Frankreichs Politik ist von aussen nicht immer leicht durchschaubar. Sie vermittelt mit den Strassenprotesten und den revolutionären Reflexen einen Eindruck von Unberechenbarkeit. Übersehen wird dabei, dass es eine breite, pragmatische Mitte gibt. Sie hat Emmanuel Macron wie vor fünf Jahren zum Wahlsieg gegen Marine Le Pen verholfen.
Zu den Missverständnissen, die bei uns über den Präsidenten verbreitet sind, gehört die Behauptung, Macron sei extrem unbeliebt. Es trifft zu, dass er bei vielen regelrecht verhasst ist. Aber seine Zustimmungswerte waren zuletzt deutlich höher als die seiner beiden Vorgänger Nicolas Sarkozy und François Hollande zum gleichen Zeitpunkt.
Beide mussten bekanntlich nach nur einer Amtszeit die Segel streichen. Emmanuel Macron hat als erster Staatschef seit Jacques Chirac vor 20 Jahren die Wiederwahl geschafft. Der Verlierer damals hiess Jean-Marie Le Pen. Er kam auf knapp 18 Prozent der Stimmen. Seine Tochter hat mehr als doppelt so viel geholt, aber weniger als zuletzt in den Umfragen.
Schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatte Macron die Prognosen übertroffen. Damit bestätigt sich einmal mehr das Phänomen, wonach die Franzosen in den Umfragen mit den Populisten «flirten» und sie am Ende doch nicht wählen. Für Marine Le Pen ist das Ergebnis eine Enttäuschung, für Frankreich, Europa und den Rest der Welt aber eine Erleichterung.
Die Chefin des Rassemblement National mag ihren antisemitischen Vater aus der Partei geworfen und ihr Image weichgespült haben. Doch eine Wölfin kann sich einen noch so flauschigen Schafspelz umhängen, sie ist und bleibt eine Wölfin. Ihre Wahl wäre eine Katastrophe gewesen, sie hätte Frankreich und Europa in den Grundfesten erschüttert.
Ein Schlüssel für ihre Niederlage war wohl auch die Fernsehdebatte. Le Pen präsentierte sich besser als 2017, aber nicht gut genug. In den sozialen Medien blieb offenbar der Eindruck hängen: Macron ist arrogant und Le Pen inkompetent. Mit einem arroganten Staatschef können die Franzosen leben, aber nicht mit einer inkompetenten Präsidentin.
Der Begriff Arroganz umschreibt dennoch ein zentrales Problem von Emmanuel Macron. In seinem immer noch jungen Leben (er ist erst 44 Jahre alt) hat er unglaublich viel erreicht, auch dank Glück. Aber er hat mit seiner eigenmächtigen und überheblichen Art auch viele Landsleute vor den Kopf gestossen. Der Hass auf ihn kommt nicht von ungefähr.
Wenn er in seiner zweiten Amtszeit reüssieren und als bedeutender «Président de la République» in Erinnerung bleiben will, muss der selbsternannte «Jupiter-Präsident» vom Olymp herunter steigen. Er muss seinen Hang zu einsamen Entscheiden und zu Sololäufen auch in der Aussenpolitik korrigieren und die Politik bürgernäher machen.
Gefordert ist er auch in der Wirtschaftspolitik. Zu viele Französinnen und Franzosen leben in prekären Verhältnissen. Zum Problem für Macron könnte die Parlamentswahl im Juni werden. Es scheint fraglich, ob er mit seiner «Hors-sol-Partei» La République En Marche erneut die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erobern kann.
Es geht für Präsident Macron dabei nicht nur um die Durchsetzung seiner Politik. Sondern auch um die Wahl 2027, wenn er nicht mehr antreten kann. Falls Macron scheitert, droht der Super-Gau: Eine Stichwahl zwischen der radikalen Linken und der extremen Rechten.
WER aber mindestens so gefordert ist, das sind die vielen Franzosen, die die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt haben und viel zu viel wollen, vor allem im Bereich der Renten.
Wenn Frankreich nicht in einem riesen Schlamassel versinken will, dann müssen diese beiden Akteure (besonnene Franzosen und Macron) sich um Frankreich bemühen. Die Rechte Ecke wird nur darauf warten, um Frankreich im Chaos versinken zu lassen, mehr kann diese Seite einfach nicht.