Wächter wollten Einbrecher angreifen: Neue Details zum Louvre-Diebstahl bekannt
Eine neue Videoaufnahme vom Juwelenraub im Louvre zeigt, dass die Sicherheit des Pariser Museums besser gewährleistet war als bisher angenommen. Eine Überwachungskamera filmte den Einbruch aus einem Winkel der Apollo-Galerie. Ihr Inhalt ist nicht öffentlich zugänglich, aber die Zeitung «Le Parisien» konnte die Sequenz einsehen. Zusammen mit anderen Angaben ergibt sich folgender Ablauf.
Countdown eines Jahrhundertraubs
9.34 Uhr: Zwei Diebe brechen mit elektrischen Scheibensägen durch ein Fenster in die Apollo-Galerie im ersten Stockwerk des Museums ein, nachdem eine Hebebühne sie vom Seine-Quai hochgebracht hat. Im Sicherheitsposten des Museums geht der Alarm los. Die zwei Männer gehen zielstrebig vor: Ein Vermummter mit gelber Bauarbeiterweste nähert sich dem «Napoleon-Schmuck», ein Helmträger den «Juwelen der Herrscher».
9.35 Uhr: Die beiden Eindringlinge setzen ihre Sägen an die Schaufensterscheiben an. Dies löst einen zweiten Alarm aus, der allerdings in der Galerie nicht zu hören ist, was Panikreaktionen verhindern soll. Einer der Einbrecher verscheucht die anwesenden Wächter und Besucher des seit einer halben Stunde geöffneten Museums mit einer ungeduldigen Geste. Nicht zu hören ist auf dem Video, was Augenzeugen berichtet haben: Ein Täter soll laut «dégagez» (Haut ab!) gerufen haben. Die vier Wächter, darunter drei Frauen, führen darauf vorschriftsmässig die Besucher aus dem Raum.
9.36 Uhr: Die Einbrecher haben Mühe, das Panzerglas der Vitrinen aufzusägen. Sie versuchen, die Scheiben mit Schulterdruck ein- oder wegzudrücken. Zwei der unbewaffneten Wächter nähern sich. Einer nähert sich mit einem Klotz in der Hand auf wenige Meter, muss dann aber aus nicht sichtbaren Gründen rasch zurückweichen.
9.37 Uhr: Dem Vermummten gelingt es, mit Körperdruck einen Spalt zwischen den Scheiben und dem Möbel zu öffnen. Er holt die Schmuckstücke heraus und steckt sie in einen Sack. Dann hilft er seinem Komplizen, der seine Säge abgestellt hat und andere, nicht sichtbare Werkzeuge hervorholt. Durch einen schmalen Spalt unter der Scheibe können sie sich einiger Juwelen bemächtigen. Im Museum werden gleichzeitig automatisch sämtliche Zugänge und Portale verriegelt.
9.38 Uhr: Die bisher kaltblütigen Diebe wirken nun zunehmend gestresst, als wüssten sie, dass ihr Zeitplan eng wird. Der Vermummte lässt die Juwelen fallen, macht sich aber nicht die Mühe, alle wieder einzusammeln. Zurück bleiben eine Brosche und ein Handschuh. Eiligst verlässt das Gauner-Duo die Galerie über das geöffnete Fenster. Ende der Videosequenz.
Der Filmausschnitt lässt das heftig kritisierte Museum etwas besser dastehen – was vielleicht auch erklärt, dass «Le Parisien» überhaupt an das Video gekommen ist. Die Galeriefenster waren wie die Schautische durch getrennte und funktionierende Alarmsysteme geschützt. Den wirksamsten Schutz bot aber das Panzerglas, das bei der Renovation der Apollo-Galerie im Jahr 2019 verstärkt worden war. Es hielt allen Werkzeugen stand.
Die Ermittler schliessen nicht aus, dass die Einbrecher Komplizen im Museum hatten, selbst wenn die 2000 Angestellten auf Vorstrafen überprüft werden. Die Louvre-Direktorin Laurence des Cars hat ihren Rücktritt angeboten, Kulturministerin Rachida Dati lehnt ihn aber ab. Das weltgrösste Museum beziffert den Wert der acht Schmuckstücke auf 88 Millionen Euro. Die zu Boden gefallene Krone der Kaiserin Eugénie soll laut des Cars restaurierbar sein. (aargauerzeitung.ch)