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Nach Orbans Putin-Reise: Von der Leyen ordnet Boykott an

Von der Leyen hat keinen Bock mehr auf Orban und ordnet Boykott gegen Ungarn an

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagiert mit einer Boykott-Entscheidung auf die Alleingänge von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán in der Ukraine-Politik.
15.07.2024, 23:0216.07.2024, 04:38
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Die deutsche Spitzenpolitikerin liess ankündigen, dass an künftigen informellen Ministertreffen unter der Leitung der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft in Ungarn keine Kommissarinnen oder Kommissare, sondern nur ranghohe Beamte teilnehmen werden.

epa11480179 European Commission President Ursula von der Leyen (C) arrives at the European Parliament in Strasbourg, France, 15 July 2024. The first plenary session of the new European Parliament take ...
Ursula von der Leyen reagiert mit Boykott auf die Alleingänge vom ungarischen Regierungschef Viktor Orban.Bild: keystone

Zudem verzichtet die EU-Kommission auf den traditionellen Antrittsbesuch bei der ungarischen Präsidentschaft, wie ein Sprecher mitteilte. Aus Budapest gab es zunächst eine entrüstete Reaktion vom Minister für Angelegenheiten der Europäischen Union, Janos Boka.

Orbans «Friedensmission»

Hintergrund der Entscheidung von der Leyens ist eine mit der EU nicht abgestimmte Auslandsreise von Ungarns Regierungschef Viktor Orban wenige Tage nach dem Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft. Orban hatte dabei in Moskau Kremlchef Wladimir Putin getroffen und dies als «Friedensmission» zur Lösung des Ukraine-Konflikts inszeniert. Später reiste er dann auch noch nach Peking zu einem Gespräch mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sowie in den USA zu einem Treffen mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump.

Die Reisen stiessen auf grossen Unmut in der EU – vor allem, weil der Kreml den Moskau-Besuch für seine Propaganda ausschlachten konnte und Orban bei der Reise in der Ukraine-Politik nicht klar die EU-Position vertrat.

Die Europäische Kommission machte mehrfach klar, dass Orban nicht im Namen der Staatengemeinschaft unterwegs sei. Auch aus dem Auswärtigen Amt kam deutliche Kritik. Ein Sprecher in der Bundespressekonferenz in Berlin sagte am vergangenen Freitag:

«Das sind ungarische Alleingänge, die wir mit grosser Verwunderung und Skepsis zur Kenntnis nehmen.»

Orban spreche auf diesen Reisen ausschliesslich für sich selbst – und nicht für die Europäische Union. Zu möglichen Konsequenzen sagte der Sprecher, man müsse sehen, wie die ungarische Ratspräsidentschaft weiter laufe. «Sie hat schon grossen Flurschaden hinterlassen.»

Manche Länder zogen bereits Konsequenzen

Litauen und Schweden kündigten als Reaktion auf die Alleingänge Orbans zu Beginn der EU-Ratspräsidentschaft bereits an, vorübergehend keine Ministerinnen und Minister zu Treffen nach Ungarn schicken. Das ungarische Vorgehen sei schädlich und müsse Konsequenzen nach sich ziehen, erklärte Schwedens derzeitige EU-Ministerin und designierte EU-Kommissarin Jessika Roswall. Finnland, Estland, Lettland, Litauen und Polen wollen Roswalls Angaben zufolge ähnlich auf das ungarische Vorgehen reagieren.

Derzeit wird zudem in Brüssel diskutiert, ob ein eigentlich für Ende August in Budapest geplantes informelles EU-Aussenministertreffen nicht nach Brüssel verlegt werden sollte. Eine Entscheidung könnte beim letzten regulären EU-Aussenministertreffen vor der Sommerpause am kommenden Montag von EU-Chefdiplomat Josep Borrell getroffen werden. Er sitzt den EU-Aussenministertreffen vor und ist auch dafür zuständig, dazu einzuladen.

Entscheidung kurz vor Abstimmung im EU-Parlament

Die Entscheidung der EU-Kommission erfolgt wenige Tage vor der Abstimmung über eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament. Europäische Parteienfamilien wie die Sozialdemokraten, Grüne und Liberale hatten sie in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, einen härteren Kurs gegenüber Ungarn einzuschlagen. Auf die Stimmen aus diesem Lager ist von der Leyen bei der Wahl am Donnerstag angewiesen.

Der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund sagte:

«Orbans Vorgehen ist nicht nur ein deutlicher Verstoss gegen die EU-Verträge, sondern es schwächt die EU in einer Zeit enormer aussenpolitischer Instabilität.»

Von der Leyen mache es richtig, sagte er weiter. Das Parlament solle ihrem Beispiel jetzt folgen. «Das heisst: Keine Einladung für Viktor Orban ins Europaparlament.»

Ungarn hat seit Anfang des Monats für ein halbes Jahr turnusmässig die EU-Ratspräsidentschaft inne. Das Land bereitet in dieser Rolle unter anderem Treffen der Fachministerinnen und -minister vor. Bei diesen informellen Treffen kommen in der Regel die jeweiligen Ressortchefs aus den 27 EU-Ländern zusammen. Auch der fachlich zuständige EU-Kommissar nimmt für gewöhnlich an dem Treffen teil.

Entrüstung in Budapest

Ungarns Regierung reagierte verärgert auf die Boykott-Entscheidung. «Die EU-Kommission kann sich nicht Institutionen und Minister aussuchen, mit denen sie kooperieren will. Sind alle Beschlüsse der Kommission nun auf politische Erwägungen gegründet?», schrieb Ungarns Minister für EU-Angelegenheiten, Janos Boka, bei X. (sda/dpa/lyn)

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107 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Frizbee
15.07.2024 21:56registriert März 2022
Geht doch! Jetzt noch genau 0 Euro für Ungarn solange da die Russen regieren.
20029
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Stefan Sowieso
15.07.2024 22:07registriert Juli 2020
EU neu gründen, ohne Ungarn. Ein Ausschluss ist ja dummerweise nicht möglich. Was für eine Fehlkonstruktion. Zwangsehen sind nie die Lösung sondern das Problem.
14930
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Roman Loosli
16.07.2024 06:20registriert März 2015
Nicht die EU ist das Problem sondern Ungarn! Das geschieht wenn Diktatoren sich festsetzen in einem Land. Sie plündern und zerstören fie Demokratie. Putins trojanisches Pferd in der EU.
Wenn Russdland zerfällt ist das Problem auch gelöst.
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107
    Heute entscheidet sich die Zukunft der Weltwirtschaft
    Donald Trump will den globalen Handel neu organisieren.

    Alle starren darauf, wie das Kaninchen auf die Schlange, keiner weiss, was uns erwartet: Donald Trumps «liberation day» hält Manager, Ökonomen und Investoren gleichermassen in Atem. Die Rede ist von «reziproken Zöllen», will heissen, die USA wollen jedem Land die gleichen Zölle aufbürden, unter denen die eigenen Exporte zu leiden haben. Oder auch nicht: Vielleicht werden auch allen Ländern pauschal 20 Prozent Zölle aufgebrummt.

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