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Verhaftung von Julian Assange: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Assange wird aus der ecuadorianischen Botschaft geführt.
Assange wird aus der ecuadorianischen Botschaft geführt.screenshot twitter/russia today

Die USA haben Assanges Auslieferung beantragt – was wir wissen und was wir nicht wissen

Der Wikileaks-Gründer wurde am Donnerstagmittag von der britischen Polizei verhaftet. Er hatte seit 2012 in der ecuadorianischen Botschaft in London gelebt. Die vier wichtigsten Erkenntnisse in der Übersicht
11.04.2019, 14:3312.04.2019, 06:04
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Weshalb ist Assange verhaftet worden?

Die britische Polizei nahm den Wikileaks-Gründer aufgrund eines Haftbefehls der britischen Justiz aus dem Jahr 2012 fest. Der Haftbefehl bezieht sich auf einen Verstoss gegen seine Bewährungsauflagen, den Assange mit seiner Flucht in die Botschaft beging.

Gemäss Jen Robinson, Mitglied von Assanges Anwaltsteam, wurde der Australier zudem im Zusammenhang mit einem Auslieferungsgesuch der USA in Haft genommen.

Das Gesuch basiere auf einem Haftbefehl aus dem Dezember 2017. Der Tatbestand: Verschwörung. Die Existenz des Gesuchs wurde unterdessen von den britischen Behörden bestätigt.

Sieben Jahre in der Botschaft: Der Fall Julian Assange

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Sieben Jahre in der Botschaft: Der Fall Julian Assange
Sommer 2010: Von Juli bis Oktober veröffentlicht die Enthüllungsplattform Wikileaks rund 470'000 als geheim eingestufte Dokumente, die mit diplomatischen Aktivitäten der USA und mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun haben. Weitere 250'000 Dokumente kommen später hinzu.
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Warum floh Assange 2012 in die Botschaft?

Mit seiner Flucht in die Vertretung Ecuadors am 19. Juni 2012 entzog sich Assange einer Verhaftung in London und einer möglichen Auslieferung nach Schweden. Das skandinavische Land hatte gegen ihn einen Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen ausgestellt. Die Vorwürfe bezogen sich auf Geschlechtsverkehr zwischen Assange und zwei Frauen im August 2010.

epa07498374 (FILE) - Wikileaks founder Julian Assange speaks to reporters on the balcony of the Ecuadorian Embassy in London, Britain, 19 May 2017 (reissued 11 April 2019). Reports state on 11 April 2 ...
Assange spricht 2017 von einem Balkon der Botschaft von Ecuador zu den Medien.Bild: EPA/EPA

Die schwedischen Strafverfolgungsbehörden wollten Assange verhören, um die Frage zu klären, ob dieser Geschlechtsverkehr einvernehmlich gewesen sei. Im Raum stand auch der Vorwurf, Assange habe gegen den Willen der Frauen kein Kondom verwendet. Weil die Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft waren, legte die Stockholmer Staatsanwaltschaft den Fall 2017 zu den Akten.

Weshalb konnte Assange nach sechs Jahren Asyl in der Botschaft verhaftet werden?

Kurz vor Assanges Verhaftung veröffentlichte Ecuadors Staatspräsident Lenin Moreno ein Video, in dem er über «die souveräne Entscheidung Ecuadors, Julian Assange das politische Asyl zu entziehen», informierte.

Als Gründe nannte Moreno wiederholte Verstösse Assanges gegen internationales Recht und die mit ihm getroffenen Vereinbarungen über sein Verhalten als Gast der ecuadorianischen Botschaft in London.

Trotz wiederholten Warnungen habe sich Assange in Koordination mit Wikileaks immer wieder in die inneren Angelegenheiten von Drittstaaten eingemischt. Assange habe zudem ein unhöfliches und aggressives Verhalten an den Tag gelegt und grundlegende Regeln missachtet, deren Einhaltung man von einem Gast im eigenen Haus erwarten dürfe.

