Knapp 10 Jahre lang betäubte Dominique Pelicot seine Ehefrau und liess sie ohne ihr Wissen von fremden Männern vergewaltigen. Als die Gräueltaten herauskamen, stellte sich Gisèle Pelicot dem Prozess in aller Öffentlichkeit und 51 der beteiligten Männer wurden im Dezember 2024 verurteilt. Dominique muss 20 Jahre ins Gefängnis. Durch ihren Mut und den Satz «Die Scham muss die Seite wechseln» wurde die heute 72-Jährige zu einer feministischen Ikone.
Während des Prozesses standen Gisèles und Dominiques drei Kinder ihrer Mutter treu zur Seite. Tochter Caroline Darian hat nun die Geschichte von einem der am stärksten bewegenden Prozesse dieses Jahrhunderts in einem tagebuchartigen Buch zusammengefasst. Mit dem Titel «Und ich werde dich nie wieder Papa nennen» bekommt das Buch auch eine deutsche Fassung. Darian beleuchtet darin die Geschichte ihrer Eltern – und zeigt auf, wie schwer es ist, sich als Opfer von einer solchen Beziehung zu lösen.
«Ich habe abgenommen, ich bin einsam, es ist kalt und ich vermisse meine Familie, die ich so schlimm behandelt habe.» Das schreibt der Vater von Caroline in einem Brief aus dem Jahr 2020. Darin nennt er Gisèle «die Liebe meines Lebens». Daraufhin schickt ihm seine von ihm misshandelte Ehefrau warme Kleider ins Gefängnis. Sie hat Mitleid. Caroline kann ihre Mutter nicht verstehen, sie sieht, dass ihr Vater aus der Ferne immer noch Macht hat.
Darum beginnt sie kurz nach der Verhaftung ihres Vaters im Jahr 2020 ihre Erlebnisse aufzuschreiben und erzählt von dem «Schiffbruch als Familie». In die Niederschrift packt sie all ihre Erschütterung, ihre Wut und Trauer. Doch diese Gefühle scheint ihre Mutter zu dieser Zeit nicht zu teilen. So befindet sich Gisèle in der Verdrängungsphase, ihr Trauma scheint sie sonst nicht auszuhalten. Durch diese Bewältigungsstrategie setzt sich Gisèle jedoch immer wieder für «mildernde Umstände» für ihren Mann ein. Nie redet sie schlecht über ihn. Sie klammert sich an die Liebe, die sie für ihren Ehemann empfindet. Versucht man ihr seine Gräueltaten zu verdeutlichen, meint sie:
Für Caroline ist dieser Zustand unerträglich. Sie spricht von ihrem Vater als «Mörder der Erinnerungen», der jahrelang log und der ganzen Familie etwas vorspielte. Immer wieder wird in den Einträgen zudem klar, dass die damals 42-Jährige ihren Vater nicht mehr als solchen ansieht. So schreibt sie etwa:
Die Wut auf ihren Vater kommt jedoch nicht nur von den Taten, die Dominique Carolines Mutter angetan hat. «Sein zweites Opfer bin ich», sagt die einzige Tochter des Vergewaltigers. Denn plötzlich tauchen Fotos auf, die sie halbnackt schlafend auf dem Bett zeigen. Caroline ist überzeugt, dass auch sie bewusstlos und zum Missbrauch gefügig gemacht wurde.
Dominique Pelicot streitet bis heute ab, seine Tochter je angefasst zu haben. Und auch Gisèle glaubt dies nicht. Oder will es zumindest nicht glauben: «Hör auf, dich zu quälen, dein Vater kann so etwas nicht getan haben. Ich kann das nicht hinnehmen, es würde mich endgültig zerstören.»
Trotz der wegen des Traumas erschwerten Beziehung zu ihrer Mutter stehen Caroline sowie ihre zwei Brüder Gisèle während des öffentlichen Prozesses im Jahr 2024 zur Seite. Dort zeigt sich die 72-Jährige alles andere als weich. Von der Verdrängung der Taten ihres Ehemanns scheint nichts mehr übrig zu sein. Dadurch kommt es auch zum ikonischen Satz «Die Scham muss die Seite wechseln», mit welchem Gisèle Pelicot in die Geschichte einging.
Die Wunden, die ihr Ehemann ihr zugefügt hat, sind aber trotzdem noch deutlich: «Ich bin eine zerstörte Frau», sagt Gisèle während des Prozesses. Ihre Tochter findet jedoch andere Worte für sie und beschrieb ihre Mutter als «wahre Heldin, aufrecht in den Ruinen stehend».
Auch wenn sich Caroline durch die Verdrängung ihrer Mutter lange Zeit noch stärker von ihrem Vater abgrenzen musste, sei auch ihr bewusst, dass sie die Vergangenheit nicht ausradieren könne, schreibt sie. Auch wenn sie dies möchte.
So erinnert sie sich an einen liebevollen Vater, der sie unterstützte und von dem sie Gutes geerbt habe. Wie es der Titel des Buches sagt, wird sie ihn nicht mehr Papa nennen. Trotz allem findet sie nach dem Prozess die Worte: «Mein Vater fehlt mir.»
Hut ab vor Frau Pelicot!
Ich wünsche ihr nur das Beste für ihre Zukunft!
Nein, ‚die Liebe meines Lebens‘ würde keiner über Jahre hinweg betäuben und von x Männern vergewaltigen lassen.
Anstatt in Selbstmitleid zu verfallen, ‚Ich habe abgenommen, ich bin einsam, ich vermisse meine Familie .. Ich, ich, ich‘, sollte er seine verbleibende Zeit damit verbringen zu erkennen, was seine Familie durch ihn erlitten und weiter erleiden wird!