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Erneuter Schwindel: «Catch me if you can» soll teilweise erlogen sein

Leonardo DiCaprio und der echte Frank Abagnale am Set von «Catch me if you can».
Leonardo DiCaprio und der echte Frank Abagnale am Set von «Catch me if you can».bild: www.imago-images.de/watson

Wenn der Schwindler schwindelt – «Catch me if you can» soll grösstenteils erlogen sein

Spätestens mit der Verfilmung von «Catch me if you can» wurde Frank Abagnale Jr. zum wohl bekanntesten Hochstapler unserer Zeit. Doch nun gibt es Vorwürfe, dass der Piloten-Doktor mit Anwaltszeugnis uns die ganze Zeit hinters Licht geführt habe.
14.03.2023, 15:3914.03.2023, 16:36
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Leonardo DiCaprios Performance als Trickbetrüger Frank Abagnale Jr. ist legendär. Er nimmt die Zuschauerschaft auf eine wilde Verfolgungsjagd quer durch die USA und die Welt mit – umso eindrücklicher ist «Catch me if you can», weil der Film eine (vermeintlich) wahre Geschichte erzählt.

Denn Frank Abagnale Jr. gibt es wirklich und seine Geschichte wurde mit seiner «Biografie», die dem Film den Titel geliehen hat, berühmt. Das Buch erschien 1980 und wurde von Abagnale und dem Schriftsteller Stan Redding verfasst.

Doch wie viel von seiner Biografie ist wirklich wahr? Ein neuer Bericht wirft viele Fragen auf.

Piloten-Doktor mit Anwaltszeugnis

Abagnale gibt (sowohl in Vorträgen als auch in der Biografie) an, sich Mitte der 60er und Anfang der 70er-Jahre im Alter von 16 bis 21 als PanAm-Pilot ausgegeben zu haben. Dabei will er fast 5 Millionen Kilometer geflogen sein. Und er habe auch andere Identitäten angenommen: diejenige eines Doktors in Georgia, die eines Soziologieprofessors an der Brigham Young University in Utah und die eines Anwalts bei der Staatsanwaltschaft von Baton Rouge, Louisiana.

Über die ganze Zeit hinweg habe er über 17'000 gefälschte Cheques eingelöst und sich damit rund 2,5 Millionen US-Dollar ergaunert. Im Film – mit dem Abagnale aber nebst einem Cameo-Auftritt nicht wirklich etwas zu tun hat und der tatsächlich aus dramaturgischen Gründen überspitzt ist – sind es 4 Millionen.

Wie dem auch sei, die Geschichte des Frank Abagnale kennt jeder – doch in einem Beitrag der New York Post werden Zweifel gehegt.

Zahlreiche Ungereimtheiten

Die NYP stützt sich dabei auf mehrere Quellen. Zwei davon sind William Toney, Professor für Kriminaljustiz, und Jim Keith, ein ehemaliger Sicherheitsbeauftragter. Beide hatten (unabhängig voneinander) eine Rede von Abagnale besucht und waren nicht überzeugt von dessen Schilderungen. Sie nahmen zuerst getrennt voneinander und anschliessend gemeinsam und mit Unterstützung von Toneys Studenten Ermittlungen zur skurrilen Geschichte auf.

Das Produkt ihrer mehrjährigen Recherchen: eine 87-seitige Sammlung von alten Zeitungsberichten, Gerichtsdokumenten, Briefen von Airlines, Universitäten und Regierungsvertretern, die der NYP nun vorliegt. Daraus lässt sich herauslesen, dass Teile von Abagnales Geschichte durchaus wahr sind, andere sich aber schlichtweg nicht beweisen lassen.

So schreibt Bruce A. Chadwick, Vorsitzender der soziologischen Fakultät der Brigham Young University, in einem Brief von 1982:

«Sehr geehrter Herr

Betreffend ihrer Frage nach Information bezüglich Frank W. Abagnale:

Das ist etwa die fünfzehnte Anfrage im Laufe der letzten Jahre zu diesem Thema. Wir haben die Universitätsakten gründlich durchsucht, ehemalige und jetzige Mitglieder der Fakultät befragt und konnten absolut keine Beweise dafür finden, dass Herr Abagnale jemals etwas mit der Brigham Young University zu tun hatte, geschweige denn mit dem Departement für Soziologie.

Ganz ehrlich: Der Mann ist ein überführter Hochstapler. Ich habe die ganze Geschichte der Universitäts-Medienstelle übergeben und die haben sich dazu entschlossen, Herrn Abagnale zu ignorieren.

