Sie wollte nie wirklich Politikerin sein und im Rampenlicht stehen. Der Tod ihres Mannes Alexej Nawalny in einem russischen Straflager drängt sie nun dazu, sein Erbe anzutreten. Das ist die Frau hinter dem bekanntesten Oppositionskritiker Russlands: Julia Nawalnaja.
Als die Nachricht von Nawalnys Tod den Westen am vergangenen Freitag erreichte, war Julia Nawalnaja gerade in München an der Sicherheitskonferenz. Der Trauer zum Trotz trat sie vor die Weltöffentlichkeit und rief dazu auf, sich gegen Putin und sein Regime zu stellen. Ihr Mann hätte dasselbe getan.
In einer Video-Ansage von Montag wird die Witwe noch konkreter: «Ich werde die Arbeit von Alexej Nawalny fortsetzen und weiter für unser Land kämpfen», sagt sie mit festem Blick in die Kamera.
Die Witwe, die jetzt in die Fussstapfen ihres verstorbenen Mannes tritt, hat während Jahren in seinem Schatten gestanden und ihn im Stillen unterstützt. Angesprochen auf eine eigene politische Karriere betonte sie stets, sich auf die Rolle der Mutter und Ehefrau konzentrieren zu wollen. Bis Alexej Nawalny 2020 in einem ersten Giftanschlag des russischen Geheimdienstes angegriffen wird, wusste die Öffentlichkeit nur wenig über sie.
Als Nawalny nach der Attacke in einer Klinik im sibirischen Omsk im Koma lag, setzte sich Julia Nawalnaja dafür ein, dass er nach Deutschland ausgeflogen wurde. Sie sprach vor der Presse und verfasste in staubtrockenem Ton und ohne höfliche Anrede einen offenen Brief an Putin – mit Erfolg. In Berlin sorgen die Ärzte dafür, dass Nawalny überlebt. Und stellen, entgegen der russischen Fachleute, das Nervengift Nowitschok in seinem Körper fest. Immer bei ihm: Nawalnaja, die den Anschein macht, jeden noch so düsteren Moment ihres Lebens als Chance zu sehen, daran zu wachsen. Der russischen Ausgabe des Lifestyle-Magazins «Harper's Bazaar» sagt sie in einem Interview:
Julia Nawalnaja kommt 1976 in Moskau als Tochter eines Wissenschafters und einer Mitarbeiterin des sowjetischen Ministeriums für Leichtindustrie zur Welt. In ihrer Heimatstadt studiert sie internationale Beziehungen an der renommierten Plechanow-Universität für Wirtschaftswissenschaften, bevor sie einige Jahre lang für eine Bank tätig war.
Als sie 1998 in der Türkei Ferien macht, lernt sie den Juristen Alexej Nawalny kennen. Zwei Jahre später heiraten sie. Eine Zeit lang arbeitete sie für ihre Schwiegereltern, die ein Geschäft mit geflochtenen Möbeln führten. 2001 kam ihre Tochter Daria zur Welt, 2008 folgte Sohn Zahar, nach dessen Geburt sie sich aus dem Berufsleben zurückzog und sich auf die Erziehung der Kinder fokussierte. Ihrem Mann, der sich inzwischen stärker auf die Politik konzentrierte, stand sie währenddessen ständig als Beraterin und Assistentin zur Seite.
Seit sie 2020 öffentlichkeitswirksam um das Überleben ihres Mannes kämpfte, geriet auch sie vermehrt ins Visier der russischen Regierung. Sie rief via Social Media zu Protesten für Nawalnys Freilassung auf und wurde als Teilnehmerin eben jener selbst festgenommen und während mehreren Stunden in Gewahrsam gehalten. Ein erster Vergiftungsversuch des russischen Geheimdienstes im Frühsommer 2020, so stellte sich im Nachhinein heraus, löste bei Nawalnaja statt ihrem Gatten Unwohlsein aus.
Als ihr Mann nach seinem Überlebenskampf nach Russland zurückkehren wollte, folgte sie ihm im Klaren darüber, was sie dort erwarten würde. Nach der Landung in Moskau gab er ihr einen letzten Kuss auf die Wange, bevor er verhaftet wurde. Seither hat sie ihn nie wieder in Freiheit gesehen.
Ihr Mann habe oft gesagt, sie vertrete radikalerer Ansichten als er, erzählt sie im Interview mit «Harper's Bazaar». «Vielleicht ist es der Umstand, dass ich keine Politikerin bin und meine Position nur zu Hause und nicht in der Öffentlichkeit vertrete. Ich wäre dort viel vorsichtiger», meinte sie damals. Inwiefern sich diese Position von jener ihres Mannes unterscheidet, wird sich bald zeigen.
Ich bin zwar kein Freund von Rache aber ich in diesem Fall sind diese Gefühle nachvollziehbar.
Ich wünsche ihr viel Kraft und viel Erfolg!