Die Spuren der Gewalt auf den Pariser Champs-Elysées sind auch am Morgen nach den eskalierten «Gelbwesten»-Protesten nicht zu übersehen. Zersplitterte Fensterscheiben von Luxus-Geschäften, ausgebrannte Zeitungskioske und beschmierte Häuserwände zeugen von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen während der Ausschreitungen zwischen Demonstrationsteilnehmern und Sicherheitskräften am Samstag.
Als die «Gelbwesten»-Demonstranten aus ganz Frankreich am Samstagvormittag in Paris eintreffen, ist die Stimmung bereits angespannt. «Das könnte heute eine heisse Sache werden», sagt Greg. Der 38-Jährige trägt Helm und Maske.
Hunderte Anarchisten des «Schwarzen Blocks» mischen sich unter die rund 10'000 Demonstranten in der französischen Hauptstadt. Innenminister Christophe Castaner wird später von mehr als 1500 «ultra-gewalttätigen» Randalierern sprechen, die gekommen seien, «um zu zerstören, um sich zu prügeln, um anzugreifen».
Am späten Vormittag ist es so weit: Auftakt zu mehr als sieben Stunden dauernden heftigen Zusammenstössen. Pflastersteine und andere Geschosse gehen über den Sicherheitskräften nieder, die den Triumphbogen mit Stahlbarrieren abgesichert haben.
Die Polizisten setzen grosse Mengen Tränengas, Blendgranaten und Wasserwerfer ein. 5000 Polizisten und mehrere gepanzerte Polizeifahrzeuge sind im Einsatz.
Die gewaltbereiten Teilnehmer beeindruckt das offensichtlich nicht. «Wir werden alles anzünden», schreit ein Demonstrant. «Das ist die Apokalypse», ein anderer. Schon brennen die ersten Barrikaden, klirren die ersten Scheiben von Geschäften auf dem sonst von Touristen und kaufkräftigen Kunden besuchten Prachtboulevard.
Elf Menschen werden beim Brand eines Wohnhauses verletzt, in dessen Erdgeschoss Demonstranten eine Bankfiliale in Brand gesetzt haben. «Sie hätten jemanden umbringen können», sagt Reda, der mit seiner Frau und seinen vier Kindern aus dem Gebäude fliehen konnte.
Zwei Menschen müssen von der Feuerwehr aus den Flammen gerettet werden - eine Frau war mit ihrem Baby im zweiten Stockwerk von den Flammen eingeschlossen.
Die Lage in Paris gerät zunehmend ausser Kontrolle. Tausende #GiletsJaunes randalieren rund um die Champs-Elysées. Gebäude brennen, Plünderungen, viele Verletzte. #Acte18 pic.twitter.com/uLdHRSj25w
— Fabian Eberhard (@FabianEberhard) 16 March 2019
Am Nachmittag eskaliert die Lage vollends. Immer mehr Geschäfte und Kioske gehen in Flammen auf. Holzbretter, mit denen Inhaber ihre Restaurants und Boutiquen zu schützen versuchten, werden abgerissen. Plünderer dringen in Bekleidungsgeschäfte ein. Insgesamt werden 80 Geschäfte bei den Ausschreitungen beschädigt, darunter rund 20 durch Plünderungen oder Brandstiftung.
«Revolution, Revolution», schallt es über den Prachtboulevard, über den sich mittlerweile der beissende Geruch von Tränengas gelegt hat. Ein Graffiti an einer Wand dürfte die Sicht vieler Randalierer auf die Ereignisse zusammenfassen: «Plünderung = soziale Gerechtigkeit.»
Nachdem sich die Lage wieder beruhigt hat, verkünden die Behörden die Bilanz des Tages: 237 Demonstranten wurden vorläufig festgenommen, gegen 21.00 Uhr befinden sich 144 von ihnen weiterhin in Polizeigewahrsam.
Unterdessen laufen die Aufräumarbeiten auf den Champs-Elysées. Wieder müssen die Mitarbeiter des städtischen Reinigungsbetriebs anrücken, am 18. Samstag in Folge.
Frust? Ein Mitarbeiter äussert vielmehr Verständnis für die Zerstörer. «Jeder leidet, Frankreich geht es schlecht. Wir kommen gerade so über die Runden, während sich andere die Taschen füllen.» (sda/afp)