Mit freundlichen Grüssen»

War Frank Abagnale also gar nie Uniprofessor? Dies behauptete bereits ein Artikel im «San Francisco Chronicle» von 1978, also noch bevor Franks Buch erschien, aber als er bereits mit seiner Geschichte an Seminaren auftrat und sich so sein täglich Brot verdiente. Der Reporter hatte diverse Institutionen kontaktiert, bei welchen Abagnale angeblich involviert war. Von diesen konnte sich niemand an ihn erinnern. Seine Antwort darauf: Er habe Namen und Zeitpunkte in seiner Geschichte abgeändert, um die Betroffenen damit nicht in Verlegenheit zu bringen.

NEW YORK, NY - FEBRUARY 10: Frank Abagnale Jr. speaks at the "Catch Me If You Can" Broadway rehearsal Sneak Peek at The New 42nd Street Studios on February 10, 2011 in New York City. (Photo  ...
Auch heute noch erzählt Frank Abagnale an Events von seiner Geschichte und verdient sich so seinen Lebensunterhalt.Bild: Getty Images North America

Aber auch seine «Hauptbeschäftigung» als PanAm-Pilot ist umstritten. Der damalige Sicherheitsbeauftragte der PanAm, Andrew Bentley, äusserte sich in einem Brief von 1982 wie folgt: «Ich habe weder Zeit noch Lust, das gleiche Gefasel zu widerlegen, mit welchem diese Person seit Jahren hausieren geht.» Und:

«Die Öffentlichkeit, unterstützt von den Medien, scheint sich für Sensationsmeldungen zu begeistern, ganz gleich, wie bizarr oder abwegig die Geschichten auch sein mögen.»

Abläufe verschwommen

Aber auch zeitlich gehen Abagnales Erzählungen nicht ganz auf. Die NYP beruft sich auch auf eine Recherche von Alan C. Logan, die zum Schluss kam, dass Abagnale im Zeitraum seiner Anstellung als «Arzt» in Georgia in einem Gefängnis in New York sass.

Dazu übrigens: Laut eigener Aussage war Abagnale fast ein Jahr lang als Nachtschicht-Kinderarzt am Cobb General Hospital angestellt. Diese Position gab es aber zu dieser Zeit gar nicht, wie das Spital angab.

Tom Hanks & Leonardo Dicaprio Characters: Carl Hanratty & Frank Abagnale Jr. Film: Catch Me If You Can USA/CAN 2002 Director: Steven Spielberg 16 December 2002 PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY  ...
Der Ermittler, verkörpert von Tom Hanks, hatte entgegen der Filmdarstellung nur kurz mit Abagnale zu tun – nichts mit Verfolgungsjagd über Jahre hinweg.Bild: www.imago-images.de

Und überhaupt passt der zeitliche Rahmen, in dem Frank angeblich seine grössten Tricksereien abzog (im Alter von 16–21 Jahren), gar nicht ins Bild. Nach den Recherchen von Logan sass Abagnale in diesem Zeitraum lange im Gefängnis und war insgesamt nur 14 Monate lang auf freiem Fuss. Hätte er dort seine 17'000 Fake-Cheques eingelöst, wären das rund 40 pro Tag – eine unmögliche Summe.

Und auch seine grösste Erfolgsgeschichte (die es in dieser Form nicht in den Film geschafft hat und darum nicht allen bekannt sein wird), seine Flucht aus dem Gefängnis in Atlanta, Georgia, dürfte erfunden sein. Angeblich entkam er, weil er sich als Gefängnisinspektor ausgab. Bloss: Das besagte Gefängnis bestritt, dass je ein Frank Abagnale dort untergebracht war.

So wäre es durchaus passend, dass der wohl medial bekannteste Trickbetrüger uns die ganze Zeit über betrogen hat.

(cpf)

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62 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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so wie so
14.03.2023 15:53registriert Juli 2015
Und trotzdem hat die Geschichte unzählige Menschen unterhalten. Es ist einfach eine gute Geschichte.
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Der Micha
14.03.2023 15:58registriert Februar 2021
Bisschen ironisch, wenn die größte Geschichte über Trickbetrug und falsche Identitäten einfach selber ein Trickbetrug ist und er die ganze Zeit eine falsche Identität mimt.
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El Vals del Obrero
14.03.2023 16:26registriert Mai 2016
Da gibt es irgendwie einen logischen Knoten:

Ist es einen Schwindel, wenn ein Schwindler schwindelt? Sollte es nicht eher ein Schwindel sein, wenn ein Schwindler nicht schwindelt?
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