Russlands Präsident Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan wollten in Teheran ein Abkommen über die Wiederaufnahme der Getreideexporte aus der Ukraine unter Dach und Fach bringen. Ob es zu einer Einigung kam, war bei Redaktionsschluss noch offen. Nach von der UNO vermittelten Gesprächen zwischen russischen, ukrainischen und türkischen Regierungsvertretern in der letzten Woche in Istanbul stand nach Angaben des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar ein Getreidedeal schon «kurz vor dem Abschluss». Was fehlte, war der «endgültige Segen» von Putin.
Im Gegenzug wollen die USA russische Getreide- und Düngemittelexporte erleichtern, indem sie Banken, Schifffahrts- und Versicherungsunternehmen zusichern, dass derartige Transaktionen nicht gegen die Sanktionen gegen Moskau verstossen.
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Ein Getreidedeal könnte Friedensgespräche zwischen den kriegführenden Parteien erleichtern. Neben der Türkei sieht sich der Iran als «Zentrum einer dynamischen Diplomatie», schrieb der iranische Aussenminister Hossein Amirabdollahian auf Twitter. Neben der «Lebensmittelsicherheit» gehe es um «politische Lösungen zur Sicherheit in der Region». Russland betrachte man dabei als einen «strategischen Partner», hiess es in Teheran, wo ein Kooperationsabkommen mit der russischen Gazprom über 40 Milliarden Dollar unterzeichnet wurde.
Es ist bereits das dritte Mal in diesem Jahr, dass Putin mit seinem iranischen Amtskollegen Ibrahim Raisi zusammentraf. Ob bei den Gesprächen im prunkvollen Saadabad-Palast der iranischen Hauptstadt, in dem einst der Schah von Persien residierte, auch die von den Amerikanern unterstellte «Lieferung von iranischen Kampfdrohnen an die russische Armee» im Vordergrund stand, wurde von Beobachtern in Teheran bezweifelt. Solche Deals, berichten Insider, würden von den Militärs beider Länder direkt abgewickelt.
Was dagegen ganz oben auf der Agenda der Gesprächspartner stand war das Atomabkommen mit Teheran, zu dessen Hauptunterzeichnern neben den USA auch Russland gehört. Um die ins Stocken geratenen Gespräche voranzubringen, wurde Putin in Teheran auch von Ali Khamenei, der höchsten politischen und geistlichen Instanz, empfangen. Mit dem iranischen Revolutionsführer führe der Kremlchef seit vielen Jahren einen «vertrauensvollen Dialog», sagte Putins aussenpolitischer Berater Juri Uschakow am Wochenende.
Auch die USA scheinen weiterhin an einer Übereinkunft mit dem Iran interessiert zu sein. Nach Informationen des in Armenien lebenden kanadischen Journalisten Neil Hauer trafen am letzten Wochenende hochrangige iranische und amerikanische Geheimdienstoffiziere in Jerewan zusammen. Vorrangiges Thema dürfte das Atomabkommen mit Teheran gewesen sein. Ein Abschluss wird aus iranischer Sicht durch die Weigerung der USA blockiert, die iranischen Revolutionsgardisten von der Liste terroristischer Organisationen zu streichen.
Russland und der Iran sorgen mit ihren in Syrien stationierten Truppen für das politische Überleben von Diktator Assad. Dessen Armee kontrolliert inzwischen wieder grosse Teile des Landes. Türkische Soldaten stehen im Norden, wo sie einen Vorstoss auf die von syrischen Kurden kontrollierten Landesteile vorbereiten. In den Gebieten sollen nach türkischen Vorstellungen einmal syrische Flüchtlinge aus der Türkei angesiedelt werden.
Für eine Offensive seiner Streitkräfte benötigt Erdogan die Zustimmung von Putin und Raisi, die beide Präsidenten bisher verweigert haben. Ob es in Teheran zu einer Einigung kommt, wird man vermutlich erst in einigen Wochen wissen. «Um Putins Zustimmung für einen türkischen Einmarsch zu bekommen, könnte Erdogan dem Kremlchef ein von der Türkei verwaltetes Getreideabkommen anbieten, das für Moskau günstig ist», befürchtet Soner Cagaptay vom Washington Institute for Near East Policy. Der türkische Präsident, glaubt der Nahostexperte, sei nicht bereit, das Syrien-Problem vom Ukraine-Krieg abzukoppeln. (aargauerzeitung.ch)