Während der monatelangen Wahlkampagne war sie kaum in Erscheinung getreten. Doch am Sonntagabend gab es nur noch Brigitte Macron. Die Live-Kameras waren alle auf die Präsidentengattin gerichtet, als sie neben Emmanuel zum Marsfeld schritt, wo er seine erste Rede als wiedergewählter Staatschef hielt. Er sagte, dass er der Präsident aller Französinnen und Franzosen sein wolle, und dass jetzt eine neue Ära beginne. Gerade bahnbrechend wirkte das nicht, und schon gar nicht mitreissend.
Dann erwischte eine Journalistin von France-2 im allgemeinen Trubel die Präsidentengattin. Und was sie ins Mikrophon sagte, wirkte nicht abgedroschen, sondern sehr spontan und sehr emotional. Dieser Wahlabend zeige, dass in Frankreich doch noch das Wohlwollen über die Wut siege, erklärte sie. «In diesem Land ist eben alles möglich», sagte sie in die verwackelte Kamera. «Deshalb ist Frankreich das schönste Land der Welt!»
Ob denn dieses Land nicht auf beunruhigende Weise gespalten sei, fragte die Reporterin. «Vielleicht werden die Dinge nun ändern», antwortete Brigitte Macron, ohne zu überlegen. «Mein Mann hat wirklich den Willen, die Dinge zu verändern. Ich habe ein immenses Vertrauen in ihn.»
Das kurze Interview bewirkte mehr «Likes» als der im Amt bestätigte Präsident. Von seiner ersten Wahl im Jahre 2017 bleibt das Bild haften, wie er gemessenen Schrittes – und vor allem: allein – zur Redetribüne vor der Louvre-Pyramide schritt. Von der Wiederwahl 2022 werden die Franzosen nun in Erinnerung behalten, wie Brigitte und Emmanuel Händchen haltend auf die beim Eiffelturm wartenden Fans zugingen. Zusammen traten sie auf die Bühne, zusammen sangen sie mit der Menge die Marseillaise.
Die Paar-Inszenierung, die vielleicht in den USA üblich wäre, nicht aber in Paris, machte etwas klar: Brigitte Macron ist das «Herz As» des Präsidenten. Er wird als gefühlskalt und herablassend kritisiert, seine politischen Gegner bezeichnen ihn als elitär und unsozial. Brigitte Macron ist dagegen überaus populär, wie die 25 000 Briefe belegen, die sie im Elysée-Palast jährlich erhält. Ihr sehr persönlicher, gestylter Look kommt ebenso gut an wie ihre volksnahe Sprache, die mit englischsprachigen Ausdrücken gespickt ist. Ohne viel Aufhebens verfolgt sie soziale Projekte, gibt Arbeitslosen Schule oder nimmt jetzt ukrainische Flüchtlinge auf.
Dass sie vor zwei Wochen 69 geworden ist, gereicht ihr auch nicht zum Nachteil. Im Gegenteil sehen ihre Landsleute immer wieder, wie sich Macrons ehemalige Lehrerin über ihr Alter lustig macht. Schon bei seiner ersten Kandidatur vor fünf Jahren hatte sie einmal frisch von der Leber gesagt, er müsse sich sputen – denn bald werde er nicht mehr kandidieren können angesichts der undenkbaren «Visage» (tronche), die sie mit zunehmendem Alter haben werde.
Mit solchen flapsigen Sprüchen zeigte sie auch auf, dass sie den 25-jährigen Altersunterschied zu ihrem Mann keineswegs als peinlich empfindet. Ihre Zweierbeziehung bleibt nach bald zwanzig Jahren eine Liebesgeschichte. Davon zeugt ein berührender Schnappschuss vom Wahlabend: Als Macrons Wiederwahl um 20 Uhr klar wird, küsst er inmitten des allgemeinen Freudentaumels als erstes seine Brigitte, die vor Aufregung beide Hände vors Gesicht geschlagen hat.
Solche nicht gestellten Bilder dürften im nationalen Unterbewusstsein sogar stärker wirken als die wahlpolitische Inszenierung auf dem Marsfeld. Nicht zufällig lief neben Emmanuel Macron auch ein unbekanntes Mädchen mit, dem der Präsident sein Hand auflegte. Damit wollte er wohl vergessen machen, dass er selber keine Kinder hat – ein Nachteil für das Storytelling vom präsidialen «Landesvater», der seine Landsleute beschützt.
Brigitte Macron bringt dagegen aus einer ersten Ehe drei Kinder mit, die am Sonntagabend zum Teil auch bei Macrons Wahlfeier dabei waren. Sie, die beliebte Landesmutter, braucht der Nation nichts vorzuspielen. Und das kommt bei den Franzosen besser an als jeder noch so flammende Diskurs des Präsidenten.
Diese Wahl ist ein Warnschuss und man wird auch den nicht ernst nehmen.
Mögen sie lang und in Frieden leben! 🖖