Die Corona-Pandemie ist definitiv vom Podest der politischen Agenda gestossen worden. Jetzt schauen die mächtigsten Industriestaaten der Welt auf die Ukraine. Und das haben sie schon einmal gemacht, damals wegen eines «geplatzten Traums».
Bevor im Juni der Gipfel der G7 Staats- und Regierungschefs über die Bühne geht, treffen sich die Minister der Länder, um über die globalen politischen und wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs zu beraten: viele Worte zu Waffen und Weizen – und ein paar Versprechen.
Ein fortlaufendes Update über die angedachten Lösungen der G7-Minister für den Ukrainekrieg:
Die G7 ist keine internationale Organisation, sondern ein internationales Netzwerk. Dem Gremium gehören Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Grossbritannien und die USA an. Die Europäische Kommission hat einen Beobachterstatus.
Während der Treffen der G7 Minister oder Staats- und Regierungschefs loten die Staaten eine gemeinsame Position zu globalen politischen Fragestellungen aus – insbesondere in den Bereichen Weltwirtschaft, Aussen- und Sicherheitspolitik.
1998 wird Russland in die G7 aufgenommen – die G8 ist geboren. Die Hoffnung war wohl, Russland politisch beeinflussen zu können – und Russland das Gefühl zu geben, dass es einen fixen Platz am Tisch der Familie der westlichen Nationen hat. Man war gewillt, Russland als politischen Partner ernst zu nehmen – obwohl das Land nicht zu den wirtschaftlichen Schwergewichten gehörte.
2014 wird Russland nach der Annexion der Krim wieder ausgeschlossen. Mit diesem Ausschluss haben die Staats- und Regierungschefs 2014 ein unübersehbares Zeichen gesetzt: Wir sind nicht gewillt, über Veränderung der Grenzen eines europäischen Landes unter Androhung und Anwendung militärischer Gewalt hinwegzusehen – Sowjetrussland und seine Praktiken sind Geschichte.
Der damalige Leiter des europäischen Ablegers der US-Denkfabrik «Carnegie Endowment for International Peace» (CEIP), Jan Techau, sprach gegenüber dem Deutschlandfunk von einem «geplatzten Traum», mit dem sich die G7 jetzt auseinandersetzen müssten.
Russland gab sich damals gelassen über den Ausschluss. Der stellvertretende Aussenminister, Sergej Rjabkow, betonte, dass Russland überhaupt kein Interesse daran habe, die Runde der G8 jemals wieder zu komplettieren. Kein Bedauern also über die Isolation.
Vom 18. bis 20. Mai tagen die Gesundheits- und Entwicklungsminister der G7 in der deutschen Hauptstadt Berlin. Am diesjährigen Treffen der Gesundheits- und Entwicklungsminister nehmen auch die Minister von Indonesien, Indien, Senegal sowie der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, Achim Steiner, und Weltbank-Direktor David Malpass teil. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal nimmt virtuell an der Sitzung teil. Das wird besprochen:
Die G7-Minister wollen das «Bündnis für globale Ernährungssicherheit» offiziell starten.
Die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze hatte das Bündnis im April gemeinsam mit Malpass vorgeschlagen, um zusätzliche Finanzierung und eine enge Koordination der Massnahmen zur Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
So war es auch Schulze, die nun die führenden westlichen Industrienationen zu gemeinsamen Anstrengungen gegen Hungersnöte als Folge des Kriegs in der Ukraine aufrief.
Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach sicherte erneut der Ukraine Unterstützung bei der medizinischen Versorgung im russischen Angriffskrieg zu.
Lauterbach betonte, dass die Corona-Pandemie noch nicht vorbei sei. Aber: Es gebe endlich genug Corona-Impfstoff. Und: Die G7-Länder wollten sich mit Hilfen beim Transport oder bei Material wie Spritzen dafür einsetzen, dass er in ärmeren Ländern auch eingesetzt werden könne.
Grundsätzlich wollen die G7-Gesundheitsminister einen schnelleren Kampf gegen weltweite Gesundheitskrisen erreichen. Dazu sollten Konzepte entwickelt werden, damit aus einem Krankheitsausbruch erst gar keine Pandemie entstehe, sagte der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach anlässlich eines Treffens mit seinen Amtskollegen am Donnerstag in Berlin.
Dafür müssten klare Zuständigkeiten definiert sowie die Vernetzung von Spezialisten und schnell abrufbare Finanzierung garantiert werden.
