So beginnt Christo Grosews Twitter-Thread, der Details des Agenten-Thrillers veröffentlicht, der sich zwischen Russland und der Ukraine abspielte.
Today FSB announced that they have “foiled a plot by Ukraine’s intelligence services” to lure Russian military pilots to surrender to Ukraine – with their planes – in return for millions of USD in payments (thread).
— Christo Grozev (@christogrozev) July 25, 2022
Grosew ist ein bulgarischer Investigativ-Journalist und dokumentierte die Operation. Er geriet dann selbst ins Fadenkreuz der Russen.
Russland, oder besser der Geheimdienst FSB, beschuldigte Grosew nämlich, selber in die «Flugzeugentführung» der Ukraine verwickelt gewesen zu sein.
Während Russland die Sache heute als einen Coup für seine Spionageabwehr darstellt, war die Operation in Wirklichkeit ein schwerer Fehler des FSB, der unbeabsichtigt die Identität dutzender Spionageabwehrbeamter, ihre Arbeitsmethoden und ihre verdeckten Ermittler preisgab.
Als Russland in die Ukraine einmarschierte, hat die Ukraine versucht, russische Militärpiloten mit diversen Anreizen zur Kapitulation zu verleiten. Im April verabschiedete die Ukraine nämlich ein «Waffenabgabe-Anreizgesetz».
Ein Team ukrainischer Agenten beschloss, sich mit einem auf diesem Gesetz basierenden Angebot an russische Piloten zu wenden. Grosew und seine Kollegen erfuhren von dieser Initiative und sicherten sich einen Platz in der ersten Reihe, um einen Dokumentarfilm über diese dreiste Aktion zu drehen.
Mehrere russische Militärpiloten wurden angesprochen und schickten sogar «Zugangsnachweis»-Videos aus dem Inneren ihrer Flugzeuge, die in jedem Fall eine separate, handschriftlich auf Papierstücke geschriebene Nummer trugen. Einige der Aufnahmen aus dem Inneren der Flugzeuge waren recht detailliert und aufschlussreich.
Die «Verhandlungen» zwischen den ukrainischen Anwerbern und den Piloten, die gefilmt wurden, begannen wie erwartet, aber ihr Ton änderte sich schnell, was darauf hindeutet, dass die Piloten nicht mehr in ihrem eigenen Namen sprachen, sondern «gecoacht» wurden – wahrscheinlich von militärischen Spionageabwehrbeamten des FSB.
Ein deutlicher Hinweis darauf, dass der FSB die Kommunikation abgefangen hatte, kam, als einer der Piloten plötzlich sagte, er wolle nicht mehr seine Frau, sondern seine «Geliebte» aus dem Land bringen.
Grosew brauchte «etwa 5 Minuten, um herauszufinden, dass die ‹Geliebte› des Piloten eine FSB-Agentin war», die tagsüber als Fitnesstrainerin arbeitete, den Rest der Zeit aber als FSB-Freundin für einen Auftrag jobbte.
Der Pilot schien auch nichts über den Hintergrund seiner «Freundin» zu wissen. So soll er beispielsweise ernsthaft überrascht gewesen sein, dass sie überhaupt einen Reisepass hatte und dass sie vor einigen Monaten in Istanbul und vor einem Jahr in Barcelona gewesen war.
Grosew hat aber auch herausgefunden, dass sie während der Verhandlungen ihres «Freundes» mit den Ukrainern mit einem FSB-Offizier für militärische Gegenspionage gesprochen hat.
Ein weiterer Hinweis kam, als ein anderer Pilot plötzlich seine ukrainischen Kollegen um Rat fragte, um seinen Kopiloten mit einem Beruhigungsmittel ausser Gefecht zu setzen.
An diesem Punkt «wurde mir klar, dass die ursprüngliche Köderoperation vorbei war – und sich in ein doppeltes ‹operatives Spiel› verwandelt hatte», bei dem beide Seiten versuchten, der anderen ein Maximum an Informationen zu entlocken und sie gleichzeitig mit einem Maximum an Desinformation zu versorgen, erzählt Grosew weiter.
Die Ukrainer fütterten die «Piloten» – also eigentlich die FSB-Spionageabwehr – mit gefälschten Karten ihrer Flugabwehrstellungen sowie mit Desinformationen über die operativen Landebahnen. Gleichzeitig schickten die Piloten ihre eigenen (wahrscheinlich ebenso gefälschten) An- und Abflugkarten.
Einmal überzeugten die Ukrainer den FSB sogar davon, die Frau eines der Piloten – zusammen mit einem ganzen FSB-Beschattungsteam – nach Minsk zu schicken, um dort auf ein versprochenes «Treffen» mit den ukrainischen Verantwortlichen zu warten. Der FSB soll vier Tage lang vergeblich gewartet haben.
Dieses bizarre Spiel der gegenseitigen Täuschung fand ein Ende, als der FSB feststellte, dass niemand zu den vorgeschlagenen Treffen erscheinen würde (der FSB wollte offenbar unbedingt ukrainische Agenten identifizieren), und erkannte, dass er hereingelegt worden war. Und den Ukrainern wurde klar, dass sie wahrscheinlich auch keinen echten Piloten bekommen werden.
Trotz des (bisher) unerwarteten Endes hat Grosew vor, diesen verrückten Film zu Ende zu drehen.
(bal)
Diese Story bestätigt mich jetzt ein wenig.
Danke dafür.