sogar, chinesische Smartphones wegzuwerfen, da diese eine «Zensurfunktion» enthielten.
Diese «wertebasierte» Politik der Regierung ist in der Öffentlichkeit nicht unumstritten. Und im russischsprachigen Teil der Bevölkerung, der mit knapp 15 Prozent kleiner ist als in Estland und Lettland, gibt es immer noch Sympathien für Wladimir Putin. Bislang aber lässt sich die Regierung auch im Konflikt um Kaliningrad nicht vom Kurs abbringen.
Litauen mag für China und Russland auf der Landkarte nur eine «Fliege» sein. Aber es ist definitiv eine lästige.
Da könnte sich so mancher Politiker eine dicke Scheibe abschneiden. Aber eben Werte sind Ansichtssache. Wenn ich da nur an unseren Rechtspipulisten und subventionierten Kleinverleger Roger Köppel denke, welcher den Russen, Chinesen, Trump und Bolsonaro den Hof macht.
Nun, wenn ich mich nicht irre wurde Taiwan von den vertriebenen Adeligen Chinas und ihrer Getreuen gegründet als sie nach dem Putsch der Kommunisten aus China fliehen mussten. Somit wurde ein neues Land gegründet und hat nichts mit Abtrünnigkeit zu tun.
Und Litauer zeigen zumindest Rückgrat, etwas das ich bei einigen westlichen Ländern vermisse.
Da könnten sich einige hier eine Scheibe abschneiden.