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Brüssel empfiehlt Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine

FILE - Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy, right, and European Commission President Ursula von der Leyen attend a press conference in Kyiv, Ukraine, Saturday, Nov. 4, 2023. Ukraine, Moldova and G ...
Hat gute Nachrichten für Präsident Wolodimir Selenski: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.Bild: keystone

«Es ist ein historischer Tag»: Brüssel empfiehlt Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine

In Kiew freut man sich, auch wenn der Prozess wohl lange dauern wird. Ein EU-Staatschef könnte den Verhandlungsstart aber noch im Alleingang blockieren.
08.11.2023, 21:3908.11.2023, 21:58
Remo Hess, Brüssel / ch media
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Es ist der mit Abstand schnellste Beitrittsprozess, den die EU je erlebt hat: Nicht einmal 18 Monate nach der Ernennung zum Beitrittskandidaten empfiehlt die EU-Kommission bereits, offizielle Verhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen. «Es ist ein historischer Tag», sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Brüssel.

Und in Kiew freute sich Präsident Wolodimir Selenski: «Es ist der richtige Schritt. Die Ukraine gehört in die Europäische Union». Die Ukrainerinnen und Ukrainer hätte sich dies mit der Verteidigung europäischer Werte «verdient», so Selenski. Das letzte Wort werden nun im Dezember die Staats- und Regierungschefs haben.

Bevor das erste Kapitel der Beitrittsverhandlungen im März kommenden Jahres formell eröffnet werden kann, muss die Ukraine aber noch drei von insgesamt sieben Reformkriterien erfüllen. Konkret geht es um zusätzliche Anstrengungen bei der Korruptionsbekämpfung, speziell auf hoher Ebene. Aber auch im Kampf gegen den Einfluss von Oligarchen oder beim Schutz von Minderheiten muss Kiew noch nachlegen. Von der Leyen zeigte sich zuversichtlich, dass dies gelingen wird: «Der Fortschritt ist beeindruckend». Die verbleibenden Reformen seien bereits auf gutem Weg, so die 65-jährige Deutsche.

Orban könnte die Verhandlungen blockieren

Während von der EU-Seite stets betont wird, dass es keine Abkürzungen geben und der Beitrittsprozess anhand der konkreten Fortschritte bemessen wird, ist bei der Ukraine offensichtlich, dass sehr wohl die Geopolitik mitspielt: «In Zeiten, in denen die internationale Ordnung infrage gestellt wird, macht uns die Erweiterung stärker», sagte von der Leyen mit Blick auf Russland und dessen imperiale Ambitionen.

Dem Argument, dass die Ukraine die EU stärker und sicherer mache, stimmen jedoch nicht alle zu. Immerhin sollen nun erstmals in der Geschichte Beitrittsverhandlungen mit einem Land beginnen, dass sich in einem offenen Krieg befindet. Am deutlichsten positioniert sich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der kürzlich sagte, dass man noch nicht einmal wisse, wo genau die Grenze der Ukraine verlaufe. Wenn er will, kann der Ungare den Start der Beitrittsverhandlungen im Alleingang blockieren.

EU mit 37 Mitgliedstaaten – kann das jemals gut gehen?

Klar ist auch: Bis das 44-Millionen-Land in die EU aufgenommen wird, werden noch Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen. Immerhin stehen auch aus dem Westbalkan sechs Staaten seit Jahren in der Warteschlange. Dazu kommt die Republik Moldau, für welche Brüssel ebenfalls am Mittwoch die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen vorschlug.

Insgesamt gibt es zehn mögliche Beitrittsländer, wodurch die EU theoretisch von heute 27 auf bis zu 37 Staaten anwachsen könnte. Einig ist man sich deshalb, dass parallel zur Erweiterung ein interner Reformprozess stattfinden muss, um noch einigermassen handlungsfähig zu bleiben. Schon heute gibt die EU oft ein zerstrittenes Bild ab.

Dazu gibt es verschiedene Reformansätze. Am naheliegendsten wäre die Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in allen Fragen, um die Entscheidungsprozesse zu straffen. Aber auch ein «Kerneuropa» mit stärker integrierten und eines mit weniger stark integrierten Ländern können sich manche vorstellen. Allein diese Diskussion wird noch weit schwieriger zu führen sein als jede Erweiterungsdebatte. (aargauerzeitung.ch)

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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bruno Meier (1)
09.11.2023 04:05registriert Juni 2018
Ein ganz zentraler Punkt wird hier nicht einmal erwähnt, wird aber ganz sicher zu ganz grossen Spannungen führen: das Geld. Mit der UA käme neu mit Abstand das ärmste Land dazu. Zahlen vor dem Krieg: jetzt ist es Bulgarien mit 32'000 Jahreseinkommen (Kaufkraftbereinigt), die UA hat 13'000. Das würde den EU-Schnitt um 10% drücken! Ausserdem riesige Agrarflächen 30-40 Mio Hektaren, das würde diese Fläche in der EU um bis25% erhöhen, auch hier geht es um gewaltige Verteilsummen. Entweder Budget massiv erhöhen oder einschneidende Abstriche bei den Bisherigen Die Kriegsschulden der UA bei den USA?
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Pierre Michel (0.69 HQ)
08.11.2023 22:20registriert Juli 2021
Georgien hat von der EU-Kommission heute auch die Empfehlung zum Beitrittskandidaten erhalten. Ich bin einzig gespannt ob die EU an den unausweichlichen internen Konflikte oder aus wirtschaftlichen Gründen zerbrechen wird, und ob es bis dahin nur zehn oder doch zwanzig Jahre dauert.
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