Vom 18. bis 20. Mai tagen die Finanzminister und Notenbankgouverneure der G7 in der westdeutschen Stadt Bonn. Das wird besprochen:
Unmittelbar vor dem G7-Finanzministertreffen hatte die US-Finanzministerin Janet Yellen die Forderung nach mehr Finanzhilfen für die Ukraine bekräftigt. Sie werde die anderen Finanzminister auffordern, wie die USA ihre Unterstützung für das von Russland überfallene Land noch weiter zu erhöhen, sagte die Politikerin am Mittwoch im deutschen Königswinter.
Mit Blick auf weitere Sanktionen gegen Russland betonte die US-Finanzministerin, dass das Ziel sein müsse, Russland möglichst hart zu treffen, und gleichzeitig die Schäden für den Rest der Welt möglichst gering zu halten.
Die EU habe klargemacht, dass sie die Ölimporte aus Russland zum Ende des Jahres beenden wolle. Wenn man sich noch so lange Zeit nehme, könnten weiteren Preissprünge verhindern, sind einige Minister überzeugt. Die Gespräche darüber dauern an.
Ebenfalls diskutiert wird über eine angestrebten internationalen Mindeststeuer für grosse Unternehmen. Yellen betonte, es gehe darum, die Steuersysteme so zu stabilisieren, dass Staaten auch auf Krisen wie die Covid-19-Pandemie reagieren könnten.
Vor dem Treffen der G7-Finanzminister haben Aktivisten die Mitgliedsstaaten für zu wenig Engagement beim Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäscherei kritisiert.
Das Tax Justice Network bezichtigte am Dienstag die USA, Grossbritannien, Deutschland, Italien und Japan, globale Fortschritte bei der Finanztransparenz zu torpedieren. Die USA sind demnach sogar Spitzenreiter unter den Ländern, die reichen Menschen beim Verstecken ihres Vermögens helfen würden.
Vom 12. bis 14. Mai tagen die Aussenminister der G7 im deutschen Weissenhaus. Am diesjährigen Treffen der Aussenminister der G7-Staaten nahmen auch der ukrainischen Aussenminister Dimitri Kuleba und der moldauischen Aussenminister Nicu Popescu teil. Das wurde besprochen:
Die Minister haben sich geeinigt, die Ukraine noch über Jahre Militär- und Verteidigungshilfe zu gewähren, sollte dies nötig sein. Auf dem Treffen sei auch über den ukrainischen Wunsch nach Lieferung von Kampfjets gesprochen worden, so die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock in der abschliessenden Pressekonferenz.
Die Aussenminister der G7-Staaten versprachen zum Abschluss ihres Treffens in einer gemeinsamen Erklärung:
Der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates der Russischen Föderation, Dmitri Medwedew, reagierte auf diese Erklärung: «Sagen wir es milde: Unser Land schert sich nicht um die Nichtanerkennung neuer Grenzen durch die G7, wichtig ist der wahre Wille der dort lebenden Menschen. Vergesst nicht den Kosovo-Präzedenzfall, westliche Freunde», schrieb er auf seinem Telegram-Kanal.
Ein wichtiges Thema der G7-Erörterungen sei die Blockade ukrainischer Getreideexporte durch Russland gewesen. Die Aussenminister warfen Russland die Führung eines «Korn-Kriegs» vor. Denn durch die Blockade der ukrainischen Häfen gefährde Russland die weltweite Getreideversorgung. 25 Millionen Tonnen Getreide liegen nämlich an den ukrainischen Häfen bereit.
Die G7-Aussenminister schmiedeten darum Pläne, das Getreide über Alternativrouten – etwa per Eisenbahn in die Welt zu exportieren. Allerdings gebe es hier noch zahlreiche offene Fragen zu klären, weil das ukrainische Eisenbahnnetz eine andere Spurbreite habe als das seiner westlichen Nachbarn, wie der gemeinsamen Erklärung zu entnehmen ist.
Neben dem Korn-Krieg beschäftigten sich die G7-Aussenminister auch mit den eingefrorenen russische Vermögenswerten. So sei die Idee besprochen worden, ob man diese Vermögenswerte dazu verwenden könnte, Kriegsschäden in der Ukraine zu begleichen.
Die kanadische Aussenministerin hatte erklärt, dies sei zumindest nach kanadischem Recht möglich. Die deutsche Aussenministerin betonte in ihrer abschliessenden Pressekonferenz, man sei sich einig gewesen, dass Russland als Aggressor allein für die entstandenen Kriegsschäden verantwortlich sei. Allerdings: Bevor man in der EU die russischen Vermögenswerte offiziell beschlagnahmen könne, müsse sichergestellt werden, dass dieser Schritt «rechtssicher» sei.
(yam, mit Material der awp/afp/sda/dpa)