Ecuador habe sich in den über sechs Jahren, in denen es Assange politisches Asyl gewährt habe, im Gegensatz zu Assange jederzeit an seine Verpflichtungen gehalten. Zum Ende seiner Ansprache ging Moreno auch auf ein vergangene Woche publiziertes Wikileaks-Tweet ein.

Der Vorwurf von Wikileaks: Die Regierung von Staatspräsident Moreno wolle Assanges Asyl entziehen, um von den INA-Papers abzulenken. In diesen Dokumenten, die ecuadorianischen Parlamentariern zugespielt worden sind, geht es um eine angebliche Verstrickung von Morenos Umfeld in Schmiergeldzahlungen. Ecuadors Staatschef sagte, seine Regierung habe nichts zu verbergen und lasse sich nicht unter Druck setzen.

Droht Assange nun die Auslieferung in die USA?

President Donald Trump waves after stepping off Marine One on the South Lawn of the White House, Wednesday, April 10, 2019, in Washington. Trump is returning from a trip to Texas. (AP Photo/Alex Brand ...
Will Trumps Regierung Julian Assange juristisch verfolgen?Bild: AP/AP

Wikileaks und Assange hatten die Flucht in die Botschaft stets mit der Furcht vor einer drohenden Auslieferung in die USA begründet. Dort drohe Assange wegen der Veröffentlichung von tausenden geheimen US-Dokumenten durch Wikileaks eine Anklage wegen Verrats und damit möglicherweise sogar die Todesstrafe. Ob tatsächlich ein US-Haftbefehl existiert, blieb lange unklar. Im November 2018 gab die US-Justiz im Zusammenhang mit einem anderen Fall versehentlich Dokumente frei, die auf einen Haftbefehl gegen Assange hinweisen, wie die «Washington Post» enthüllte. Die genaue Anklage gegen Assange wurde damals aber nicht ersichtlich.

Wenige Stunden nach Assanges Verhaftung veröffentlichte das US-Justizdepartement eine Erklärung zu den Vorwürfen gegen Assange und stellten die Anklageschrift online. Ihm wird Verschwörung zum Hacken eines US-Regierungscomputers vor. Assange soll der Whistleblowerin Chelseas Manning dabei geholfen haben, Zugang zu geheimen Dokumenten der US-Regierung und des Militärs zu erhalten. Diese Dokumente wurden in der Folge von Wikileaks veröffentlicht. Bei einer Verurteilung würden Assange laut dem Schriftstück bis zu fünf Jahre Haft drohen.

Noch ist unklar, ob die britischen Behörden positiv auf US-Auslieferungsgesuch antworten sollten. Ein Faktor bei der Beurteilung dürfte das drohende Strafmass für Assange sein. In seiner Videobotschaft hatte Ecuadors Staatspräsident Lenin Moreno betont, sein Land habe von den britischen Behörden verlangt, dass Assange an keinen Staat ausgeliefert werde, wo ihm Folter oder die Todesstrafe drohe. Die britischen Behörden hätten dies Ecuador «in Übereinstimmung mit ihren eigenen Grundsätzen» schriftlich zugesichert.

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289 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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fdsa
11.04.2019 11:40registriert August 2018
So viel zum Thema freie Meinungsäusserung👍
Kranke Welt🙆‍♂️
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Posersalami
11.04.2019 14:13registriert September 2016
Damit ist sein Schicksal besiegelt. GB wird ihn sicher ausliefern, in den USA verrottet er dann nach einem Showprozess im Knast.

Gut gemacht!


Er wird mir immer als Vorkämpfer für Transparenz in Erinnerung bleiben. Danke dafür!
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rosen nell
11.04.2019 14:08registriert Oktober 2017
Nimmt mich wunder, ob Assange seinen Jungs einen Plan B gegeben hat? Etwa: "Sollte man mich verhaften, veröffentlicht diese Hammernews."
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