Genau ein Monat ist vergangen, seit sich Liz Truss als neue Vorsitzende der Konservativen Partei und britische Premierministerin feiern lassen konnte. Seither ist einiges passiert. Nur zwei Tage nach ihrer Amtseinführung starb Queen Elizabeth, worauf der Politikbetrieb für zwei Wochen stillstand. Als es endlich losging, ging so gut wie alles schief.
Britische Politikexperten sind sich einig: Kaum je in der Geschichte des Königreichs hat eine Regierung einen krasseren Fehlstart hingelegt. Die Autorität der Premierministerin ist schwer angeschlagen. Manche prophezeien Liz Truss ein baldiges Aus. Am Parteitag der Tories, der diese Woche in Birmingham stattfand, war die Stimmung gemäss «Politico» düster.
Alles begann mit dem «Mini-Budget», das Schatzkanzler Kwasi Kwarteng am 23. September vorgestellt hatte. Es sah massive Steuersenkungen vor, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, das für Truss und Kwarteng höchste Priorität geniesst. Gleichzeitig ist eine starke Neuverschuldung geplant, um die Energiekosten der britischen Haushalte zu deckeln.
Viele Ökonomen reagierten entsetzt, denn die Kombination von Steuersenkungen, hohen Schulden und einer Inflation von rund 10 Prozent gilt als todsicheres Rezept für ein Desaster. Prompt löste Kwartengs Budget statt Euphorie eine veritable Todesspirale aus. Der Kurs des Pfund sackte in den Keller. Zeitweise war es weniger wert als ein US-Dollar.
Die Bank of England reagierte mit einer Anhebung der Leitzinsen. Dies wird höhere Hypothekarzinsen zur Folge haben, die für die ohnehin unter der Teuerung leidenden Briten eine zusätzliche Belastung darstellen. Die Folge war ein Höhenflug der Labour-Partei in den Umfragen. Selbst in der Wirtschaftspolitik vertrauen die Briten ihr mehr als den Tories.
Die Premierministerin versuchte zuerst, wie ihr Vorbild Margaret Thatcher standhaft zu bleiben. In einem BBC-Interview am letzten Sonntag verteidigte sie die Steuerpläne ihrer Regierung. Nur einen Tag später kam es zum peinlichen Rückzieher. Truss und Kwarteng verkündeten den Verzicht auf die Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 40 Prozent.
Davon hätten einzig die reichsten Briten profitiert und das wäre nicht vermittelbar gewesen in einer Zeit, in der nicht nur die Armen, sondern auch viele Mittelständler den Gürtel enger schnallen müssen. Am Ende erfolgte die Kehrtwende, weil Truss und Kwarteng eine Niederlage im Unterhaus befürchteten, wo die Konservativen eigentlich die klare Mehrheit haben.
Zahlreiche Abgeordnete rebellierten gegen die Senkung des Spitzensteuersatzes, vor allem jene aus den ehemaligen Labour-Hochburgen im strukturschwachen Norden Englands, die bei den Wahlen 2019 zu den Tories «übergelaufen» waren. Auch Schwergewichte wie die früheren Minister Michael Gove und Grant Shapps opponierten gegen die Premierministerin.
Dies führte in Birmingham zu einer scharfen Replik von Innenministerin Suella Braverman, die am rechten Rand politisiert. Sie beschuldigte die Kritiker, einen «Coup» organisiert und die Arbeit der Regierungschefin «auf unprofessionelle Art» untergraben zu haben. Worauf Handelsministerin Kemi Badenoch solche Vorwürfe als «hetzerisch» zurückwies.
Der offene Streit unter Kabinettsmitgliedern illustriert, dass die Premierministerin nach einem Monat im Amt schwer angeschlagen ist. Liz Truss selbst versuchte, die Kritik in zahlreichen Interviews zu kontern, und verstrickte sich noch mehr in Widersprüche. Mal distanzierte sie sich von Kwasi Kwarteng, dann sprach sie ihm ihr volles Vertrauen aus.
Bereits wird spekuliert, dass der Finanzminister als Sündenbock geopfert wird. Er ist mit der Forderung konfrontiert, die für den 23. November geplante Vorstellung des detaillierten Budgetplans vorzuziehen, um die Märkte zu beruhigen. Weitere Kontroversen drohen zudem um mögliche Sparmassnahmen und die Anpassung der Sozialleistungen an die Teuerung.
Über einen «Rauswurf» von Liz Truss wurde in Birmingham ebenfalls spekuliert. Der einflussreiche Unterhaus-Abgeordnete Tobias Ellwood gab ihr gegenüber dem «Guardian» eine Gnadenfrist bis Weihnachten. Andere gehen weiter. Für Ex-Verkehrsminister Grant Shapps hat sie bestenfalls zehn Tage Zeit, um den Turnaround zu schaffen.
Alle warteten deshalb mit Spannung auf Truss’ Parteitagsrede am Mittwoch kurz vor Mittag. «Wenn sie Mist ist und sie selbst so hölzern wie immer, könnte der Vorhang fallen», meinte ein namentlich nicht genanntes Kabinettsmitglied gegenüber «Politico». Hölzern und farblos wirkte der Auftritt von Truss in der Tat und der Applaus für sie mehr trotzig als überzeugt.
Die Lust auf eine Absetzung so kurz nach ihrem Amtsantritt dürfte sich bei den Tories dennoch in Grenzen halten. Neuwahlen wären in diesem Fall kaum zu vermeiden. Sie dürften für viele Abgeordnete zum heutigen Zeitpunkt mit einem «Blutbad» enden. Ausserdem stellt sich die Frage, wer Liz Truss in der Downing Street Nr. 10 folgen soll.
Im Vordergrund steht Ex-Finanzminister Rishi Sunak, der ihr im Rennen um den Parteivorsitz unterlegen war, in der Unterhaus-Fraktion aber deutlich mehr Rückhalt geniesst. Er ist seither abgetaucht und nahm nicht am Parteitag teil. Selbst über ein Comeback von Boris Johnson wird spekuliert. Auch er glänzte in Birmingham durch Abwesenheit.
Johnson hat bei seinem Abschied ungeniert damit kokettiert. Ein solches Szenario wäre jedoch mehr als grenzwertig. Wahrscheinlich ist, dass die Konservativen versuchen werden, bis zu den nächsten Wahlen, die spätestens Ende 2024 stattfinden dürften, irgendwie über die Runden zu kommen. Dabei ist eine gehörige Portion Fatalismus im Spiel.
Selbst die grössten Truss-Anhänger im Parlament glauben angesichts des Umfrage-Vorsprungs von Labour nicht mehr an einen Wahlsieg. Einer von ihnen meinte gegenüber «Politico», die grösste Hoffnung der Partei sei, dass die Premierministerin sich etwas erhole und «uns in eine ehrenvolle Niederlage führt».
Was aber diese Truss und der Andere hier durchziehen, ist ein ganz neues Kaliber: In nie gesehener Offenheit zeigt sie, was sie für den Mittelstand und die ärmeren Menschen empfindet: Nichts. Sie verachtet sie. Sie scheisst auf die Bürger. Alles für den Geldadel. Sie und der Andere gehen soweit, dass eine Kernschmelze des Pfunds möglich wird.
Entfernt diese Person. Und den Anderen gleich mit.